Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Chronisten vom 6. Dezember 2002 auf Gut Stikelkamp
Anwesend: 21 Mitglieder der Arbeitsgruppe
Protokoll: Dr. P. Wessels
TOP 1:
Verschiedenes. Es wurde auf den neu erschienenen Band 81 des Emder Jahrbuchs hingewiesen. Die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe soll, wenn der Raum frei ist, am 24. Januar 2003 in Loga stattfinden. Dr. Paul
Weßels möchte der Arbeitsgruppe seine neu erschienene Biographie über Heinrich Oltmann vorstellen.
TOP 2: Gut Stikelkamp. 1971 hat der Landkreis Leer das Gut Stikelkamp – maßgeblich auf Initiative
des damaligen Oberkreisdirektors Peter Elster – erworben und pflegt das Gut seitdem – bis Ende 2002 in Verantwortung des Oberamtsrates Spanjer. Der Gut wird jährlich von mehreren tausend Menschen
besucht, diente als Tagungsstätte und neuerdings für eine Jagdausstellung. Das nach dem Kauf des Gebäudes gleichfalls übernommene geschichtsträchtige Restinventar mit einer ansehnlichen Gemäldesammlung ist
restauriert worden und befindet sich wie das Gebäude in hervorragendem Zustand.
Ende der achtziger Jahre wurde bereits ein Manuskript von Detlef Neumann zur Geschichte des Gutes erstellt, das aber mehr
als Broschüre dienen sollte und nie veröffentlicht wurde. Danach wurde der Plan eines Fotobandes verfolgt, aber gleichfalls wieder aufgegeben. Der jetzige Band basiert auf Ausarbeitungen auf der Grundlage der
Archivalien des Staatsarchivs Aurich, den Arbeiten für das Biographische Lexikon Ostfrieslands und auf der Chronik von Hesel.
Gut Stikelkamp ist vermutlich eine in die Zeit des späten Mittelalters fallende
Gründung des Johanniterordens, hatte für diesen aber nur eine relativ geringe Bedeutung. Dafür spricht die geringe Größe des Gutes, die Tatsache, dass sich mit dem Gut nur die Rechte eines halben Platzes in
der Heseler Gemeinheit verbanden, der Mangel an Heuweiden und die 1522 – also noch vor der Säkularisierung der Klöster in Ostfriesland – erfolgte Vererbpachtung an den Kanzler Ubben zu einem
niedrigen Pachtpreis. Auch als Erbpachtgut der beiden vornehmlich auf Emden konzentrierten Familien Ubben und von Diepholt hatte Stikelkamp offensichtlich kein besonderes Gewicht, da es sich nicht um ein
adeliges Gut handelte. Deshalb war es ständig verpachtet und deshalb wurde es auch im 17. Jahrhundert mehrmals als Tauschgut verwendet.
Da das Gut ein Teil der Gemeinde Hesel ist und abseits in einem
wichtigen Teil der Gemeindeweide in der Nähe der Heuwiesen und der Weideflächen liegt, waren ständige Konflikte mit der Bauernschaft der Gemeinde Hesel um Besitz- und Weiderechte unausweichlich. Die
Weideteilung im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts führt durch geschicktes Verhandeln des Oberförsters Bojung Scato Lantzius-Beninga aber zu einer enormen Ausweitung und Arrondierung des Gurtsbezirks. Die
bleibende Bedeutung Gut Stikelkamps für Ostfriesland ist eng verbunden mit der Ausweitung des Stikelkamper Forstes und der Entwicklung der ostfriesischen Wälder im 19. Jahrhundert überhaupt. Die beiden Oberförster
Bojung Scato und Eberhard Lantzius-Beninga haben Stikelkamp zum Ausgangspunkt der systematischen Forstkultur in Ostfriesland gemacht und Scato Lantzius-Beninga hat zudem einen wesentlichen Anstoß zur
Erforschung der Botanik Ostfrieslands gegeben.
