Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft vom 7.4.2000 in der Ostfriesischen Brandkasse
Thema: Die Archivalien der Ostfriesischen Brandkasse
Referent: Herr
von der Hülst
Die Sitzung am 7.4. 2000 gliederte sich in zwei Teile. In der ersten Hälfte der Sitzung wurde die Arbeitsgruppe von Herrn von der Hülst durch das Archiv der Ostfriesischen Brandkasse
geführt.
Das Archiv der Brandkasse gliedert sich in vier für Ortschronisten wichtige Abteilungen. Es gibt zunächst das Altkataster, geordnet nach den alten Ämtern Ostfrieslands und des Harlingerlandes
in den Grenzen von 1744. Dies beginnt für das flache Land im Jahr 1768, für die Städte und Flecken, obwohl die Versicherungspflicht hier länger besteht, erst 1808. Es gab (seit 1834) ein Versicherungsmonopol
und eine Pflichtversicherung, so daß sich aus den Bänden komplette Ortsübersichten erstellen lassen – auch über solche Gebäude, die längst abgerissen sind. (Nur Kirchen wurden freiwillig versichert) Es
handelt sich allerdings nicht um eine Hausratversicherung, sondern um eine reine Gebäudeversicherung. Inventare des mobilen Besitzes der Hauseigentümer gehören also nicht zum Bestand. Die Verzeichnisse sind
kontinuierlich bis zum Ersten Weltkrieg geführt, dann gibt es noch eine Einzelverzeichnung bis zum Zweiten Weltkrieg. Die Foliobände des Altkatasters führen die einzelnen zu versichernden Objekte in der
Reihenfolge der alten Hausnummern auf und fügen neu versicherte Objekte hinten an. Wenn also jemand ein bestimmte Objekt sucht, so muss er zunächst die alte Hausnummer in Erfahrung bringen und kann dann dessen
Entwicklung bis zu den Anfängen bzw. bis zum Jahr 1768 zurückverfolgen. Die Bände sind in Elfjahresschritte gegliedert. Unter der Hausnummer ist der Name des Eigentümers verzeichnet. Wenn sich im Zeitraum dieser elf
Jahre ein neuer Eigentümer eingestellt hat, so wird dieser ebenfalls verzeichnet, auch wenn es das Objekt nicht verkauft sondern „nur“ vererbt wurde. In einer weiteren Spalte wird die Art des
versicherten Gebäudes angegeben, etwa „Wohnhaus und Scheune“ „Schuppen“ oder „Hütte“ etc. Neue Gebäude werden in dieser Spalte hinzugefügt.
Die neuversicherten Objekte werden in dem in
Jahresschritte unterteilten Kataster unter dem Jahr der erstmaligen Versicherung mit dem vom Schätzer festgelegten Versicherungswert eingetragen.
Erfahrungsgemäß werden neue Objekte in der Regel erst
ein Jahr oder später nach ihrer eigentlichen Errichtung in das Kataster eingetragen. Man kann also das Jahr der Aufnahme in das Kataster nicht problemlos mit dem Jahr der Errichtung gleichsetzen. Der
Versicherungswert ist ein Schätzwert, der seine Entstehung vielen verschiedenen Faktoren verdankt. Dennoch gibt er im Vergleich zu anderen Versicherungswerten und in der Langzeitentwicklung doch Auskunft über
die wirtschaftliche Potenz des Besitzer und die relative Größe des Gebäudes.
Ab etwa 1900 gibt es als zweite wichtige Quellenkategorie noch die Einzelschätzungen. Sie bilden die Fortsetzung der
Foliobände. Der Bestand reicht bis zur Entmonopolisierung des Versicherungswesens 1994. Die aktuellen Gebäude sind eingescannt und über den PC verfügbar. Die Einzelschatzungen sind allerdings unsortiert in Gruppen
– sortiert nach Ortsteilen – abgelegt und bei der Verlegung des Archivs in den Keller durcheinandergekommen, so daß man hier manchmal auf Zufallsfunde angewiesen ist. Außerdem sind hier oft ältere
Objekte, die im Laufe des 20. Jahrhunderts niedergelegt wurden, nicht mehr auffindbar. Der große Vorteil der Einzelschätzungen liegt neben der größeren Ausführlichkeit der Beschreibungen, die bis hin zur
Aufzählung „elektrischer Brennstellen“ reicht, vor allem in der Überlieferung von Hausgrundrissen und -aufrissen. Eine gründliche Analyse der Akten eines Ortes ermöglicht also z.B. eine „Kulturgeschichte
des Wohnens“ und gibt wichtige sozialgeschichtliche Hinweise.
Eine dritte wichtige Quellenkategorie sind die Brandbücher, in denen sich Informationen zu Einzelbränden mit Angaben über die
Schadenshöhe, den Restwert und (nicht immer) die Brandursache finden lassen. Die Bestände sind jahrweise gegliedert. Es ließe sich also z.B. eine Chronik aller Brände eines Ortes seit 1768
erstellen.
