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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Chronik Schwerinsdorf
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Letzte Aktualisierung
am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 


Referent: Dr. Joachim Tautz

TOP 1: Verschiedenes

Die nächsten Termine:

-13.09.02 in Norden, Besichtigung der Ludgerikirche mit Herrn Erchinger.

-18.10.02 Vorstellung des neuen Mühlenbuchs in Großefehn durch Herrn Wittor,
               Witmund-Buttforde.

 

TOP 2: Vorstellung der Chronik Schwerinsdorf durch Dr. Joachim Tautz, Oldenburg.

Die erste Druckquote – es wurden 350 Exemplare gedruckt –  war sehr schnell vergriffen. Deshalb mussten noch einmal 150 Exemplare nachgedruckt  werden. Die Druckerei Risius hat gute Arbeit geleistet. Die Texte stammen im wesentlichen von Joachim Tautz. Astrid Parisius hat die Fotos zusammengetragen und die Interviews geführt, die im Anhang des Buches wiedergegeben sind. Beide  Autoren wurden für ihre Arbeit von der Gemeinde honoriert. Der Verkaufspreis des Buches – 20 Euro – ermöglicht es, soeben die Kosten zu decken. Gewinn wird nicht gemacht.

Die Anfänge der Kolonie Schwerinsdorf liegen im Jahr 1799.  Damals erfolgte eine Anfrage des Pächters des Gutes „Kloster Barthe“ wegen der Bewilligung zur Errichtung eines Hauses am damaligen Postweg in der Nähe des heutigen Schwerinsdorf. 1802 gab es dann erste behördliche Pläne zur Gründung der  Kolonie und – im Juli 1802 – ein Treffen vor Ort zur Feststellung von möglichen Einwänden der Nachbargemeinden gegen eine Ansiedlung von Kolonisten. Ursprünglich war ein Gelände weiter östlich in Richtung auf Selverde ins Auge gefasst  worden. Wegen zu erwartender Widersprüche wich man dann aber doch auf den Landstrich beim heutigen Schwerinsdorf aus. Die Kolonie liegt auf einem Sandrücken, der ins Moor hineinragt und von dem aus das Moor kultiviert wurde.

Der  Name der neuen Ansiedlung war bis 1806 einfach „Kolonie bei Kloster Barthe“. Etwa Mitte 1806 wird sie dann zum ersten Mal als „Schwerinsdorf“ bezeichnet – nach dem Grafen von Schwerin, der sich als ostfriesischer Kammerpräsident ein Jahr  zuvor das Leben genommen hatte. Die Schwerinsdorfer selber nennen sich häufig „Steerner“. Der Grund dafür ließ sich nicht mit letzter Sicherheit ergründen, vielleicht erfolgte die Benennung nach dem Gasthof „Goldener Stern“.

Die  wesentlichen Entwicklungszüge der Kolonie im 19. Jahrhundert lassen sich unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen: Armut war ein prägender Zug der Koloniegeschichte. Deshalb gab es häufige Gesuche um Erweiterung der Kolonate und  Erniedrigung der Erbpacht. In direktem Zusammenhang damit steht eine große Auswanderungswelle in die USA, hier insbesondere nach Nokomis und Mount Illinois. Typisch für die Gesamtsituation Schwerinsdorfs war auch die starke Entwicklung des  Baptismus in dieser Kolonie. Die Heseler Kirche war weit, und der Heseler Pastor hatte besonders wenig Verständnis für diese Entwicklung.

Obwohl Schwerinsdorf nie eine eigene Kirche hatte, gibt es dennoch ein hohes Maß an  Identifikation seiner Bewohner mit dem Dorf. Die Schule bildete den zentralen gemeinsamen Bezugspunkt. Sie existierte seit 1815, ein eigener Schulbau ist nachweisbar seit 1834. Eine eigene Lehrerwohnung war aber nicht vorhanden, der Lehrer  wurde außerdem schlecht bezahlt. Ein häufiger Lehrerwechsel in Schwerinsdorf war also normal.

