Protokoll des Treffens der Arbeitsgruppe de Ortschronisten vom 20. Februar 2009 in den Räumlichkeiten der Ostfriesischen Landschaft in Aurich
21 Teilnehmer: Protokoll: Dr. P. Weßels
Referent: Theo Schuster, Leer
Gespräch mit dem Verleger und Buchhändler Theo Schuster:
Zunächst stellt Herr Cornelius Dieken kurz das Familienbuch „Die Familien der Kirchengemeinde 1698 – 1900 und die Geschichte des Dorfes Grimersum von den Anfängen bis zur Gegenwart“ (Grimersum 2008) vor,
bearbeitet von Helmut Anneessen und Cornelius Dieken.
Anschließend präsentierte sich Theo Schuster (geb. 1931) den Teilnehmern der Arbeitskreissitzung. Er ist als Buchhändler in Leer in die Fußstapfen seines Vaters getreten, wollte aber immer auch Verleger und nicht nur
Buchhändler sein. So begann er 1965 mit seiner verlegerischen Tätigkeit, die er nach wie vor mit Begeisterung und Hingabe ausübt.
In den 1960er Jahren gab es in Ostfriesland nur wenige Verlage, namhaft waren vor allem Zopfs und Rautenberg aus Leer. Erst in den 1970er Jahren begann die Welle der Verlagsgründungen. Von den vielen kommerziellen
Verlagen, die es heute in Ostfriesland gebe, seien – so Theo Schuster – nur drei erwähnenswert: Soltau in Norden, vor allem mit Bildbänden und dem OMA, der Verlag Grundlagen und Praxis in Leer mit
Literatur zu Homöopathie und schließlich der Verlag Schuster mit seinem Schwerpunkt auf dem Niederdeutschen und der Volkskunde. Schuster ist einer von sechs bis acht Verlagen, die den Niedersächsischen Verlagspreis
bekommen haben. Der Verleger selber ist außerdem gleichfalls mehrfach ausgezeichnet worden.
Ursprünglich hatte Schuster geplant, den nordwestdeutschen Raum mit seinen Produkten abzudecken. Er hat auch viele Publikationen für Nordfriesland herausgebracht. Letztlich hat er sich aber auf Ostfriesland
beschränken müssen. Der Verlag besteht im Wesentlichen nur aus seiner Person und einer Kraft, die ihm zuarbeitet.
Den Anfang als Verleger machte Theo Schuster mit der Entdeckung einer Marktlücke: Er produzierte zunächst Dialekt-Sprechplatten (plattdeutsch, jiddisch etc.). Außerdem produzierte er literarische Sprechplatten und
schließlich auch Bücher – zusammen mit renomierten niederdeutschen Autoren wie dem Lektor Bruno Loets und Wilhelmine Siefkes. Diese Tätigkeit brachte ihm viel Ruhm ein, aber es handelte sich um kommerzielle
Flops.
Als Nächstes wandte sich Schuster dem Nachdruck verschiedener bekannter, aber vergriffener Werke der ostfriesischen Geschichtsschreibung zu. Die „Ostfriesische Geschichte“ von Wiarda in elf Bänden liegt
immer noch in Restbeständen bei ihm im Keller unter seinem Geschäft in Leer. Den Abschluss dieser Reprints bildete die wiederaufgelegte „Ostfriesische Volkskunde“ von Wiard Lüpkes – mangels moderner
Literatur zu diesem Thema immer noch ein Standardwerk. Andere aktuelle Publikationen zur ostfriesischen Geschichte waren häufig auch Auftragsarbeiten (Deeters, „Kleine Geschichte Ostfrieslands“, Eimers,
„Kleine Geschichte der Stadt Leer“). Die Publikationen zur Heringsfischerei blieben wie manches andere Projekt Landenhüter.
Gut ließen sich immer die verschiedenen Wörterbücher verkaufen, die Schuster in seinem Programm hatte und hat.
Theo Schuster hatte auch großes Interesse an Literatur und insbesondere an Volksliteratur in Ostfriesland – sein Lebensthema und zugleich ein Bereich, der auch von der Ostfriesischen Landschaft vernachlässigt
wurde. 1993 veröffentlichte er mit Jurjen van der Kooi aus Groningen „Märchen und Schwänke aus Ostfriesland“ (Leer
1993). Damit traten die beiden den Gegenbeweis zur bisherigen Lehrmeinung der Volkskundler (Friedrich Sundermann) an, abgesehen von historischen Sagen gäbe es solche mündlichen Überlieferungen in Ostfriesland nicht.
Zugleich eröffneten sie mit diesem Buch eine Reihe wichtiger Veröffentlichungen zu diesem Themenbereich.
Da Theo Schuster über lange Jahre hinweg gesammelt hatte, konnte er in den letzten zehn Jahren damit beginnen, seine Ergebnisse in verschiedenen, teilweise grundlegenden Sammlungen zusammenzufassen.
Herausragend sind sicherlich die Volkskunde der Tiere („Bösselkatrien heet mien Swien. Das Tier in der ostfriesischen Kulturgeschichte und Sprache“, Leer [Schuster]
2001), und sein ostfriesisches Sagenbuch (Jurjen van der Kooi, Theo Schuster, Die Frau, die verlorenging. Sagen aus Ostfriesland, Leer [Schuster] 2003), die beide auch für die ostfriesische Ortgeschichtsschreibung
relevant sind. Im Moment wird die Herausgabe von zwei neuen Bänden zu Volkssagen vorbereitet.
Als Verleger hat Theo Schuster kein Interesse an der Herausgabe von Ortschroniken. Diese werden in erster Linie vor Ort verkauft und deshalb bietet sich eine Produktion im Eigenverlag an. Es geht eher darum, einen
guten Drucker zu finden, der in der Lage ist, auch ein gutes Buch zu produzieren.
Die angemessene Auflagenhöhe ist schwer zu bestimmen und hängt auch stark von der Größe der jeweiligen Gemeinde ab, aber eine Auflage unter 500 Exemplaren lohnt kaum. Die Finanzierung solcher Projekte ist in
der Regel nicht schwierig, weil sich meist örtliche Sponsoren finden lassen und die Refinanzierung über den Verkauf zu einem gewissen Teil meist schnell erfolgen kann.
Der Text sollte möglichst in einer Word-Version digital vorliegen. Die Kosten für solche Projekte sind relativ gesehen gesunken, weil oft nur noch gedruckt und gebunden werden muss. Mittlerweile dürfe man sich
auch zutrauen, das Layout selber mit den gängigen Programmen zu gestalten. Dafür müsse man allerdings – wenn man selber mit diesen Dingen nicht umgehen könne – jemanden engagieren, der einem beim Satz
helfen könne. Die meisten kleinen Druckereien seien hier auch nicht schlauer als die Laien.
Schwer sei zu erklären, warum Bücher zu (ost-)friesischen Themen im Allgemeinen und zur ostfriesischen Geschichte im Besonderen so hoch im Kurs stehen (Antiquariate, Ebay). Es gebe einen Mythos des Friesischen, der
auch in Ostfriesland selber gepflegt werde, eine besondere Form des Heimatbewusstseins.
Herr Schuster bittet abschließend darum, dass die Chronisten ihm Lügengeschichten, Märchen oder Vörloop-Geschichten u.ä aus dem Bereich der Volkserzählungen, sofern sie darauf bei ihren historischen Arbeiten stoßen
sollten, zukommen lassen – auch auf die Gefahr hin, dass er sie schon kennen sollte.
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