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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Baptismus in Ostfriesland
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am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

Protokoll des Treffens der Arbeitsgruppe der Chronisten vom 13.01.2006 in Aurich.

Alter Lesesaal der Landschaftsbibliothek

Hero Jelten: Die Entwicklung des Baptismus in Ostfriesland

20 Teilnehmer

Referent: Hero Jelten

Prot.: Dr. P. Weßels

 

TOP 1: Verschiedenes: Die nächste Sitzung wird am Freitag den 17.02.2006 an gleicher Stelle stattfinden. Dr. GerhardCanzler wird sein neues Buch über die Norder Schulen vorstellen.

Der Sprecher bittet die Bearbeiter von Ortsartikeln für die HOO, Verständnis dafür aufzubringen, dass die eingelieferten Artikel von der Redaktion so weit bearbeitet werden müssen, dass sie dem allgemeinen Standart angepasst sind.

Es wird noch einmal auf die deutsch-niederländische Vortragsreihe Region im Dialog hingewiesen, die von der Seniorenacademie Groningen, der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, der Ostfriesischen Landschaft und dem  Staatsarchiv in Aurich gemeinsam im Klottje-Huus in Leer veranstaltet wird. Die Vorträge sind:

- 14.02.2006: Dr. Rolf Bärenfänger: Archäologisches von den mittelalterlichen Klosterstätten Ostfrieslands

- 28.02.2006: Prof. Dr. Johannes A. Mol: Die Ritterorden im mittelalterlichen Friesland

- 14.03.2006: Dr. Bernhard Parisius: Flüchtlinge und Vertriebene im westlichen Niedersachsen

- 28.03.2006: Dr. Heike Düselder: Von Rittern und Häuptlingstöchtern.

Schriftliche Anmeldungen: drs. Anja van Berkum, Senioren Academie, Postbus 72, NL-9700 AB Groningen (a.c.j.van berkum@rug.nl).

 

TOP 2: Hero Jelten: Die Entwicklung des Baptismus in Ostfriesland

Hero Jelten kam als Mitglied der Baptistengemeinde Firrel zu der Beschäftigung mit der Geschichte des Baptismus in Ostfriesland. 1865 ist eine Baptistengemeinde in Firrel nachweisbar. Aber es herrschte Unklarheit in der Gemeinde,  ob das auch das Jahr der Gemeindegründung sei. Deshalb wurde erst 1967 das 100jährige Bestehen der Gemeinde gefeiert und Hero Jelten wurde als Sohn des damaligen Gemeindeleiters damit beauftragt, die Geschichte der Gemeinde zu erforschen.  Er besuchte daraufhin in den 1980er Jahren insbesondere das Staatsarchiv in Aurich und das Archiv der reformierten Landeskirche in Leer.

Baptisten organisieren sich in freikirchlichen Gemeinden  Tradition, deren besonderes Merkmal die Erwachsenentaufe auf der Grundlage der Bibel ist. Vor der Taufe muss der Täufling seinen positiven Glauben vor der Gemeinde bekennen. Baptisten zahlen keine Ki4rchensteuern und finanzieren die Gemeindearbeit selbst durch ihre Beiträge. Prediger benötigen keine theologische Ausbildung, wohl aber Pastoren als Amtsträger. Der offizielle Name der deutschen Baptisten lautet seit  (BEFG). Dieser Gemeindebund bildet mit rund 85.000 getauften Mitgliedern (ohne Kinder und Freunde) in 862 Gemeinden die größte Freikirche in Deutschland.

Heute bildet Ostfriesland den Schwerpunkt des Baptismus in Deutschland, nachdem die ostpreußischen Baptisten mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fliehen mussten oder vertrieben wurden. Baptisten machen in Ostfriesland 0,34% der  Bevölkerung aus. Der Anteil ist im Landkreis Leer mit 0,83% am höchsten. Es gibt heute 14 Gemeinden ins Ostfriesland (Esens, Firrel, Remels, Ihren, Weener, Wymeer, Ditzumer Verlaat, Emden, Jennelt, Norden, Norderney, Aurich,  Moormerland/Veenhusen, Moorhusen).

1846 wurde die älteste ostfriesische Baptistengemeinde Ostfrieslands in Ihren gegründet. Die frühe Ausbreitung der Glaubensbewegung bis 1867 ist danach sehr gut in den Archivalien dokumentiert, weil Staat und Kirche zunächst bei  der Bekämpfung der als Sekte der Wiedertäufer bezeichneten neuen Religionsgemeinschaft Hand in Hand gingen.

