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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

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H.-Jürgen Adams


 

 

Protokoll des Treffens der Arbeitsgruppe der Ortschronisten vom 08.12.2006 in den Räumen des Heimatvereins Neustadtgödens

Die Mennoniten in Leer und Neustadtgödens

Teilnehmer: 26

Referenten: Marc van der Valk, Michael Clemens
Prot.: Dr. P. Weßels

TOP 1: Zunächst wurde dem Heimatverein dafür gedankt, dass er eine Einladung an der Arbeitskreis ausgesprochen und ihn so großzügig in seinen Räumen bewirtet  hat. Dann wurde der AK darauf hingewiesen, dass die Publikation von Hinrich Dirken über den Ersten Weltkrieg wieder neu aufgelegt wurde ("Käme doch bald der Friede, damit man wieder weiß, was leben heißt! Weltkriegstagebücher und  Feldpost des Lehrers Dietrich Lüken aus Remels, hrssg. von Hinrich Dirksen, Hinte, Eigenverlag, 2006).

TOP 2: Marc van der Valk: Die Mennoniten in Ostfriesland und die Gemeinde in Leer
Mennoniten sind eine reformierte  christliche Konfession in der Tradition der Wiedertäufer. Der Name leitet sich vom friesischen Gründer Menno Simons ab. Weltweit gibt es etwa 1,3 Millionen Mennoniten in über 60 Ländern, in Deutschland leben etwa 40.000 Mennoniten in  ungefähr 190 Gemeinden.
Die Mennoniten nehmen den Inhalt der Bibel als Richtschnur ihres Lebens, sie orientieren sich Gewaltlosigkeit und Pazifismus, verweigern oft den Wehrdienst. Ihre Lehre beinhaltet die Erwachsenentaufe als  bewusstes und öffentliches Glaubensbekenntnis. Den mehr als zwanzig verschiedene mennonitischen Gruppen ist die täuferische Tradition, das Engagement in der Friedensarbeit und die diakonischer Tätigkeit gemein. Die einzelnen Gemeinden sind  unabhängig. Die Gemeindeleitung wird von Ältesten, Predigern oder Diakonen übernommen.
Die Mennoniten sind Mitglied der Vereinigung Evangelischer Freikirchen in Deutschland und in der Schweiz  und in der Arbeitsgemeinschaft  Christlicher Kirchen in Deutschland.

Die Wiedertäuferbewegung begann 1525 u.a. in Zürich und geriet sofort in Konflikt mit Staat und Amtskirche. Während des 16. Jahrhunderts wurden die Wiedertäufer in ganz Europa verfolgt. In  Ostfriesland bilden die Mennoniten die älteste Gruppierung unter den Freikirchen. Die erste Wiedertäufergemeinde entstand um 1530 in Emden durch das Wirken des Schwäbisch-Haller Kürschners Melchior Hofmann. Enge Kontakte bestanden zu den  revolutionären Wiedertäufern in Münster 1534/1535. Die Brüder Dirk und Obbe Philips gründeten ab 1534 Gemeinden von "gewaltfreien" Täufern, zu denen 1536 der ehemalige römisch-katholische Priester Menno Simons aus dem  westfriesischen Witmarsum stieß. Nach ihm wurde die Gläubigen dieser Gemeinden bald Mennoniten genannt.
Der älteste Hinweis auf eine Mennonitengemeinde in Leer stammt aus dem Jahr 1551, aber schon in den 1640er Jahren scheint es eine  Gemeinde gegeben zu haben. Später scheint sich die Gemeinde in zwei verschiedene Richtungen geteilt zu haben, die sich 1768 wieder vereinigten. Das älteste Dokument aus dem Gemeindearchiv ist ein Kirchenzeugnis von 1629, das älteste  Kirchenbuch (in niederländischer Sprache) beginnt 1635. Der Leinenweberei und Leinenhandel wurden im 16. Jahrhundert von mennonitischen und reformierten Familien in Leer eingeführt. Seitdem gelangten einige Mennoniten als Leinenreeder zu  großem Reichtum.
1786 erwarb die Gemeinde den zum Veenhusen gehörenden Bauernhof Kleyhusen. Bis 1825 wurde der Gottesdienst in einem angemieteten Gemeinschaftsraum von Laienpredigern („Vermanern“) abgehalten. Später hatten beide  Glaubensrichtungen je eine eigene Kirche. 1875 wurde die alte Kirche „Scholtenberg“ umgebaut, 1825 erfolgte der Neubau eines Kirchengebäudes an der Ecke Faldernstraße/Norderstraße errichtet. Zu Beginn des 20. Jahrhundert wurde das  Niederländische als Kirchensprache abgeschafft. 1970 vereinigten sich die Leeraner und die Oldenburger Gemeinde. Sie zählt 2006 etwa 100 Mitglieder und ist Mitglied der Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden. Derzeit werden fünf  Gemeinden durch einen Pastor betreut: Leer, Emden, Norden, Oldenburg und Gronau/Westf.

Michael Clemens: Die Geschichte der früheren Mennonitengemeinde in Neustadtgödens
1537 kommt der erste Wiedertäufer, Wolter Schemering, vom  Täuferreich in Münster in die Herrlichkeit Gödens und wird hier Amtsschreiber. Um 1543 findet hier auch der Kanzler des Münsteraner Täuferreichs gemeinsam mit anderen Verfolgten Asyl. Ab 1544 werden in dem auf Eindeichungen neu gegründeten  Neustadtgödens niederländische Deicharbeiter und mennonitische Glaubensflüchtling, die sich vorher in Oldersum aufhielten, angesiedelt. Später gibt es Zuzug aus dem Groningerland und aus der Gegend um Leer. 1645 hielt sich auch Uko Walles,  der geistiges Oberhaupt einer sehr konservativen Sozietät (später „Groninger Oude Flamingen“), hier auf. Die Gemeinde schließt sich dieser Richtung an. 1709 gibt es erste Hinweise auf ein eigenes Kirchengebäude, 1741 wird ein Neubau  errichtet. 1710 gibt es 32 getaufte Brüder und 36 Schwestern. 1728 wird ein Kirchenbuch angelegt.
Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts gibt es einen rapiden Mitgliederschwund – vielleicht als Folge einer übertrieben Kirchenzucht und  gesellschaftlicher Isolation. Bis 1841 gibt es einen Prediger, nach 1860 löst sich die eigenständige Mennonitengemeinde auf. 1893 galt sie als erloschen

Literatur:
Die Mennoniten in Ostfriesland, hrsgg. von der  Ostfriesischen Mennonitengemeinde der nordwestdeutschen Konferenz, Emden 2006.
Brons, A[ntje], Ursprung, Entwicklung und Schicksale der altevangelischen Taufgesinnten oder Mennoniten in kurzen Zügen übersichtlich dargestellt, Norden  1891.
Clemens, Michael, Die Mennoniten von Neustadt-Gödens und ihre Kontakte in die Niederlande, in: Harlinger Heimatkalender 2006, S. 91-103 ;