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Zur Romsage

Inhaltsverzeichnis

  1. Aeneas
  2. Münzdarstellung
  3. Wie die Romsage entstanden ist
  4. Was haben die Römer von ihrer Frühgeschichte gewusst?

Aeneas

„Sohn des Anchises und der Aphrodite <lateinisch: Venus>, troischer Held.

… Bei der Eroberung Troias zieht A. <Aeneas> mit seinem greisen Vater auf den Schultern aus der Stadt, ohne von den Griechen behelligt zu werden; die Stadtgötter nimmt er auf den Berg Ida mit. Auf dieser Flucht aus dem brennenden Troia verliert A. seine Gattin Kreusa, rettet aber seinen Sohn Ascanius (Iulus). Über Thrakien und Delos segelt er nach Italien. … Ein Sturm vernichtet den Großteil der Schiffe und verschlägt den Helden nach Afrika, wo er von der Königin Dido, der Gründerin Karthagos, gastfreundlich aufgenommen wird. Dido liebt A. und will ihn für immer bei sich behalten. Den Helden jedoch führt das Schicksal in seine neue Heimat Italien. Er landet bei Cumae (Kyme) und besucht mit der berühmten cumanischen Sibylle die Unterwelt.

Sein weiterer Weg führt ihn nach Latium, wo ihm der König Latinus die Hand seiner Tochter Lavinia und den Platz zur Gründung einer neuen Stadt anbietet. A. muß einen schweren Kampf mit den Rutulern und ihrem König Turnus ausfechten, der sich ebenfalls um Lavinia bewirbt. Turnus fällt im Zweikampf. A. übernimmt als Nachfolger des inzwischen gestorbenen Latinus und Gatte der Lavinia die Herrschaft und gründet die Stadt Lavinium. Sein Sohn Iulus gründet Alba Longa, dessen Tochterstadt Rom werden sollte.“ [1]

„Die Römer sahen in A. nicht vornehmlich den Kriegshelden, sondern den Mann des Friedens. Durch seine vorbildliche Pflichterfüllung gegenüber den Göttern seiner Heimat und gegenüber dem greisen Vater war er zur Verkörperung der echt römischen Grundhaltungen der religio und der pietas gleichsam prädestiniert.

Daß Vergil in seinem Epos A. als den makellosen Helden und Göttersohn verherrlichte, erklärt sich im besonderen daraus, daß Kaiser Augustus – wie die Julier überhaupt seit dem 2. Jh. – ihn als Ahnherrn seines Hauses betrachtete.“ [2]

Münzdarstellung

Der unten abgebildete Denar [3] zeigt, wie der Hirte Faustulus (links), mit einem Arm auf einen Stab gestützt, die Wölfin, die Romulus und Remus säugt, entdeckt.

Faustulus und die Wölfin

Wie die Romsage entstanden ist

„Die römische Überlieferung datiert die Gründung Roms auf die Mitte des 8. Jahrhunderts (nach einigem Schwanken wurde in augusteischer Zeit das von dem gelehrten Varro [4] errechnete Jahr 753 v. Chr. kanonisch) und gliederte sie in den großen Zusammenhang der mythischen griechischen Vorzeit ein. Der Urvater der Römer war danach der Held Aeneas … Der Mythos ist späte historiographische Konstruktion. Wahrscheinlich waren vor allem die Griechen an ihr beteiligt, welche die einflußreicher werdende Stadt in ihren historische Horizont eingliedern wollten. Die Römer haben wohl erst in einem späteren Stadium, als sie griechische Bildung angenommen hatten und das Bedürfnis fühlten, ihre gewachsene Herrschaft vor allem auch gegenüber den Griechen zu legitimieren, die Erzählungen aufgenommen und an ihnen weitergearbeitet.“ [5]

„Als Gründer Roms erscheint A. <Aeneas> in der griechischen Literatur seit dem 5. Jh. (Hellanikos). Archäologische Funde der jüngsten Vergangenheit beweisen aber die Vertrautheit der Etrusker mit der Gestalt des A., der seinen Vater aus Troia rettet, mindestens um die Wende vom 6. zum 5. Jh., so daß A. auf diesem Wege (über die Etrusker) zu den Römern gekommen sein dürfte. Gelegentlich wurde A. auch als Vater der Zwillinge Romulus und Remus aufgefaßt. Später schob man zwischen die Gründung von Lavinium und Rom noch die Erbauung von Alba Longa ein, die man dem Ascanius zuschrieb. Aus Gründen der Chronologie, um die Lücke zwischen dem Falle Troias (auf 1184 v. Chr. datiert) und der Gründung Roms zu überbrücken, fügte man noch die Albanische Königsliste dazu.“ [6]

Was haben die Römer von ihrer Frühgeschichte gewusst?

