Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft vom 23.3.2001 in Aurich
Thema: Kirchenarchive in Ostfriesland
Referentin: Christa
Herzog
Referat von Christa Herzog
Kirchenarchive in Ostfriesland als Quelle für die Geschichtsforschung
Das Schriftgut der Kirche ist archivwürdig, wenn es Leben und Wirken der Kirche
dokumentiert, oder für die wissenschaftliche und heimatgeschichtliche Forschung Bedeutung hat.
Zur Geschichte des kirchlichen Archivwesens :Die Grundstrukturen zum Führen von Kirchenbüchern wurden in
der Reformationszeit entworfen. Bereits 1694 wurde eine „Observanda in Visitationibus“ erlassen, die die Visitation der Kirchenarchive und damit die Aufsicht über das Schriftgut vorsah. 1734 wurde es
Pflicht, Archiv und Pfarrregistratur sorgfältig zu registrieren und in „guter Ordnung zu halten und zu bewahren“. 1895 erfolgte die Systematisierung der Kontrolle durch Fragebögen, nachdem im Laufe des
19. Jahrhundert Pastoren Aktenordungen entwickelt hatten. Durch die Systematisierung wurde eine Übersichtlichkeit geschaffen. Veränderungen im Bestand (z. B. Verluste) konnten leichter festgestellt werden.
Ende des Jahrhunderts wurde der Wert der kirchlichen Archivalien für die Geschichtsschreibung erkannt, was wiederum der Erfassung und Systematisierung dienlich war.
Für die Pfarrämter besteht noch heute
die Pflicht, das Archivgut vor Verlusten und Beschädigung zu sichern. Sie müssen speziell ausgewiesene Archivräume einrichten, die bestimmte Kriterien zu erfüllen haben. An die Archivräume werden bestimmte
Forderungen, z. B. zur Lagerung des Archivgutes (Luftfeuchtigkeit, Einbruchsicherung) gestellt, um das Archivgut zu erhalten. Der heute gültige Aktenplan zur Registrierung der Archivalien wurde 1950 von der
EKD in Zusammenarbeit mit Juristen und Archivaren erarbeitet. Zur Übersicht des Archivbestandes wurden Findbücher erarbeitet. Die heute gültigen sind in der Regel in den 50er oder 60er Jahren angelegt worden.
Sie geben den Bestand des Archivs im Überblick wieder und erleichtern die Suche nach bestimmtem Material. Auch nach Einführung der Personenstandsregister in Form der Standesämter am 1. Jan. 1874 blieben die
bis dahin gütigen Vorschriften zum Führen von Kirchenbüchern in Kraft. Die aktuelle KB-Ordnung wurde im Jahre 1984 gültig.
Die Archivpflege wurde 1936 eingerichtet. Die ArchivpflegerInnen sollten die
Pastoren unterstützen, den Aktenbestand aufzunehmen und dem Superintendenten die Visitation von Archiv und Registratur erleichtern. Sämtliche Berichte gehen zur Landeskirche nach Hannover. Der landeskirchliche
Alt-Bestand ist 1943 verbrannt. Die Berichte sind jedoch in den Altregistraturen der einzelnen Pfarrämter noch vorhanden.
Welche Quellen des ortskirchlichen Archivs sind für den Chronisten
interessant?
Eine ergiebige Quelle für den Chronisten sind die Pfarrchroniken. Die Pastoren sind bis heute verpflichtet, kirchliche Ortschroniken zu führen. Der Chronikschreiber soll dabei „größte
Klarheit in seiner Darstellung“ suchen und bei „strengster Wahrheitsliebe“ ausschöpfend „unter dem frischen Eindruck des Erlebten, des Geschehenen“ berichten. Die Chronik soll durch Stichworte am
Rande des Textes überschaubar gestaltet werden. Seelsorgerische Beobachtungen und Beurteilungen, unterschiedliche Statistiken, Schule und Lehrer, wirtschaftliche Entwicklungen bzw. Katastrophen,
„Ortslaster“ wie z. B. Inzucht, Taten „edler Gesinnung“, sonstige Interna eines Dorfes, wie Hemmungen und Beeinträchtigungen des kirchlichen und sittlichen Lebens u.a., die mittelbar oder
unmittelbar mit dem kirchlichen Leben in Zusammenhang stehen, sollen erfasst werden. Der Chronikschreiber soll also die Bausteine bereitstellen, mit denen in der Hauptsache der Bau einer Ortsgeschichte
ermöglicht werden soll.
