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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Volkszählung 1861
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am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

Protokoll des Treffens der Arbeitsgruppe der Ortschronisten vom 19.02.2010 im Museum Leben am Meer, Esens

18 Teilnehmer

Protokoll: Dr. P. Weßels
Referent: Wiard Hinrichs

Wiard Hinrichs: Volkszählung 1861. Namen, Berufe, Wohnungen und Grundbesitz der Einwohner der Stadt Esens und der Ämter Esens, Wittmund und Friedeburg, Werdum (Selbstverl.) 2009 vor.

Wiard Hinrichs hatte das Bedürfnis, für das nähere Umfeld seines Herkunftsortes nördlich von Wittmund zu erfassen, wer früher auf den Plätzen bzw. in den Häusern gewohnt hat und wie sich diese Traditionen bis in die Gegenwart fortgesetzt haben. Dazu gab es bislang keine Literatur. Die etwa 330 kleinen Gemeinden Ostfrieslands sind in ihren statistischen Daten auf der untersten Ebene nur sehr schwer fassbar. Die amtlichen Statistiken geben keine vergleichbaren Hinweise und das erste ostfriesische Adressbuch (Adreß-Buch für Ostfriesland, Landdrostei Aurich, 1880-1881, Leer 1880) erfasst nicht alle Einwohner. Außerdem gibt es für den Bereich Wittmund/Esens generell nur sehr wenige Adressbücher.
Das Interesse von Wiard Hinrichs hat sich schließlich geographisch bis auf die alten Ämter Esens, Wittmund und Friedeburg und die Stadt Esens ausgeweitet – den heutigen Landkreis Wittmund – und die Arbeit musste sich so über mehrere Jahre hinziehen.
Der Landkreis Wittmund hatte Mitte des 19. Jh. etwa 35 000 Einwohner, die Gemeinden im Schnitt etwa 500 Einwohner. Damit war – mit Bezug auf den Arbeitsaufwand – letztlich der zu bearbeitende Bereich etwas zu groß gewählt. Für weitere vergleichbare Projekte empfiehlt es sich, nur einzelne Ämter zu bearbeiten.

