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otium cum dignitate

Die Wendung cum dignitate otium begegnet bei Cicero mindestens zweimal:

(1) Quid est igitur propositum his rei publicae gubernatoribus, quod intueri et quo cursum suum derigere debeant? Id, quod est praestantissimum maximeque optabile omnibus sanis et bonis et beatis: cum dignitate otium.
(Pro Sestio 98)
„Was ist nun das Ziel dieser Lenker unseres Staates, das sie fest ins Auge fassen und auf das sie ihre Fahrt richten müssen? Was allen Vernünftigen, Rechtschaffenen und Wohlhabenden höchster Wert und Wunsch ist: der mit Würde gewahrte Frieden.“ [1]
(2) Sic, cum omnibus nobis in administranda re publica propositum esse debeat id, quod a me saepissime dictum est, cum dignitate otium, non idem semper dicere, sed idem semper spectare debemus.
(Ad familiares I 9, 21)
„Genauso müssen wir alle in der Politik uns zwar als Ziel setzen, was ich oft genug betont habe, einen Frieden in Ehren, dürfen aber nicht immer wieder dasselbe sagen, sondern nur das Ziel nicht aus den Augen verlieren.“ [2]

Die Rede für Sestius wurde im Jahr 56 v. Chr. gehalten [3], der Brief an Lentulus im Jahr 54 v. Chr. geschrieben [4], die Äußerungen stammen mithin aus der Endphase der römischen Republik, in der die alte Ordnung in den Adelskämpfen unterging. Insbesondere Cicero, der sich immer als ein Vorkämpfer der Senatsherrschaft verstanden hatte, sah sich seiner Einflussmöglichkeiten beraubt und damit auch in seiner dignitas gefährdet.

Das Problem, das Cicero sich stellte, formuliert er prägnant im Jahr 44 v. Chr. [5], als nach der Ermordung Caesars nicht etwa die Republik wiederhergestellt worden war, sondern Antonius die Macht an sich gerissen hatte:

(3) Nostrum autem otium negotii inopia, non requiescendi studio constitutum est. Extincto enim senatu deletisque iudiciis quid est, quod – dignum nobis – aut in curia aut in foro agere possimus?
(De officiis III 2)
„Unsere Muße ist aber durch den Mangel an Beschäftigung, nicht durch das Streben, uns zu erholen, geschaffen worden. Denn nachdem der Senat ausgelöscht und die Gerichtshöfe zerstört worden sind, was gibt es <noch>, das wir – unserer würdig – entweder in der Kurie oder auf dem Forum tun können?“ [6]

Anmerkungen

1) „Marcus Tullius Cicero – Sämtliche Reden. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Manfred Fuhrmann“, Band V, Zürich und München 1978, S. 347
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2) „Marcus Tullius Cicero – An seine Freunde. Lateinisch und Deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Helmut Kasten“, Band V, München und Zürich 1989, S. 59
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3) Siehe Fuhrmann, a. a. O., S. 281
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4) Siehe W. W. How / A. C. Clark „Cicero. Select Letters with historical Introductions, Notes and Appendices“, Volume II, Oxford 1978 (Nachdruck der verbesserten Ausgabe von 1934), S. 218
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5) Zur Datierung siehe Hubert Ashton Holden „M. Tulli Ciceronis, DE OFFICIIS LIBRI TRES with Introduction and Commentary“, Amsterdam 1966 (Nachdruck der Ausgabe von 1899), S. xiii-xiv und 350
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6) Weitere Informationen bietet die Seite „Zu Ciceros philosophischen Schriften“.
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URI dieser Seite: <http://www.ewetel.net/~martin.bode/cum_dignitate_otium.html>, zuletzt geändert: 2011-03-01

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