Die Anfänge der Baptistischen Freikirche liegen in Deutschland in der ersten Gemeindegründung in Hamburg 1834. Der Kaufmann Johann Gerhard Onken aus Varel hatte sich in England zunächst einer evangelisch-methodistischen Gemeinde  angeschlossen und lebte als Agent der Edinburgher Bibelgesellschaft in Hamburg, wo er später eine eigene Buchhandlung eröffnete. Ersten Kontakt zu Ostfriesland hatte Onken 1827, als er als Reisebegleitung drei Engländerinnen auf ihrem  Rückweg von Hamburg über Ostfriesland nach Rotterdam auch nach Leer kam. Hier verteilte er Traktate und traf er zum ersten Mal auf den Leeraner Kaufmann Christian Bonk. 1830 machte Onken in Berlin die Bekanntschaft des Kupferstechers  Gottfried Wilhelm Lehmann, dessen Onkel Sattlermeister in Leer war.

Onken hatte Probleme mit der Kindstaufe seines Sohnes. 1834 ließ er sich von dem amerikanischen Professor Barnas Sears taufen. Mit seiner Frau und fünf weiteren Getauften gründete er die Hamburger Gemeinde. 1837 wurde die zweite  Baptistengemeinde Deutschlands in Berlin unter der Leitung von Gottfried Wilhelm Lehmann gegründet, im gleichen Jahr erfolgte auch die Gründung eine Gemeinde in Oldenburg und 1840 die Gründung einer Gemeinde in Jever.

Obwohl Onken im Königreich Hannover seit 1841 steckbrieflich als Wiedertäuferapostel verfolgt wurde, taufte er Christian Bonk 1845 gemeinsam mit dem Weber Hinrich Coords als die ersten Baptisten Ostfrieslands in einem Kolk in  Heisfelde.

1846 erfolgte dann die erste ostfriesische Gemeindegründung in Ihrhove. Gemeindevorsteher war Christian Bonk  aus Leer. Weil die Gemeindemitglieder sich weigerten, ihre Kinder von der Amtskirche taufen zu lassen, wurden ihnen Zwangstaufen angedroht. Es kam aber - im Gegensatz zu Vorgängen im Oldenburgischen - nicht zu Zwangsmaßnahmen, weil eine Verfügung des preußischen Königs Zwangstaufen untersagte.

Die ostfriesischen Baptisten standen in enger Verbindung zu den anderen Gemeinden in Deutschland. Johann Ludwig Hinrichs, ein wegen seines Bekenntnisses entlassener Lehrer aus Sillenstede, hatte 1840 das „Glaubensbekenntniß der  Evangelischen Taufgesinnten (Baptisten) Gemeinden in Amerika, Großbritanien, Hamburg pp und Jever“ verfasst und beteiligte sich aktiv an der Gründung der Gemeinden in Berlin und Wien. Hinrichs war 1949 auch bei Bonk in Leer als  Privatlehrer eingestellt und zugleich bis 1853 Prediger in Ihren, Leer und Weener. 1846 erfolgte die erste Taufe in Weener. Onken sandte Ende 1848 den bayerischen Tischler Johann Carl Cramer als Missionar nach Weener und Ostfriesland.  Cramer wurde 1850 ausgewiesen und starb im gleichen Jahr in Hamburg an der Schwindsucht. 1850 nahm der 1828 in Ditzumerverlaat geborene Schmiedegeselle Peter Johannes de Neui nach einem sechswöchigen Lehrgang in Hamburg bei Onken seine  Tätigkeit als Prediger auf. Er war zunächst ein Jahr in Butjadingen und kam dann als Prediger von Ihren und Steenfelde nach Ostfriesland. De Neui griff die Amtskirche in seinen Predigten scharf an. Er wurde deswegen angeklagt und zu  Arbeitshaus verurteilt, aber wieder begnadigt. 1855 wurde de Neui Missionar für ganz Ostfriesland. Durch regelmäßige Berichte ist seine Tätigkeit dokumentiert. In einem Jahr hielt er 263 Versammlungen ab und taufte 23 Erwachsene. Von 1855  bis 1865 hielt de Neui in 60 Orten 1165 Predigten, davon 121 verbotene Predigten, weil 1861 den Baptisten zeitweise das Predigen außerhalb des eigenen Wohnortes untersagt wurde. Bis 1865, als de Neui nach Franeker in den Niederlanden in  die dort neu gegründete Gemeinde wechselte, hatte er in Ostfriesland 335 Personen getauft.

1858 und 1859 gab es Auseinandersetzungen mit Abgeschiedenen aus der Gemeinde Campen, die sich der dortigen Altreformierten Gemeinde zuwandten.

