Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft
Protokoll des Treffens der Arbeitsgruppe der Ortschronisten vom 01.09.2006 in Sande und
Wilhelmshaven
16 Teilnehmer
Referent: Heino Albers, Schortens
Prot.: Dr. P. Weßels
TOP 1: Allgemeines. Es wurde hingewiesen auf die nächste Sitzung, in der der Film aus Wilhelmshaven in den Jahren 1933 bis 1945 gezeigt wird. Die darauf folgende Sitzung wird bereits am 6. Oktober
stattfinden. Hinrich Dirksen wird dann über seine Herausgabe der Kriegstagebücher von Lehrer Alfred Lüken aus Remels und über seine Initiative „Historiker 1914 – 18, Verein zur Erforschung und
Wahrung des Andenkens an die deutschen Kriegsteilnehmer des 1. Weltkrieges e.V. berichten“. Im November wird der nächste Tag der Ostfriesischen Geschichte stattfinden, und Anfang Dezember werden Marc
van der Valk und Michael Clemens voraussichtlich über die Geschichte der Mennoniten in Ostfriesland berichten.
TOP 2: Rundfahrt zu Lagerstandorten und Gedenkstätten für Zwangsarbeiter im Raum Wilhelmshaven.
Zunächst machte Heino Albers darauf aufmerksam, dass seine Führung vor allem auf den Ergebnissen der Arbeit von Hartmut Peters basiert, Lehrer in Wilhelmshaven. Der „Hauptbahnhof“ von Sande hat eine
besondere Geschichte, die vor allem mit den Reibereien zwischen dem Staat Preußen und der Herzogtum Oldenburg zusammen hing. Erst mit dem Zusammenschluss der beiden Städte Rüstringen und Wilhelmshaven 1937
fand diese Konkurrenz ein Ende. Der Bahnhof Sande war die Endstation für alle Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkriegs in Wilhelmshaven beschäftigt waren und die von hier aus
in die Lager gebracht wurden. Der Bahnhof wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, aber der architektonisch markante Bogen, der als Fußgängerüberweg über die Gleise diente, blieb erhalten.
Vom Bahnhof aus führte die Fahrt zum erhalten gebliebenen ehemaligen Lager Salzengroden, heute Sande-Neufeld II. Die Siedlung aus massiven Bauten erinnert eher an eine Offizierssiedlung als an ein früheres
Zwangsarbeiterlage. Seit 1938 für die in der Werfindustrie zur Aufrüstung dringend benötigter Arbeiter errichtet, diente der Gebäudekomplex seit Kriegsbeginn als Lager. Nach unterschiedlichen Angaben
wurden zunächst zwischen 4.000 und 10.000 ausländische Zivilarbeiter untergebracht, dann folgten ab etwa 1943, nachdem das Lager eingezäunt wurde, Zwangsarbeiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in dem
Komplex zunächst Displaced Persons, danach Flüchtlinge untergebracht. In den 1970er Jahren hat man die Wohnungen des Komplexes als Eigentumswohnungen verkauft.
Anschließend besuchten wir den Friedhof Sande, auf dem die Toten des Lagers Salzengroden begraben wurden. Es folgte ein Besuch beim Lager Sande-Neudeich, wo sich auf einer Wiese nur noch die Reste der sechs Baracken
erahnen lassen. Im Hintergrund sind noch fünf spitze kleine Bunker sichtbar. Hier waren ca. 460 Zivilarbeiter – ab 1944 Zwangsarbeiter –untergebracht, die vor allem in der Norddeutschen Eisenbau
und in der Gießerei Sande beschäftigt waren. In Sande gab es außerdem noch ein Kriegsgefangenenlager in Sandermühle. Auf dem Weg zur KZ-Gedenkstätte wurde ein kurzer Halt an der Gießerei Sande eingelegt.
Am Alten Banter Weg unterhielt das KZ Neuengamme seit September 1944 das KZ-Außenlager Banter Weg. Die Insassen waren überwiegend Franzosen und Niederländer, die zur Arbeit in der Rüstungsindustrie und zur Bombenräumung in Wilhelmshaven gezwungen wurden. Von den ca. circa 1100 Männern, die in vier Baracken untergebracht waren; starb etwa jeder Vierte. Im April 1945 wurde das Lager von der SS aufgelöst und die Häftlinge nach Neuengamme evakuiert, was noch einmal vielen Inhaftierten das Leben kostete.
Auf dem weiträumigen Friedhof Aldenburg, der 1909 von Rüstringen angelegt wurde und der als der „unbedeutendste“ in der Hierarchie der Wilhelmshavener Friedhöfe gilt, wurden die meisten der getöteten und
verstorbenen Zwangsarbeiter Wilhelmshavens begraben. Heute befindet sich hier ein Ehrenmal, das den Wilhelmshavener Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist, sowie eine Gedenkstätte für die zivilen Opfer
der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg. Auf zwei Steinplatten wird 77 Opfern der nationalsozialistischen Militärjustiz in Wilhelmshaven gedacht, von denen 54 auf dem damaligen Schießstand an der
Fortifikationsstraße (heute Freiligrathstraße) erschossen wurden.
Der Ehrenfriedhof wurde im früheren Rüstringen zusammen mit einem Park nach den Plänen des vom Jugendstil geprägten Hamburger Gartenbauarchitekten Leberecht Migge als Begräbnisstätte der Gefallenen der
Wilhelmshavener Marinegarnison der Seeschlachten des Ersten angelegt. Auch die gefallenen Marinesoldaten des Zweiten Weltkriegs wurden hier beerdigt. Auf dem Friedhof befindet sich auch eine kleinere
Grabstätte mit russischen Kriegsgefangenen.
Literatur:
Heuzeroth, Günter und Peter Szynka, Die im Dreck lebten. Ausländische ZwangsarbeiterInnen. Kriegsgefangene in Ammerland, Wesermarsch und Friesland (Unter der Gewaltherrschaft des
Nationalsozialismus 1933-1945 ; 4/3), Osnabrück, Oldenburg 1996.
N.N., Dokumentation Außenkommando Wilhelmshaven des Konzentrationslagers Neuengamme, hrsg. von der Stadtverwaltung Wilhelmshaven, Wilhelmshaven 1987
Frerichs, Holger, Der Bombenkrieg in Friesland 1939-1945. Eine Dokumentation der Schäden und Opfer im Gebiet des Landkreises Friesland, Jever 2002
N.N., Verschleppt und ausgebeutet. Vom Schicksal der NS-Zwangsarbeiter in Sande, in: Heimat am Meer, Beilage der Wilhelmshavener Zeitung, 2002, Nr. 9
HartmutBüsing (Hrsg.),Einmalwerdenfrohwirsagen:Heimat,Dubistwiedermein!LiedderMoorsoldaten.KZinWilhelmshaven-Rüstrin genu.WilhelmshavenerimKZ (Historischer Arbeitskreis des DGB Wilhelmshaven 3, Arbeiter- Gewerkschaftsbewegung in Rüstringen und Wilhelmshaven 3), Wilhelmshaven 1987
Lehrke, Gisela, GedenkstättenfürOpferdesNationalsozialismus.Historisch-politischeBildunganOrtendesWiderstandsundderVerfolgung,Frankfurt/Mainu.a. 1988
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