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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Gut Stikelkamp
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Letzte Aktualisierung
am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

 

Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Chronisten vom 6. Dezember 2002 auf Gut Stikelkamp

Anwesend: 21 Mitglieder der Arbeitsgruppe

Protokoll: Dr. P. Wessels

TOP 1: Verschiedenes. Es wurde auf den  neu erschienenen Band 81 des Emder Jahrbuchs hingewiesen. Die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe soll, wenn der Raum frei ist, am 24. Januar 2003 in Loga stattfinden. Dr. Paul Weßels möchte der Arbeitsgruppe seine neu erschienene Biographie  über Heinrich Oltmann vorstellen.

TOP 2: Gut Stikelkamp. 1971 hat der Landkreis Leer das Gut Stikelkamp – maßgeblich auf Initiative des damaligen Oberkreisdirektors Peter Elster – erworben und pflegt das Gut seitdem – bis Ende 2002  in Verantwortung des Oberamtsrates Spanjer. Der Gut wird jährlich von mehreren tausend Menschen besucht, diente als Tagungsstätte und neuerdings für eine Jagdausstellung. Das nach dem Kauf des Gebäudes gleichfalls übernommene  geschichtsträchtige Restinventar mit einer ansehnlichen Gemäldesammlung ist restauriert worden und befindet sich wie das Gebäude in hervorragendem Zustand.

Ende der achtziger Jahre wurde bereits ein Manuskript von Detlef Neumann zur  Geschichte des Gutes erstellt, das aber mehr als Broschüre dienen sollte und nie veröffentlicht wurde. Danach wurde der Plan eines Fotobandes verfolgt, aber gleichfalls wieder aufgegeben. Der jetzige Band basiert auf Ausarbeitungen auf der  Grundlage der Archivalien des Staatsarchivs Aurich, den Arbeiten für das Biographische Lexikon Ostfrieslands und auf der Chronik von Hesel.

Gut Stikelkamp ist vermutlich eine in die Zeit des späten Mittelalters fallende Gründung des  Johanniterordens, hatte für diesen aber nur eine relativ geringe Bedeutung. Dafür spricht die geringe Größe des Gutes, die Tatsache, dass sich mit dem Gut nur die Rechte eines halben Platzes in der Heseler Gemeinheit verbanden, der Mangel  an Heuweiden und die 1522 – also noch vor der Säkularisierung der Klöster in Ostfriesland – erfolgte Vererbpachtung an den Kanzler Ubben zu einem niedrigen Pachtpreis. Auch als Erbpachtgut der beiden vornehmlich auf Emden konzentrierten  Familien Ubben und von Diepholt hatte Stikelkamp offensichtlich kein besonderes Gewicht, da es sich nicht um ein adeliges Gut handelte. Deshalb war es ständig verpachtet und deshalb wurde es auch im 17. Jahrhundert mehrmals als Tauschgut  verwendet.

Da das Gut ein Teil der Gemeinde Hesel ist und abseits in einem wichtigen Teil der Gemeindeweide in der Nähe der Heuwiesen und der Weideflächen liegt, waren ständige Konflikte mit der Bauernschaft der Gemeinde Hesel um  Besitz- und Weiderechte unausweichlich. Die Weideteilung im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts führt durch geschicktes Verhandeln des Oberförsters Bojung Scato Lantzius-Beninga aber zu einer enormen Ausweitung und Arrondierung des  Gurtsbezirks. Die bleibende Bedeutung Gut Stikelkamps für Ostfriesland ist eng verbunden mit der Ausweitung des Stikelkamper Forstes und der Entwicklung der ostfriesischen Wälder im 19. Jahrhundert überhaupt. Die beiden Oberförster Bojung  Scato und Eberhard Lantzius-Beninga haben Stikelkamp zum Ausgangspunkt der systematischen Forstkultur in Ostfriesland gemacht und Scato Lantzius-Beninga hat zudem einen wesentlichen Anstoß zur Erforschung der Botanik Ostfrieslands gegeben.