1855 war in Ihren eine  Kapelle errichtet worden. In Steenfelde hatte eine Erweckungsversammlung stattgefunden, bei der es auch zu Störungen durch die Dorfjugend und nachfolgenden Anzeigen und Verurteilungen der Störenfriede gekommen war. Um seine Familie dem Einfluss der Baptisten zu entziehen, zog ein Bauer aus Steenfelde nach Schwerinsdorf. 1856 erfolgte hier die erste Taufe. Weil etwa gleichzeitig die Diphtherie in Schwerinsdorf umging und man die Taufe eines Kindes mit dessen Tod in Verbindung brachte, gab es hier gleichfalls Aufruhr in der Bevölkerung gegen die Baptisten. Nach einem Gesetz über das Vereinswesen vom Dezember 1857 mussten sich die baptistischen Gemeinden als Vereine eintragen lassen. Es gab zunächst Widerstände gegen diese als Herabsetzung empfundene Regelung, aber wegen des drohenden Verlustes des Rechtsschutzes lenkte man schließlich doch ein. 1861 ließ sich die Gemeinde Ihrhove ins Register eintragen. 1865 wurden die Gemeinden Hamswehrum/Jennelt und Ditzumerverlaat gegründet. Im gleichen Jahr wurden auch Schwerinsdorf, Neudorf und Südgeorgsfehn als Filialgemeinden mit weitgehender Selbständigkeit von Ihren aus geführt. 1867 entließ man Neudorf als eigenständige Gemeinde.

1866 war mit der Einverleibung des Königreichs Hannover in das preußische Staatsgebilde auch in Ostfriesland die Religionsfreiheit eingeführt worden. Damit waren alle staatlichen Beschränkungen in Bezug auf die Ausübung der  Religionsfreiheit aufgehoben.

1859 hatte in Firrel die erste Erwachsenentaufe des Müllers auf der Sandmühle stattgefunden. Aber erst die zweite Taufe 1877 begründete in der Folge ein starkes Wachstum der Gemeinde in Firrel. 1896 wurde eine eigene Kapelle  errichtet und 1899 die eigenständige Gemeinde gegründet.

Abschließend wurde in der Diskussion festgestellt, dass die Entstehung des Baptismus in Ostfriesland auch eine sozialhistorische Dimension besitzt, weil der Baptismus vor allem dort Fuß fassen konnte, wo eine ärmere Bevölkerung,  etwa in abseits gelegenen Kolonien, sich durch die Amtskirche in ihren geistigen Bedürfnissen schlecht betreut fühlte.

 

Literatur:

Buttjes, Heinz: "Täufer, Sektierer, Vagabunden". Eine Chronik. 150 Jahre Baptisten in Jever, hrsgg. Von der Ev.-Freikirchlichen Gemeinde Jever, Jever, Selbstverlag, 1990.

Loh, Theodor Fr. van, 100 Ostfriesen, die von 1865-1874 Mitglieder der Baptistengemeinde in Baileyville, Illinois, USA wurden, in: Quellen und Forschungen (1991) S. 70-85.

Bonk, Chr., Zur Ehre der Wahrheit, in: Amtsblatt 1851, S. 1553-1555.

Duprée, Theodor, Harm Willms : ein Theologe im Bauernrock, Hamburg 1896.

Radtke, Karl, 100 Jahre Baptistenkirche Leer, Leer 2000.

Jelten, Hero, Und der Herr trat hinzu, 125 Jahre Baptistengemeinde im Raum Hesel, hrsgg. Von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Firrel/Remels, Remels 1990.

Jelten, Hero, Der frühe Baptismus in Ostfriesland bis zum Anschluß an Preußen (1867), in: Freikirchen und Calvinismus in Ostfriesland, Münster 2001, S. 51-67.

Jelten, Margarete, Unter Gottes Dachziegel. Anfänge des Baptismus in Nordwestdeutschland, Bremerhaven, Selbstverlag, 1984.

Cramp, J[...] M[...], Geschichte der Baptisten. Von der Gründung der ersten christlichen Gemeinden bis zum Schluß des achtzehnten Jahrhunderts, übersetzt von J.J. Balmer-Rinck, Hamburg 1878.

Popkes, Friedel [Bearb.], Geschichte der Baptistengemeinde Weener/Ems 1846 - 1896 - 1996; hrsgg. von der Ev.-freikirchl. Gemeinde Weener, Weener, Selbstverlag, 1996..

Baptistengemeinde Ihren  (Hrsg.), 150 Jahre Baptisten-Gemeinde Ihren, Ihren o.J.