„Es hat in Rom keine Geschichtsschreibung gegeben, welche von Anfang an den Gang der Ereignisse begleitet hätte. Die frühesten Aufzeichnungen bestanden lediglich in Listen der Eponymen, d. h. der die einzelnen Jahre charakterisierenden Konsuln, welche auch weniger zu historischen Zwecken als in der Absicht, eine Datierung zu gewinnen, vorgenommen wurden. Die uns geläufige Jahreszählung mit Hilfe einer Ära war bei den Römern wie übrigens auch bei den Griechen in früher Zeit unbekannt. An diese sogenannten Fasti, also einer Art von Jahreskalender, der vor allem auch Angaben über die Festtage enthielt, schlossen sich allmählich magere Notizen über dieses und jenes Ereignis an und somit war der Keim gegeben zu einer amtlichen Chronik, welche von den Pontifices geführt wurde, die Pontifikalchronik oder die Annales. Wieweit jemals diese, d. h. also Fasti einschließlich historischer Notizen, hinaufgingen, ist unbekannt. Man kann jedoch mit ihrer Existenz gewiß für das vierte Jahrhundert rechnen; aber das Material, das in diesem bescheidenen Rahmen Platz finden konnte, war sehr kärglich und unbedeutend.“ [7]

„… schon den ältesten römischen Historikern <stand> … keine ausführliche Information über die ältere römische Geschichte zur Verfügung … Sehr früh war deshalb die römische Geschichtsschreibung gezwungen, die Lücken ihres Wissens durch ungefähre Erinnerungen und vor allem Kombination und Phantasie zu schließen.“ [8]

„Zu diesem sehr elementaren Sachverhalt kontrastiert nun sehr die Tatsache, daß dasjenige Buch, welches für die Folgezeit die beinahe kanonische Überlieferung der römischen Republik und auch der sogenannten Königszeit enthielt, nämlich das uns zu einem Viertel erhaltene umfangreiche und aus 142 Büchern bestehende Werk des Titus Livius (59 v. Chr. – 17 n. Chr.) für die ältere Zeit viel mehr mitteilt, als die frühesten Geschichtsschreiber Roms jemals gewußt haben. Livius selber ist für das Anschwellen der historischen Kunde persönlich nicht verantwortlich zu machen. Diejenigen, welche für die Fülle des historischen Details sorgten, lagen ein bis zwei Generationen vor Livius. Es sind die sogenannten jüngeren Annalisten aus Sullanischer Zeit. Ihre Arbeitsweise war einfach genug. Sie füllten die Lücken der vorhandenen Tradition mit reiner Erfindung aus, wobei historisch keineswegs mehr nach einem geschichtlichen Kern zu fragen ist, sondern man sich nur allenfalls zu überlegen hätte, nach welchen Prinzipien sie ihre Phantasie in Gang setzten.“ [9]

„Diese geradezu niederschmetternde Quellenlage hat in der modernen Geschichtsforschung zwangsläufig zu der Konsequenz geführt, daß eine eingehende Erkenntnis der älteren römischen Geschichte ein Ding der Unmöglichkeit wurde. Die methodische Einstellung, mit der man an sie heranging, konnte infolgedessen nicht mehr dahin gehen, daß man wie üblicherweise fragte, was allenfalls von der Livianischen Tradition abzustreichen wäre, sondern umgekehrt von der Überlegung ausging, was unter den gegebenen Bedingungen im besten Falle jemals gewußt sein konnte. Man mußte sich dann an dem Modell eines ganz mageren Gerippes orientieren, dessen Rückgrat die Konsulnlisten bildeten, und konnte freilich auch hier nicht einmal auf deren verbürgte Zuverlässigkeit zählen, sondern hatte mit beträchtlichen Modifikationen und Rekonstruktionen zu rechnen. Niebuhr [10] und seiner Schule sind diese Dinge in ihrer erbarmungslosen Nacktheit noch nicht klar gewesen. Aber seit Mommsen [11] und der durch ihn angeregten Forschung gehört ihre Kenntnis zu den Fundamenten der modernen Geschichtsforschung. Ihr sind dadurch freilich sehr enge Grenzen gesetzt, und es ist deshalb kein Wunder, daß sich die wissenschaftliche Tätigkeit immer mehr von diesem Gebiet zurückgezogen hat.“ [12]

Anmerkungen

1) Herbert Hunger „Lexikon der griechischen und römischen Mythologie“, Reinbek bei Hamburg 1984 (Nachdruck der 6. Auflage), S. 10-11 (ohne Anmerkungen)
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2) Hunger, a. a. O., S. 11
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3) Der URI des Bildes lautet <www.bowdoin.edu/dept/clas/arch102/
images.early.rome/faustulus.denarius.gif>
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4) M. Terentius Varro 116-27 v. Chr.
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5) Jochen Bleicken „Geschichte der Römischen Republik“, 2. Aufl., München 1982, S. 12f.
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6) Hunger, a. a. O., S. 11 (ohne Anmerkungen)
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7) Alfred Heuß „Römische Geschichte“, 5. Aufl., Braunschweig 1983, S. 536
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8) Heuß, a. a. O., S. 537
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9) Heuß, a. a. O., S. 537-538 (ohne Anmerkungen)
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10) „Barthold Georg Niebuhr (1776-1831), dessen Name nicht nur mit großen Buchstaben über dem Eingang zur modernen Erforschung der römischen Geschichte geschrieben steht, sondern nicht minder über dem der gesamten Geschichtswissenchaft <sic>“ (Heuß, a. a. O., S. 513)
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11) „Theodor Mommsen (1817-1903) … ist derjenige Forscher geworden, auf dessen Schultern auch heute noch die Wissenschaft von der römischen Geschichte steht.“ (Heuß, a. a. O., S. 517)
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12) Heuß, a. a. O., S. 538
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URI dieser Seite: <http://www.ewetel.net/~martin.bode/Romsage.htm>, zuletzt geändert: 2004-04-19

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