Die besondere Bedeutung Stikelkamps auch für seine Eigentümer leitet sich aber im Grunde erst daraus ab, dass das Gut zum Ausgangspunkt von Fehn- und Moorkoloniegründungen wurde. Stikelkamp wird zum Ausgangspunk der Ausübung von  Macht über die Untererbpächter in der unmittelbaren Nachbarschaft des Gutes. Das Haus erhält – ohne je in den Rang eines adeligen Gutes zu gelangen – insbesondere unter Familie Lantzius-Beninga eine herrschaftliche und sogar adelige  Attitüde und wird mehr und mehr zum Lebensmittelpunkt der Familien, in deren Besitz es sich befindet. Man versuchte, einen adeligen Lebensstil zu führen, es gab Hauslehrer, zwei eigene Kirchenstühle in Hesel und Bagband, zeitweise eine  eigene Grablege in Hesel, danach dann eine auf Gut Stikelkamp selbst. Innerhalb der Familie Lantzius-Beninga wurde darauf geachtet, dass man sich nicht „unter Stand“ verheiratete, nicht ‚verbauerte’. Das besondere Augenmerk auf solche  Aspekte adeliger Lebensweise und der offensichtlich zu Schau getragene besondere Stolz auf die familiären Traditionen erklären sich wohl gerade aus der Ablehnung, die man in seinen Ansprüchen erfuhr. Denn die Lantzius-Beningas scheiterten  mit dem Versuch, in der Nachfolge der Familie Beninga adelige Rechte für sich zu beanspruchen. Weder fanden sie die Anerkennung des ostfriesischen Adels, noch gelang es, sich in der Kommune Hesel als Adelsfamilie mit Sonderrechten zu  etablieren. Und schließlich zeigte sich auch, dass die Einnahmen des Hauses nie ausreichten, um den Lebensstil der Familie Lantzius-Beninga zu finanzieren. Die Rolle als Obererbpächter eines Fehns war nicht besonders einträglich. Aus der  Landwirtschaft des Gutes und aus den Einkünften der Fehne allein ließ sich der Lebensstil nicht finanzieren, den sich die Familie Lantzius-Beninga leistete. Darin und im unangemessenen Standesdünkel liegen die wesentlichen Ursachen für den  Niedergang des Gutes im 20. Jahrhundert. Bojung Scato und Eberhard Lantzius-Beninga bekleiden aber als Oberförster jeweils gut dotierte Stellungen in königlichen Diensten. Die beiden nachfolgenden Generationen mit den Gutsbesitzern  Hauptmann Bojung Scato Lantzius-Beninga bzw. dessen Sohn Eberhard müssen ihren Lebensunterhalt dagegen in erster Linie aus den Einkünften des Gutes bestreiten. Mit der wirtschaftlichen Entwertung der Fehne schwindet aber auch die  eigentliche Bedeutung des Gutes. Die Ablösung der Erbpachten der Untererbpächter löst das mehr als 200 Jahre andauernde, fest mit dem Gut verbundene Herrschaftsverhältnis auf. Außerdem bleiben dadurch auch die regelmäßigen jährlichen  Einkünfte aus den Fehndörfern aus. Versuche Bojung Scato Lantzius-Beningas, das Gut zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaftsweise zu retten, können den zwangsläufigen Niedergang nicht aufhalten.  Eine wenig fortschrittliche Bewirtschaftung des Gutes vor und nach dem Zweiten Weltkrieg und schwerwiegende innerfamiliäre Auseinandersetzungen beschleunigen den Niedergang. Die Auflösungserscheinungen der Familie Lantzius-Beninga werden  auch nach außen offenbar, als der erst drei Jahre zuvor auf das Gut gekommene Pächter Hullmann die ideelle Hälfte Stikelkamps von Eberhard Lantzius-Beningas erbt und damit zum Miteigentümer des Gutes wird. Dies war als ein offener Affront  gegen den Rest der Familie anzusehen.

Nach der Realteilung 1966 zwischen Ria Lantzius-Beninga, der Witwe Folkmar Lantzius-Beningas, und der Familie Hullmann und der erfolgreichen Aussiedlung des landwirtschaftlichen Betriebs zum  ehemaligen Kleinbahnbahnhof sah sich das alte Gutsgebäude seiner wirtschaftlichen Funktionen beraubt. Als reines Wohnhaus war es von einer Privatperson kaum noch zu unterhalten. Der Verfall wurde allenthalben deutlich sichtbar. Die  Übernahme durch den Landkreis Leer kam also einem Rettungsakt gleich.

Der Inhalt des Buches gliedert sich in zwei Teile, die Beschreibung der Entwicklung des Gutes und biographische Skitzzen zu den Besitzerfamilien. Den Mittelteil  des Buches bildet die farbige Wiedergabe der teilweise seit Jahrhunderten auf dem Gut hängenden Gemälde aus den Familien Beninga, Fewen und Lantzius-Beninga. Hinzu kommen viele historische und aktuelle Abbildungen des Gutes.

Auftraggeber für das Buch war der Landkreis Leer, mit dem der Autor einen Honorarvertrag abgeschlossen hat. Erschienen ist es im Verlag der ostfriesischen Landschaft, weil dies der ausdrückliche Wunsch des Landkreises war, der Wert auf das  Renomee des Verlages gelegt hat. Gedruckt wurde das Buch bei der Firma Risius in Weener. Die Zusammenarbeit mit der Druckerei ist gut verlaufen. Das Buch kostet 9 Euro und ist über den Verlag, die Buchhandlungen oder direkt auf Gut  Stikelkamp zu beziehen.