Der Verleih bzw. die Einsicht von kirchlichen Chroniken an Außenstehende ist verboten bzw. nur unter Aufsicht des Pastoren möglich. Die Daten unterliegen einer Sperrfrist von
mind. 25 Jahren. Die Pfarrchroniken sind für den historischen Rückblick jedoch eine wichtige Quelle, da sie detaillierte Einblicke in die Gemeinde geben.Leider ersetzen heute in der Regel die Gemeindebriefe
und ausgeschnittene und wahllos gesammelte Zeitungsartikel die zu führende kirchliche Chronik.
Die Strukturen der Kirchenbücher (KB) wurden bereits in der Zeit der Reformation gelegt. Sie enthalten
neben den Namen und Daten (Tauf-, Trau-, Sterberegister, Übertritte und Wiederaufnahme seit den 60er Jahren des 20. JH.) vielfach kleine, aber für den Historiker nicht unbedeutende Ergänzungen.
Die
Altregistratur gibt über schriftlich erfasste Vorgänge einer Kirchengemeinde einen vielfältigen Einblick in die Geschichte derselben. Hier finden sich Vorgänge, die die Schule und die Lehrer, die Gemeinde, die
Pastoren, das Armenwesen, kirchliche Immobilien und Liegenschaften betreffen, evt. Schriftgut zu Tochtergemeinden etc. Veränderungen oder Konflikte können über den Schriftverkehr, wo er vorhanden ist,
detailliert nachvollzogen werden. Hinweise auf bestimmte Vermerke innerhalb der kirchlichen Chronik können hier überprüft und vertieft werden. Auch wo keine Chronik vorhanden ist, findet sich hier
facettenreiches Material zur Aufarbeitung von Orts-. Schul-, Personen-, Sozial- und Kirchengeschichte.
Das Landeskirchenamt in Hannover wacht über die Lagerung und auch den Umgang mit den kirchlichen
Archivalien. Eine Benutzerordnung regelt den kirchlichen Datenschutz sowie den Umgang mit den Archivalien für Forscher. Kirchenbücher sind nicht ausleihbar. Fotokopien sind nur aus ungebundenen Archivalien
möglich bzw. soweit keine Benutungssperre vorliegt. (Bei Personeneintragungen 30 Jahre Frist). Es sind jedoch Kopien aller älteren örtlichen Kirchenbücher bis 1852 auf Microfiche im Kirchenbuchamt in Hannover
sowie in der Landessuperintendantur, Julianenburger Str. 23, Aurich vorhanden. Spätere Eintragungen sind über die Pastoren in den örtlichen Kirchengemeinden zu erfragen.
Eine große Hilfe für Chronisten
stellen in diesem Rahmen für die Aufarbeitung von Personen- und Sozialgeschichte die Ortssippenbücher (OSB) dar, die die KB-Eintragungen nach Familien geordnet aufgearbeitet wiedergeben. Derzeit sind rund 35 OSB
erarbeitet.
Zentrale kirchliche Stellen der einzelnen Kirchenkreise in Ostfriesland: Aurich (s.o.) Emden, Esens, Leer, Norden, Rhauderfehn (Superintendanturen).
Lit.: - Jauernig, Kirchliche
Ortschroniken, in: Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächs. Kirchengeschichte, Jg. 1950, Bd. 48.
- Hans Otte u. Jörg Rohde (Bearb.), Ostfriesland im landeskirchlichen Archiv, 2 Bde., Hannover 1998.
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