Eine vierte wichtige Quellenkategorie sind die Schätzerbücher, die etwa bei der Wende zum 20. Jahrhundert beginnen und durch die Revisionen – später auch mit Grundrissen – Übersichten
über sämtliche Gebäude eines Ortes zu einem bestimmten Zeitpunkt erlauben. Die Schätzer waren über ganz Ostfriesland verteilt und hatten bestimmte Schätzerbezirke. Meist handelte es sich um Bauunternehmer,
weil laut Satzung nur Bausachverständige mit der Schätzung beauftragt werden durften. Der Verdienst eines Schätzers war aber nicht hoch und konnte nur ein Zubrot sein.
Die Bearbeitungsmöglichkeiten
dieser Akten für eine Ortschronik sind groß. Es lässt sich eine Geschichte sämtlicher Häuser seit 1768 schreiben. Es lassen sich die Entwicklung von Gewerbebetrieben wie Gastwirtschaften, Schmieden etc.
verfolgen. Aussagen zur dörflichen Sozial-, Kultur und Alltagsgeschichte sind möglich. Historische Personen lassen sich orten, soweit sie als Eigentümer von Gebäuden auftreten. Informationen über historische
Vorgänge lassen sich teilweise über die Entwicklung der Gebäude nachvollziehen (Bsp.: Lager in Engerhafe, Broekzetel oder Hesel während des Zweiten Weltkriegs).
Es handelt sich bei dem Archiv der
Brandkasse im Prinzip um eine „Firmenarchiv“ und nicht um eine öffentliche Institution. Herr von der Hülst ist aber gerne bereit, allen Interessierten Zugang zu den Unterlagen der Brandkasse zu
verschaffen (Tel.: 04941/177236).
Der zweite Teil der Sitzung der Arbeitsgruppe fand im ehemaligen Lesesaal der Landschaftsbibliothek statt. Zunächst stellte Herr Freerk van Lessen seine neue
Publikation mit dem Titel „Wir vergessen euch nicht“ vor. Herr van Lessen hat das Buch den gefallenen Soldaten seiner Gemeinde aus den Kriegen 1864, 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 gewidmet. Der Anstoß war,
daß die Gefallenen des letzten Krieges nicht in den Kirchenbüchern festgehalten waren. Die meisten Familien dieser Getöteten kannte van Lessen aber persönlich, sie waren seine Schulkameraden, und ihnen sollte
das Buch gewidmet sein. Dabei ist die Publikation weder kriegsverherrlichend noch revisionistisch gemeint. Es geht van Lessen nur darum, an die Menschen und ihr Leid zu erinnern und ihnen dafür ein Denkmal zu
setzen.
Die neue Publikation wurde wie auch das Buch zu Holtgaste - wieder bei Sollermann gedruckt. Der Umschlag wurde von einem Nachbarn gestaltet. Gedruckt wurde in einer Auflage von 240 Stück. Es
geht van Lessen nur darum, die Unkosten wieder hereinzubringen. Bei einem Verkaufspreis von 25.-DM pro Band bleibt kein Gewinn. Unterstützung oder Sponsoren für das Projekt fanden sich nicht. Die Gemeinde
Jemgum nahm van Lessen acht Bücher ab. Die Kirchengemeinde bot nur an, Hilfe beim Kopieren zu leisten. Die Reaktionen auf die Publikation waren bisher nur positiv. Es gab sogar bereits Bestellungen aus dem
Raum Norden.
Die OZ wollte zunächst nicht recht über das neue Buch berichten. Gemeindedirektor Baumann von Jemgum hatte vergeblich zu einem Pressegespräch eingeladen. Aber nach einem Artikel in der
Rheiderland-Zeitung meldete sich auch ein Redakteur der OZ –ein Student aus Hamburg –, der dann ein Gespräch mit van Lessen führte und veröffentlichte.
Heino Albers wies in diesem
Zusammenhang darauf hin, daß es in Schortens eine vergleichbare Publikation aus dem Jahr 1953 gibt, die sich den Gefallenen, Vermissten und Opfern widmet.
Anschließend wurde auf eine neue Publikation
hingewiesen, die im Zusammenhang mit dem Schulmuseum Folmhusen entstanden ist: Aus der Chronik der ev.-luth. Schule Völlenerkönigsfehn. Diese Schulchronik wurde von Edo Meinen übertragen und bearbeitet und mit
der Unterstützung der Raiffeisenbank Flachsmeer veröffentlicht. Sie ist für den Preis von 20 DM im Schulmuseum Folmhusen erhältlich. Sie könnte den Auftakt bilden zu einer Reihe von im Auftrag des Schulmuseums
publizierten Schulchroniken. Mitglieder der Arbeitsgruppe, die bereit wären, eine alte Schulchronik zu übertragen, sind aufgefordert, sich mit dem Schulmuseum in Verbindung zu setzen.
Es wurde der
Vorschlag zur Durchführung eines „Tages der Regionalgeschichte“ Mitte September durch die Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit der Ostfriesischen Landschaft vorgebracht. Der Vorschlag fand grundsätzliche
Zustimmung. Es wurde angeregt, das Treffen mit einer Börse für eigene Buchprodukte und mit einer Büchertauschbörse zu verbinden.
In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß am 21. Mai im
Schulmuseum Folmhusen im Rahmen eines „Tages der offenen Tür“ doppelte vorhandene alte Schulbücher verkauft werden sollen.
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