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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Kriegsende in Otfriesland
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Letzte Aktualisierung
am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

Protokoll des Treffens am 13.05.05 im alten Lesesaal der Landschaftsbibliothek Aurich

Rudolf Nassua, Das Kriegsende in Ostfriesland

Anwesend: 22 Mitglieder der Arbeitsgruppe

Referent: Rudolf Nassua

Protokoll: Dr. P. Weßels

 

TOP 1: Verschiedenes

Vor dem Beginn des Vortrags wurde auf das neuerdings online verfügbare digitale Urkundenbuch der niederländischen Provinzen Drenthe und Groningen hingewiesen, das  gemeinsam vom Drents Archief, Drents Plateau und den Groninger Archiven präsentiert wird. Hier sind unter der Adresse  alle Urkunden der Provinzen Drenthe und Groningen bis 1600 angeführt. Besucher der Seite können neben der Schlagwortsuche auch nach Vor-, Nach- und Platznamen suchen.

 

TOP 2: Das Kriegsende in Ostfriesland

Rudolf Nassua verweist zu Beginn seines Vortrags auf Carl von Clausewitz, der die Standhaftigkeit in einem Krieg beurteilt: „Wie hoch auch der Wert des Mutes und der Standhaftigkeit im Kriege angeschlagen werden muss und wie wenig Aussicht  der auf den Sieg hat, der sich nicht entschließen kann, ihn mit der ganzen Kraftanstrengung zu suchen, so gibt es doch einen Punkt, über den hinaus das Verharren nur eine verzweiflungsvolle Torheit genannt werden kann.“ Damit verweist Herr  Nassua auf die Unverantwortlichkeit der deutschen Militärführung im Zweiten Weltkrieg seit 1943, die auf Kosten der Armee und der deutschen Bevölkerung einen Krieg als „Endkampf“ mit beispielloser Härte geführt habe, der schon lange  verloren gewesen sei. Allein in den letzten 10 Monaten sei die Hälfte der insgesamt 5,5 Millionen deutschen Soldaten gefallen.

In Ostfriesland habe es in den letzten Kriegsmonaten ein Gefühl der Verunsicherung und der persönlichen  Bedrohung gegeben – es fehlten Nachrichten über das Schicksal der Angehörigen im Krieg und die Alliierten hatten die Luftherrschaft –, unterstützt durch militärische Standgerichte und die Bedrohung mit der Todesstrafe für das Zeigen der  weißen Fahne. Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Nordwestdeutschland begann am 23. März 1945 mit der Überquerung Rheins bei Oppenheim durch die Amerikaner und zwischen Rees und Wesel durch die 21. britische Heeresgruppe. Die 1. Kanadische  Armee übernahm die Aufgabe der Einkesselung der 6. Fallschirmjägerdivision in den Niederlanden und der Eroberung der angrenzenden deutschen Nordseeküste. Die 2. britische Armee marschierte in Richtung Bremen und Hamburg.

Der  Vormarsch wurde aufgehalten durch logistische Probleme. Es fehlte ein Hafen und Geestemünde und Bremerhaven waren deshalb als leistungsfähige Häfen Ziel des Vormarschs. Die 4. kanadische Panzerdivision des II. Korps marschierte am 05.  April über die deutsch-niederländische Grenze. Die 3. kanadische Division versammelte sich für die Überquerung der Ems bei Winschoten. Weener fiel am 22. April 1945, das Rheiderland war am 27. April 1945 in kanadischer Hand.

Am 22.  April 1945 begann die 1. polnische Panzerdivision als Teil des II. kanadischen Korps einen Vorstoß zur Überquerung der Leda bei Potshausen zur Entlastung der im Brückenkopf über den Küstenkanal bei Edewecht unter Druck befindlichen 4.  Panzerdivision. Von Süden bewegten sich die Kandier mit den North Novia Scotia Highlanders langsam kämpfend entlang der Reichsstraße 70 über Collinghorst; Flachsmeer, Folmhusen und Potshausen in Richtung Norden. Der erste Luftangriff auf  Leer fand am 19. April 1945 statt. Der Widerstand von 140 jungen deutschen Matrosen im Brückenkopf bei Esklum wurde von den Kanadiern am 26. April 1945 überwunden. Am 28. April um 15.00 Uhr begann der Angriff der 3. kanadischen Division  auf Leer, wo man auf unerwartet heftigen Widerstand bei der Besetzung der Stadt am 30. April traf. Weitere Aufgaben der kanadischen Truppen waren die Eroberung Aurichs und Emdens. Die 10. polnische Brigade, die die Leda nach heftigen  Kämpfen bei Potshausen überquert hatte, marschierte mit dem Ziel Varel und der Eroberung Wilhelmshavens.

Das südliche Ostfriesland wurde vom II. Fallschirmjägerkorps mit der 7. und 8. Division sowie der Kampfgruppe Gericke, die auch  als 21. Fallschirmjägerdivision bezeichnet wurde, verteidigt. Die deutschen Truppen bestanden aus den letzten Reserven, wie Volkssturm, an Land kämpfenden Einheiten der Marine, Ersatztruppenteilen und Ausbildungseinheiten.

Um im  „Endkampf“ Gehorsam und Durchhaltewillen zu erzwingen, wurden Propaganda, äußerste Härte und Abschreckung angewendet. Im Februar 1945 wurden vier Standgerichte auch für die Zivilbevölkerung, im März 1945 ein „Fliegendes Standgericht“  eingeführt. Der „Nero-Befehl“ ordnete umfangreiche Zerstörungen an, um nur „verbrannte Erde“ zu hinterlassen. Glücklicherweise unterblieb aber die vorgesehene Sprengung von 70 ostfriesischen Sielen.

Die rechte Flanke der 3.  kanadischen Division stieß auf dem Weg zur Küste am 03. und 04. Mai 1945 Richtung Marcardsmoor vor. Die 8. Brigade stellte sich im Raum Großefehn und Aurich-Oldendorf für den Angriff auf Aurich bereit. Die 7. Brigade sollte über Aurich  hinweg nach Emden vorstoßen. Die 9. Brigade marschierte von Großefehn aus in Richtung Emden.

In Aurich wurden am 3. und 4. Mai 1945 Verhandlungen zur kampflosen Übergabe an die Kanadier zu übergeben. Nach einer einseitigen  Waffenruhe und dem Waffenstillstand für Nordwestdeutschland, Niederlande, Dänemark und Norwegen, unterzeichnet  am 4. Mai 1945 in Lüneburg und am 05. Mai 1945 um 8.00 Uhr in Kraft getreten, wurde Aurich am 5. Mai 1945 formlos übernommen. Zwischen dem 5. und 7. Mai 1945 wurden alle noch unbesetzten ostfriesischen Städte von den Kanadiern besetzt, in Wittmund unter Beteiligung der 1. polnischen Division. Nördlich des Ems-Jade-Kanals wurde nach wenigen Tagen ein Internierungsgebiet für die deutschen Truppen eingerichtet.

[Wegen der komplexen Vorgänge zum Kriegsende in Ostfriesland hat Rudolf Nassua seinen Vortrag als Volltextversion für die Internetpräsentation der Ortschronisten zur Verfügung gestellt.]



Rudolf Nassua: Literaturverzeichnis zum Kriegsende in Ostfriesland

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