Protokoll der Sitzung des Arbeitskreises ostfriesischer Chronisten
vom 6.3.1998 im großen Sitzungssaal der Gemeinde Hesel
Thema: Hinrich Janssen Sundermann
Referent: P.
Weßels:
Hinrich Janssen Sundermann
Lehrer Sundermann wurde am 31.3.1815 in Nesse bei Norden geboren, Er starb am 25.2.1879 in Westrhauderfehn. Sundermann wurde als Sohn des Drell und Leinwebers Anton
Philipp Sundermann in Nesse bei Norden geboren. Im Alter von 14 Jahren nahm er eine Ausbildung zum Lehrergehilfen in Nesse auf, war als Schulgehilfe und Nebenschullehrer an verschiedenen Schulen tätig und kam
1839 an die Hauptschule in Hesel. Das ermöglichte, die Ehe mit Johanne Amalie Wilhelmine Gündel, der Tochter des Apothekers Friedrich Wilhelm Gündel aus Carolinensiel Sundermann kam mit hervorragenden
Zeugnissen nach Hesel: tadelloser Lebenswandel, gründliche und umfassende Kenntnisse, großer Fleiß, besondere Lehrbefähigung. Sein pädagogisches Vorbild war Pestalozzi, seine pädagogischen Prinzipien waren
altersgerechter Unterricht, Lebensnähe und Anschaulichkeit. Erst Sundermann führte in Hesel Mathematikunterricht, Aufsatzlehre und Sachunterricht ein. Er entwickelte selber neue Lehrbücher: 1845 ein Lehrbuch
zur Geometrie, 1846 eine Fibel.
Sundermann setzte sich schon sehr früh für "Konferenzen", um den Ausbildungsstand der Lehrerschaft zu heben. In Hesel 1839 gründete Sundermann zunächst mit den
Nebenschullehrern einen Gesangverein, aus dem im Dezember 1840 die berühmte Konferenz "Lehrerhalle Hesel " wurde. Sundermann arbeitete auch für die Selbstorganisation und überregionale Vereinigung
der Lehrer zur Hebung seines Standes. 1842 organisierte er ein erstes Lehrergesangsfest in Ihlow statt, im 1843 war er maßgeblich an der Gründung der "Union" beteiligt, mit der er den ersten Schritt
zum Zusammenschluß der ostfriesischen Lehrerkonferenzen und vereine tat. Die "Ostfriesischen LehrerUnion" und im Jahr 1848 die Gründung des ostfriesischen Provinzialvereins als Teil des
"CentralVereins der Volksschullehrer im Königreich Hannover" beendeten diesen Weg.
Ab 1846 gab Sundermann außerdem den "Der LehrerSchriftwechsel" als erstes Publikationsorgan der
ostfriesischen Lehrerschaft heraus. 1847 folgte der "Friesenfreund" mit dem Zweck der "Hebung der allgemeinen Volksbildung" und der Förderung der Volkswohlfahrt und 11848 der
"Fürsprecher" mit vergleichbarer Zielsetzung.
Die Revolution 1848 wurde von Sundermann begrüßt. Er organisierte sich als Repräsentant der Interessen der ostfriesischen Volksschullehrer und
versuchte die soziale Misere der Kolonisten der ostfriesischen Geest in das Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken. Sozialpolitisch ausgerichtet war deshalb sein Engagement bei der Organisation verschiedener
"Volksversammlungen" in Eschen bei Aurich. Sundermann verfocht ein idealistisches Modell der Hilfe zur Selbsthilfe in solidarischen Gemeinschaften. In diesem Sinne rief er mehrfach zur Gründung von
Hilfsvereinen auf, scheiterte aber mit diesem Vorhaben. In seiner Gemeinde Hesel konnte der Lehrer bei seinen Bemühungen, das Armen und Schulwesen zu reformieren, nur teilweise Erfolg verbuchen. Sundermann muß
zunächst als Vertreter der politischen Rechten angesehen werden. Er war gegen die Emanzipation der Juden, hielt an Religion und Monarchie als den wichtigsten gesellschaftlichen Stützen fest, verfocht aber angesichts
der vielen Mißstände den Grundsatz der demokratischen Mitwirkung an Reformen. Dadurch wurde der Heseler Lehrer politisch mißliebig und seit 1849 wurde er sich zunehmend seiner Opposition zum restaurativen
politischen System bewußt. Sundermanns mußte seit der Jahresmitte 1848 schwere Rückschläge hinnehmen. "Der Fürsprecher" und der "Friesenfreund" mußten 1848 ihr Erscheinen einstellen. Der
erst Ende 1848 gegründete LehrerProvinzialVerein brach auseinander, und die Mitgliederzahl des LehrerSchriftwechselVereins nahm stark ab. Dennoch hielt Sundermann mutig öffentlich an seinen Einstellungen fest.
Die Situation in Hesel und Sundermanns ständige Auseinandersetzung mit dem ihm vorgesetzten Pastor Heß boten für die Behörden außerdem die Möglichkeit, den unbequemen Lehrer zu disziplinieren. Der Streit um
die Mißachtung der Amtsehre des Predigers Heß führte 1851 zu einer Verurteilung zu zwei Wochen Gefängnis für den Lehrer. Durch sein öffentliches Engagement hatte sich Sundermann aller Möglichkeiten zum
weiteren sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg versperrt. Er erhielt 1854 eine neue Anstellung in Westrhauderfehn am geographischen Rand Ostfrieslands. Zu Beginn des Jahres 1855 wurde der
"LehrerSchriftwechsel" eingestellt. Damit war Sundermann seiner letzten und wichtigsten Publikationsmöglichkeit beraubt. Während seiner letzten 25 Jahre in Westrhauderfehn gelang es ihm nicht, an
seine frühere Bedeutung wieder anzuknüpfen. Er starb schwer enttäuscht am 25.2.1879 in Westrhauerfehn als kaum noch beachteter Dorfschullehrer.
Hinrich Janssen Sundermann zeichnete sich durch
Spontaneität, Freimütigkeit und durch unbedingte Ehrlichkeit mit einem Mangel an diplomatischem Einfühlungsvermögen aus. In dem Gefühl, von Gott auserwählt zu sein, entwickelte er großes Selbstbewußtsein und
sah sich dazu berufen, als "Menschenbefreier" und "Menschenerlöser" in die persönliche Nachfolge Christi zu treten. Solchermaßen hatte Sundermann unverkennbare Probleme, sich als
"kleiner Dorfschullehrer" in das ihm vorgegebene Ordnungsgefüge einzupassen, weil es ihm einen nachgeordneten Platz zuwies, der seinem Selbstverständnis widersprach.
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