Ausgangspunkt der Arbeit ist die Volkszählung des Jahres 1861, eine typische Massenquelle, die es für fast ganz Deutschland gibt. Dabei handelt es sich um eine amtliche Zählung mit namentlicher Nennung aller ortsanwesenden Personen, die im Rahmen des Deutschen Zoll-vereins stattgefunden hat, um die Einnahmen des Zollvereins angemessen auf die Mitglieder verteilen zu können. Diese Zählungen haben alle drei Jahre stattgefunden – sind aber nicht völlig geschlossen überliefert. (Das Amt Aurich ist schlecht überliefert, die Zahlen des Amts Stickhausen fehlen nach dem Brand des Amtsgebäudes vollständig. Die Ämter Norden, Greetsiel, Pewsum sind gut überliefert). Die meisten Listen sind im Auricher Staatsarchiv (und Kopien auf Mikrofiche im Hauptstaatsarchiv Hannover) zu finden, ein Teil bei den eigenständigen Stadtarchiven (Emden, Leer, Wittmund). Bei fehlenden Listen bietet es sich bei diesem Quellentyp an, auf frühere oder spätere Erfassungen auszuweichen. (In diesem Fall hat Wiard Hinrichs für Wittmund die Listen des Jahres 1858 herangezogen).
Aus verschiedenen Gründen bot die Zählung von 1861 die beste Grundlage für diese Arbeit.
Die Daten wurden auf Vordrucken gesammelt, die Quellen sind also übersichtlich strukturiert, doch gab es vor allem in den Städten häufig schwer zu lesende Handschriften, so dass mitunter der Vergleich zu den Namenslisten des Adressbuchs von 1880 helfen musste. Eine wichtige Hilfe boten daneben die Ortsfamilienbücher der Upstalsboom-Gesellschaft.
Nach der Erfassung der Namen aus den Steuerlisten von 1861 erfolgte der Vergleich der gewonnenen Daten mit der um 1875 durchgeführten preußischen Grundsteuervermessung und den dazugehörigen Stückvermessungsrissen (Maßstab meist zwischen 1:500 und 1:2000). Diese sind sowohl beim Auricher Staatsarchiv als auch bei den örtlichen Außenstellen der GLL (frühere Katasterämter) vorhanden. Durch den Vergleich von Daten und Karten war es möglich, fast 100% der Häuser zu lokalisieren. In den Stückvermessungsrissen werden die 1857 in Ostfriesland festgelegten Hausnummern verwendet, die häufig bis zur Gemeinde- und Gebietsreform 1972 gültig geblieben sind. (Diese Hausnummern folgen in der Regel den Nummern der Ortsregister der Ostfriesischen Brandkasse, so dass sich über diese Quelle ein bis auf das Jahr 1768 zurückreichender Wertvergleich und eine entsprechende Eigentümerliste erstellen lassen.) Die Grundsteuervermessung ermöglicht es auch, festzustellen, wie viel Grundbesitz zu den Höfen gehörte.
Die so lokalisierten Gebäude wurden von Wiard Hinrichs in die gedruckt vorliegenden und heute noch bei der GLL erhältlichen Karten der ersten preußischen Landesaufnahme ab ca. 1890 übertragen. Mit Hilfe des online zugänglichen Kartenmaterials der GLL (vgl. Anlage) war es dann mit – vor allem in den Städten – noch einmal recht großem Aufwand möglich, bei etwa 90-95% die aktuellen Adressen der alten Hausnummern zu ermitteln.
Ein besonderes Problem bei diesen Zuordnungen bzw. Lokalisierungen stellte Gödens dar, weil hier ca. 130 Hausnummern in Besitz des Grafen von Wedel waren. Hier konnte der Rückgriff auf die Hannoversche Vermessung der 1820er Jahre mit der dort enthaltenen Beschreibung der Lage der Grundstücke helfen, die Grundstücke richtig den Pachthöfen zuzuordnen. (In Loga dürften die Verhältnisse ähnlich wie in Gödens sein.)
Die Publikation von Wiard Hinrichs macht jetzt für den Bereich des Kreises Wittmund die Suche nach Personen möglich, die 1861 in den Listen erfasst worden sind. Anders als bei früheren Schatzungslisten oder Einwohnerverzeichnissen sind alle Personen einschließlich der Kinder und der Mägde, Knechte und Bediensteten erfasst. Es lassen sich also auch die „Haus-gemeinschaften“ zusammenstellen. Wenn man Haus- und Hofgeschichte betreiben will, kann ein anderer Zugriff über die moderne Adresse und die Rückverfolgung auf die Verhältnisse von 1861 erfolgen.
Die Veröffentlichung der Arbeit von Wiard Hinrichs hat Rainer Hinrichs als Leiter des Arbeitskreises Hofchroniken in Ostfriesland übernommen. Es ist in der Schriftenreihe als Heft 4 erschienen. Das Buch wurde im August 2009 in 350 Exemplaren bei einem örtlichen Unternehmen, der Druckerei Janssen in Wittmund, gedruckt und im Selbstverlag für einen Preis von 28 € herausgegeben – gefördert von der Sparkasse und den Neuharlingersieler Versicherungen. Zuvor wurde über 2 Jahre eine Subskription durchgeführt, die ca. 120 Vorbestellungen aus der ganzen Bundesrepublik und USA und Kanada ergab. Insgesamt sind inzwischen ca. 200 Exemplare verkauft. Weitere Exemplare werden über die Buchhandlungen –und z.T. Museen- im Landkreis Wittmund und benachbarten Gebieten (Wiesmoor, Neustadtgödens) vertrieben.