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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft vom 7.4.2000 in der Ostfriesischen Brandkasse

Thema: Die Archivalien der Ostfriesischen Brandkasse

Referent: Herr von der Hülst

Die Sitzung am 7.4. 2000 gliederte sich in zwei Teile. In der ersten Hälfte der Sitzung wurde die Arbeitsgruppe von Herrn von der Hülst durch das Archiv der Ostfriesischen Brandkasse geführt.

Das Archiv der Brandkasse gliedert sich  in vier für Ortschronisten wichtige Abteilungen. Es gibt zunächst das Altkataster, geordnet nach den alten Ämtern Ostfrieslands und des Harlingerlandes in den Grenzen von 1744. Dies beginnt für das flache Land im Jahr 1768, für die Städte  und Flecken, obwohl die Versicherungspflicht hier länger besteht, erst 1808. Es gab (seit 1834) ein Versicherungsmonopol und eine Pflichtversicherung, so daß sich aus den Bänden komplette Ortsübersichten erstellen lassen – auch über solche  Gebäude, die längst abgerissen sind. (Nur Kirchen wurden freiwillig versichert) Es handelt sich allerdings nicht um eine Hausratversicherung, sondern um eine reine Gebäudeversicherung. Inventare des mobilen Besitzes der Hauseigentümer  gehören also nicht zum Bestand. Die Verzeichnisse sind kontinuierlich bis zum Ersten Weltkrieg geführt, dann gibt es noch eine Einzelverzeichnung bis zum Zweiten Weltkrieg. Die Foliobände des Altkatasters führen die einzelnen zu  versichernden Objekte in der Reihenfolge der alten Hausnummern auf und fügen neu versicherte Objekte hinten an. Wenn also jemand ein bestimmte Objekt sucht, so muss er zunächst die alte Hausnummer in Erfahrung bringen und kann dann dessen  Entwicklung bis zu den Anfängen bzw. bis zum Jahr 1768 zurückverfolgen. Die Bände sind in Elfjahresschritte gegliedert. Unter der Hausnummer ist der Name des Eigentümers verzeichnet. Wenn sich im Zeitraum dieser elf Jahre ein neuer  Eigentümer eingestellt hat, so wird dieser ebenfalls verzeichnet, auch wenn es das Objekt nicht verkauft sondern „nur“ vererbt wurde. In einer weiteren Spalte wird die Art des versicherten Gebäudes angegeben, etwa „Wohnhaus und Scheune“  „Schuppen“ oder „Hütte“ etc. Neue Gebäude werden in dieser Spalte hinzugefügt.

Die neuversicherten Objekte werden in dem in Jahresschritte unterteilten Kataster unter dem Jahr der erstmaligen Versicherung mit dem vom Schätzer  festgelegten Versicherungswert eingetragen.

Erfahrungsgemäß werden neue Objekte in der Regel erst ein Jahr oder später nach ihrer eigentlichen Errichtung in das Kataster eingetragen. Man kann also das Jahr der Aufnahme in das  Kataster nicht problemlos mit dem Jahr der Errichtung gleichsetzen. Der Versicherungswert ist ein Schätzwert, der seine Entstehung vielen verschiedenen Faktoren verdankt. Dennoch gibt er im Vergleich zu anderen Versicherungswerten und in  der Langzeitentwicklung doch Auskunft über die wirtschaftliche Potenz des Besitzer und die relative Größe des Gebäudes.

Ab etwa 1900 gibt es als zweite wichtige Quellenkategorie noch die Einzelschätzungen. Sie bilden die Fortsetzung  der Foliobände. Der Bestand reicht bis zur Entmonopolisierung des Versicherungswesens 1994. Die aktuellen Gebäude sind eingescannt und über den PC verfügbar. Die Einzelschatzungen sind allerdings unsortiert in Gruppen – sortiert nach  Ortsteilen – abgelegt und bei der Verlegung des Archivs in den Keller durcheinandergekommen, so daß man hier manchmal auf Zufallsfunde angewiesen ist. Außerdem sind hier oft ältere Objekte, die im Laufe des 20. Jahrhunderts niedergelegt  wurden, nicht mehr auffindbar. Der große Vorteil der Einzelschätzungen liegt neben der größeren Ausführlichkeit der Beschreibungen, die bis hin zur Aufzählung „elektrischer Brennstellen“ reicht, vor allem in der Überlieferung von  Hausgrundrissen und -aufrissen. Eine gründliche Analyse der Akten eines Ortes ermöglicht also z.B. eine „Kulturgeschichte des Wohnens“ und gibt wichtige sozialgeschichtliche Hinweise.

Eine dritte wichtige Quellenkategorie sind die  Brandbücher, in denen sich Informationen zu Einzelbränden mit Angaben über die Schadenshöhe, den Restwert und (nicht immer) die Brandursache finden lassen. Die Bestände sind jahrweise gegliedert. Es ließe sich also z.B. eine Chronik aller  Brände eines Ortes seit 1768 erstellen.