Die besondere Bedeutung Stikelkamps auch für seine Eigentümer leitet sich aber im Grunde erst daraus ab, dass das Gut zum Ausgangspunkt von Fehn- und
Moorkoloniegründungen wurde. Stikelkamp wird zum Ausgangspunk der Ausübung von Macht über die Untererbpächter in der unmittelbaren Nachbarschaft des Gutes. Das Haus erhält – ohne je in den Rang eines
adeligen Gutes zu gelangen – insbesondere unter Familie Lantzius-Beninga eine herrschaftliche und sogar adelige Attitüde und wird mehr und mehr zum Lebensmittelpunkt der Familien, in deren Besitz es sich
befindet. Man versuchte, einen adeligen Lebensstil zu führen, es gab Hauslehrer, zwei eigene Kirchenstühle in Hesel und Bagband, zeitweise eine eigene Grablege in Hesel, danach dann eine auf Gut Stikelkamp
selbst. Innerhalb der Familie Lantzius-Beninga wurde darauf geachtet, dass man sich nicht „unter Stand“ verheiratete, nicht ‚verbauerte’. Das besondere Augenmerk auf solche Aspekte adeliger
Lebensweise und der offensichtlich zu Schau getragene besondere Stolz auf die familiären Traditionen erklären sich wohl gerade aus der Ablehnung, die man in seinen Ansprüchen erfuhr. Denn die Lantzius-Beningas
scheiterten mit dem Versuch, in der Nachfolge der Familie Beninga adelige Rechte für sich zu beanspruchen. Weder fanden sie die Anerkennung des ostfriesischen Adels, noch gelang es, sich in der Kommune Hesel
als Adelsfamilie mit Sonderrechten zu etablieren. Und schließlich zeigte sich auch, dass die Einnahmen des Hauses nie ausreichten, um den Lebensstil der Familie Lantzius-Beninga zu finanzieren. Die Rolle als
Obererbpächter eines Fehns war nicht besonders einträglich. Aus der Landwirtschaft des Gutes und aus den Einkünften der Fehne allein ließ sich der Lebensstil nicht finanzieren, den sich die Familie
Lantzius-Beninga leistete. Darin und im unangemessenen Standesdünkel liegen die wesentlichen Ursachen für den Niedergang des Gutes im 20. Jahrhundert. Bojung Scato und Eberhard Lantzius-Beninga bekleiden aber
als Oberförster jeweils gut dotierte Stellungen in königlichen Diensten. Die beiden nachfolgenden Generationen mit den Gutsbesitzern Hauptmann Bojung Scato Lantzius-Beninga bzw. dessen Sohn Eberhard müssen
ihren Lebensunterhalt dagegen in erster Linie aus den Einkünften des Gutes bestreiten. Mit der wirtschaftlichen Entwertung der Fehne schwindet aber auch die eigentliche Bedeutung des Gutes. Die Ablösung der
Erbpachten der Untererbpächter löst das mehr als 200 Jahre andauernde, fest mit dem Gut verbundene Herrschaftsverhältnis auf. Außerdem bleiben dadurch auch die regelmäßigen jährlichen Einkünfte aus den
Fehndörfern aus. Versuche Bojung Scato Lantzius-Beningas, das Gut zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaftsweise zu retten, können den zwangsläufigen Niedergang nicht
aufhalten. Eine wenig fortschrittliche Bewirtschaftung des Gutes vor und nach dem Zweiten Weltkrieg und schwerwiegende innerfamiliäre Auseinandersetzungen beschleunigen den Niedergang. Die
Auflösungserscheinungen der Familie Lantzius-Beninga werden auch nach außen offenbar, als der erst drei Jahre zuvor auf das Gut gekommene Pächter Hullmann die ideelle Hälfte Stikelkamps von Eberhard
Lantzius-Beningas erbt und damit zum Miteigentümer des Gutes wird. Dies war als ein offener Affront gegen den Rest der Familie anzusehen.
Nach der Realteilung 1966 zwischen Ria Lantzius-Beninga, der
Witwe Folkmar Lantzius-Beningas, und der Familie Hullmann und der erfolgreichen Aussiedlung des landwirtschaftlichen Betriebs zum ehemaligen Kleinbahnbahnhof sah sich das alte Gutsgebäude seiner
wirtschaftlichen Funktionen beraubt. Als reines Wohnhaus war es von einer Privatperson kaum noch zu unterhalten. Der Verfall wurde allenthalben deutlich sichtbar. Die Übernahme durch den Landkreis Leer kam
also einem Rettungsakt gleich.
Der Inhalt des Buches gliedert sich in zwei Teile, die Beschreibung der Entwicklung des Gutes und biographische Skitzzen zu den Besitzerfamilien. Den Mittelteil des Buches
bildet die farbige Wiedergabe der teilweise seit Jahrhunderten auf dem Gut hängenden Gemälde aus den Familien Beninga, Fewen und Lantzius-Beninga. Hinzu kommen viele historische und aktuelle Abbildungen des
Gutes.
Auftraggeber für das Buch war der Landkreis Leer, mit dem der Autor einen Honorarvertrag abgeschlossen hat. Erschienen ist es im Verlag der ostfriesischen Landschaft, weil dies der ausdrückliche Wunsch
des Landkreises war, der Wert auf das Renomee des Verlages gelegt hat. Gedruckt wurde das Buch bei der Firma Risius in Weener. Die Zusammenarbeit mit der Druckerei ist gut verlaufen. Das Buch kostet 9 Euro und
ist über den Verlag, die Buchhandlungen oder direkt auf Gut Stikelkamp zu beziehen.
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