Referent: Dr. Joachim Tautz
TOP 1: Verschiedenes
Die nächsten Termine:
-13.09.02 in Norden, Besichtigung der Ludgerikirche mit Herrn Erchinger.
-18.10.02 Vorstellung des neuen
Mühlenbuchs in Großefehn durch Herrn Wittor, Witmund-Buttforde.
TOP 2: Vorstellung der Chronik Schwerinsdorf durch Dr. Joachim Tautz,
Oldenburg.
Die erste Druckquote – es wurden 350 Exemplare gedruckt – war sehr schnell vergriffen. Deshalb mussten noch einmal 150 Exemplare nachgedruckt werden. Die Druckerei Risius
hat gute Arbeit geleistet. Die Texte stammen im wesentlichen von Joachim Tautz. Astrid Parisius hat die Fotos zusammengetragen und die Interviews geführt, die im Anhang des Buches wiedergegeben sind. Beide
Autoren wurden für ihre Arbeit von der Gemeinde honoriert. Der Verkaufspreis des Buches – 20 Euro – ermöglicht es, soeben die Kosten zu decken. Gewinn wird nicht gemacht.
Die Anfänge der Kolonie
Schwerinsdorf liegen im Jahr 1799. Damals erfolgte eine Anfrage des Pächters des Gutes „Kloster Barthe“ wegen der Bewilligung zur Errichtung eines Hauses am damaligen Postweg in der Nähe des heutigen
Schwerinsdorf. 1802 gab es dann erste behördliche Pläne zur Gründung der Kolonie und – im Juli 1802 – ein Treffen vor Ort zur Feststellung von möglichen Einwänden der Nachbargemeinden gegen eine
Ansiedlung von Kolonisten. Ursprünglich war ein Gelände weiter östlich in Richtung auf Selverde ins Auge gefasst worden. Wegen zu erwartender Widersprüche wich man dann aber doch auf den Landstrich beim
heutigen Schwerinsdorf aus. Die Kolonie liegt auf einem Sandrücken, der ins Moor hineinragt und von dem aus das Moor kultiviert wurde.
Der Name der neuen Ansiedlung war bis 1806 einfach „Kolonie bei
Kloster Barthe“. Etwa Mitte 1806 wird sie dann zum ersten Mal als „Schwerinsdorf“ bezeichnet – nach dem Grafen von Schwerin, der sich als ostfriesischer Kammerpräsident ein Jahr zuvor das
Leben genommen hatte. Die Schwerinsdorfer selber nennen sich häufig „Steerner“. Der Grund dafür ließ sich nicht mit letzter Sicherheit ergründen, vielleicht erfolgte die Benennung nach dem Gasthof „Goldener
Stern“.
Die wesentlichen Entwicklungszüge der Kolonie im 19. Jahrhundert lassen sich unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen: Armut war ein prägender Zug der Koloniegeschichte. Deshalb gab es
häufige Gesuche um Erweiterung der Kolonate und Erniedrigung der Erbpacht. In direktem Zusammenhang damit steht eine große Auswanderungswelle in die USA, hier insbesondere nach Nokomis und Mount Illinois.
Typisch für die Gesamtsituation Schwerinsdorfs war auch die starke Entwicklung des Baptismus in dieser Kolonie. Die Heseler Kirche war weit, und der Heseler Pastor hatte besonders wenig Verständnis für diese
Entwicklung.
Obwohl Schwerinsdorf nie eine eigene Kirche hatte, gibt es dennoch ein hohes Maß an Identifikation seiner Bewohner mit dem Dorf. Die Schule bildete den zentralen gemeinsamen Bezugspunkt.
Sie existierte seit 1815, ein eigener Schulbau ist nachweisbar seit 1834. Eine eigene Lehrerwohnung war aber nicht vorhanden, der Lehrer wurde außerdem schlecht bezahlt. Ein häufiger Lehrerwechsel in
Schwerinsdorf war also normal.
Erst im Kaiserreich besserte sich allmählich die soziale Lage im Dorf. Auch die regelmäßig zusammentretende Gemeindevertretung wurde selbstbewusster. Schwerinsdorf blieb
zwar eine bedürftige Gemeinde, doch gab es einen spürbaren Aufschwung. Die Schulpflicht wurde stärker beachtet, Schulbildung genoss höheres Ansehen. Eine ostfriesische Moorkommission kümmerte sich um die
Belange der Kolonien, der Wegebau wurde verstärkt, die Kleinbahn passierte das benachbarte Hesel, und der Kunstdünger verbesserte die wirtschaftliche Lage – obwohl dieser teuer war und Schwerinsdorf deshalb
auch hinter dieser Entwicklung hinterherhinkte. Statt des Steinerodens im Barther Forst, mit dem man sich während des 19. Jahrhunderts im Winter zusätzliches Geld verdiente, ergaben sich im 20. Jahrhundert
zunehmend Möglichkeiten zur Fabrikarbeit. 1910 wurde die erste Telefonanlage eingerichtet. Der Bau einer Kleinbahn von Hesel an Schwerinsdorf vorbei nach Remels wurde gleichfalls 1910 zum ersten Mal
projektiert, 1920 noch einmal aufgegriffen aber nicht realisiert. Seit der NS-Zeit ersetzte dann die zunehmende Motorisierung die fehlende Schienenverbindung.
Die Stimmung in der Kolonie während der
Jahre des Ersten Weltkriegs spiegelt sich in der Firreler Pfarrchronik. Während im Ort Prophezeiungen umliefen, musste die Dorfgemeinschaft zugleich den Verlust relativ vieler Soldaten verkraften.
Die
Weimarer Zeit war geprägt von vollkommener Orientierungslosigkeit. Bei den Reichstagswahlen wurde zunächst liberal, dann welfisch, dann ab 1924 völkisch gewählt, ab 1930 nur noch die NSDAP.
In diesen
Jahren entwickelte sich auch ein Konflikt zwischen Schulrat Gerdes und dem Schwerinsdorfer Lehrer van Dieken, der seit 1930 im Bund völkischer Lehrer war. Dieser Konflikt setzte sich auch innerhalb des
Dorfes fort. Nachdem sich der Firreler Pastor Heinemeier von den „Deutschen Christen“ abgewendet hatte, entwickelte sich in Schwerinsdorf ein „Kirchenkampf“, bei dem der Schulvorstand mit dem dahinter
stehenden Lehrer als Gegner des Pastors keine unbedingte Unterstützung in der dörflichen Gemeinschaft fand. Auch wollten die Schwerinsdorfer Landwirte nicht gern in die Erbhofrollen, weil sie dadurch
Einschränkungen befürchteten.
In Schwerinsdorf zeichnet sich durch ein großes Gemeinschaftsgefühl, eine starke Solidarität aus. Das Vereinswesen entwickelte sich erst relativ spät. 1911 wurde der
Kriegerverein gegründet. Sie wurde nach 1933 in der SA-Reserve gleichgeschaltet und 1950 als Kyffhäuserkameradschaft wiedergegründet.
Nach 1945 setzte eine umfassende Modernisierung in Schwerinsdorf
ein. Es gab eine stärkere Einbindung in den Landkreis. Die Politik und die Schule gingen aus dem Dorf weg. Neu gegründete Vereine, die Feuerwehr, der Sportverein, der Steerner Kring füllten die Lücken. Die
Errichtung des Glockenturms und des Dorfgemeinschaftshauses in der alten Schule, die eigentlich abgerissen werden sollte, wurden wichtige Projekte für die Entwicklung der neuen Identität des Dorfes. In dem
überschaubaren Rahmen entwickelte sich eine echte Ortsgemeinschaft.
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