Eine vierte wichtige Quellenkategorie sind die Schätzerbücher, die etwa bei der Wende zum 20. Jahrhundert beginnen und durch die Revisionen – später auch mit Grundrissen – Übersichten über  sämtliche Gebäude eines Ortes zu einem bestimmten Zeitpunkt erlauben. Die Schätzer waren über ganz Ostfriesland verteilt und hatten bestimmte Schätzerbezirke. Meist handelte es sich um Bauunternehmer, weil laut Satzung nur  Bausachverständige mit der Schätzung beauftragt werden durften. Der Verdienst eines Schätzers war aber nicht hoch und konnte nur ein Zubrot sein.

Die Bearbeitungsmöglichkeiten dieser Akten für eine Ortschronik sind groß. Es lässt  sich eine Geschichte sämtlicher Häuser seit 1768 schreiben. Es lassen sich die Entwicklung von Gewerbebetrieben wie Gastwirtschaften, Schmieden etc. verfolgen. Aussagen zur dörflichen Sozial-, Kultur und Alltagsgeschichte sind möglich.  Historische Personen lassen sich orten, soweit sie als Eigentümer von Gebäuden auftreten. Informationen über historische Vorgänge lassen sich teilweise über die Entwicklung der Gebäude nachvollziehen (Bsp.: Lager in Engerhafe, Broekzetel  oder Hesel während des Zweiten Weltkriegs).

Es handelt sich bei dem Archiv der Brandkasse im Prinzip um eine „Firmenarchiv“ und nicht um eine öffentliche Institution. Herr von der Hülst ist aber gerne bereit, allen Interessierten  Zugang zu den Unterlagen der Brandkasse zu verschaffen (Tel.: 04941/177236).

Der zweite Teil der Sitzung der Arbeitsgruppe fand im ehemaligen Lesesaal der Landschaftsbibliothek statt. Zunächst stellte Herr Freerk van Lessen seine  neue Publikation mit dem Titel „Wir vergessen euch nicht“ vor. Herr van Lessen hat das Buch den gefallenen Soldaten seiner Gemeinde aus den Kriegen 1864, 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 gewidmet. Der Anstoß war, daß die Gefallenen des  letzten Krieges nicht in den Kirchenbüchern festgehalten waren. Die meisten Familien dieser Getöteten kannte van Lessen aber persönlich, sie waren seine Schulkameraden, und ihnen sollte das Buch gewidmet sein. Dabei ist die Publikation  weder kriegsverherrlichend noch revisionistisch gemeint. Es geht van Lessen nur darum, an die Menschen und ihr Leid zu erinnern und ihnen dafür ein Denkmal zu setzen.

Die neue Publikation wurde ­ wie auch das Buch zu Holtgaste -  wieder bei Sollermann gedruckt. Der Umschlag wurde von einem Nachbarn gestaltet. Gedruckt wurde in einer Auflage von 240 Stück. Es geht van Lessen nur darum, die Unkosten wieder hereinzubringen. Bei einem Verkaufspreis von 25.-DM pro Band  bleibt kein Gewinn. Unterstützung oder Sponsoren für das Projekt fanden sich nicht. Die Gemeinde Jemgum nahm van Lessen acht Bücher ab. Die Kirchengemeinde bot nur an, Hilfe beim Kopieren zu leisten. Die Reaktionen auf die Publikation  waren bisher nur positiv. Es gab sogar bereits Bestellungen aus dem Raum Norden.

Die OZ wollte zunächst nicht recht über das neue Buch berichten. Gemeindedirektor Baumann von Jemgum hatte vergeblich zu einem Pressegespräch  eingeladen. Aber nach einem Artikel in der Rheiderland-Zeitung meldete sich auch ein Redakteur der OZ –ein Student aus Hamburg –, der dann ein Gespräch mit van Lessen führte und veröffentlichte.

Heino Albers wies in diesem  Zusammenhang darauf hin, daß es in Schortens eine vergleichbare Publikation aus dem Jahr 1953 gibt, die sich den Gefallenen, Vermissten und Opfern widmet.

Anschließend wurde auf eine neue Publikation hingewiesen, die im Zusammenhang  mit dem Schulmuseum Folmhusen entstanden ist: Aus der Chronik der ev.-luth. Schule Völlenerkönigsfehn. Diese Schulchronik wurde von Edo Meinen übertragen und bearbeitet und mit der Unterstützung der Raiffeisenbank Flachsmeer  veröffentlicht. Sie ist für den Preis von 20 DM im Schulmuseum Folmhusen erhältlich. Sie könnte den Auftakt bilden zu einer Reihe von im Auftrag des Schulmuseums publizierten Schulchroniken. Mitglieder der Arbeitsgruppe, die bereit wären,  eine alte Schulchronik zu übertragen, sind aufgefordert, sich mit dem Schulmuseum in Verbindung zu setzen.

Es wurde der Vorschlag zur Durchführung eines „Tages der Regionalgeschichte“ Mitte September durch die Arbeitsgruppe in  Zusammenarbeit mit der Ostfriesischen Landschaft vorgebracht. Der Vorschlag fand grundsätzliche Zustimmung. Es wurde angeregt, das Treffen mit einer Börse für eigene Buchprodukte und mit einer Büchertauschbörse zu verbinden.

In  diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß am 21. Mai im Schulmuseum Folmhusen im Rahmen eines „Tages der offenen Tür“ doppelte vorhandene alte Schulbücher verkauft werden sollen.