Erst im Kaiserreich besserte sich allmählich die soziale Lage im Dorf. Auch die regelmäßig zusammentretende Gemeindevertretung wurde  selbstbewusster. Schwerinsdorf blieb zwar eine bedürftige Gemeinde, doch gab es einen spürbaren Aufschwung. Die Schulpflicht wurde stärker beachtet, Schulbildung genoss höheres Ansehen. Eine ostfriesische Moorkommission kümmerte sich um  die Belange der Kolonien, der Wegebau wurde verstärkt, die Kleinbahn passierte das benachbarte Hesel, und der Kunstdünger verbesserte die wirtschaftliche Lage – obwohl dieser teuer war und Schwerinsdorf deshalb auch hinter dieser  Entwicklung hinterherhinkte. Statt des Steinerodens im Barther Forst, mit dem man sich während des 19. Jahrhunderts im Winter zusätzliches Geld verdiente, ergaben sich im 20. Jahrhundert zunehmend Möglichkeiten zur Fabrikarbeit. 1910 wurde  die erste Telefonanlage eingerichtet. Der Bau einer Kleinbahn von Hesel an Schwerinsdorf vorbei nach Remels wurde gleichfalls 1910 zum ersten Mal projektiert, 1920 noch einmal aufgegriffen aber nicht realisiert. Seit der NS-Zeit ersetzte  dann die zunehmende Motorisierung die fehlende Schienenverbindung.

Die Stimmung in der Kolonie während der Jahre des Ersten Weltkriegs spiegelt sich in der Firreler Pfarrchronik. Während im Ort Prophezeiungen umliefen, musste die  Dorfgemeinschaft zugleich den Verlust relativ vieler Soldaten verkraften.

Die Weimarer Zeit war geprägt von vollkommener Orientierungslosigkeit. Bei den Reichstagswahlen wurde zunächst liberal, dann welfisch, dann ab 1924 völkisch  gewählt, ab 1930 nur noch die NSDAP.

In diesen Jahren entwickelte sich auch ein Konflikt zwischen Schulrat Gerdes und dem Schwerinsdorfer Lehrer van Dieken, der seit 1930 im Bund völkischer Lehrer war.  Dieser Konflikt setzte  sich auch innerhalb des Dorfes fort. Nachdem sich der Firreler Pastor Heinemeier von den „Deutschen Christen“ abgewendet hatte, entwickelte sich in Schwerinsdorf ein „Kirchenkampf“, bei dem der Schulvorstand mit dem dahinter stehenden  Lehrer als Gegner des Pastors keine unbedingte Unterstützung in der dörflichen Gemeinschaft fand. Auch wollten die Schwerinsdorfer Landwirte nicht gern in die Erbhofrollen, weil sie dadurch Einschränkungen befürchteten.

In  Schwerinsdorf zeichnet sich durch ein großes Gemeinschaftsgefühl, eine starke Solidarität aus. Das Vereinswesen entwickelte sich erst relativ spät. 1911 wurde der Kriegerverein gegründet. Sie wurde nach 1933 in der SA-Reserve  gleichgeschaltet und 1950 als Kyffhäuserkameradschaft wiedergegründet.

Nach 1945 setzte eine umfassende Modernisierung in Schwerinsdorf ein. Es gab eine stärkere Einbindung in den Landkreis. Die Politik und die Schule gingen aus dem  Dorf weg. Neu gegründete Vereine, die Feuerwehr, der Sportverein, der Steerner Kring füllten die Lücken. Die Errichtung des Glockenturms und des Dorfgemeinschaftshauses in der alten Schule, die eigentlich abgerissen werden sollte, wurden  wichtige Projekte für die Entwicklung der neuen Identität des Dorfes. In dem überschaubaren Rahmen entwickelte sich eine echte Ortsgemeinschaft.