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Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Chronisten am 30.01.2004 in Wittmund
17 Teilnehmer
Referenten: Johannes Mennen, Karl-Heinz de Wall;
Prot.: Dr. P. Weßels
TOP 1:
Verschiedenes: Die Arbeitsgruppe wurde darauf hingewiesen, dass das britische Nationalarchiv bzw. die britischen Aerial Reconnaissance Archives an der Keele University seit kurzem auf einer eigens
eingerichteten Internetseite 5,5 Millionen Luftaufnahmen aus dem von den Deutschen besetzten Europa zwischen 1940 und 1945 bereit stellt. Die Bilder sollen so gut sein, dass sogar Details erkennbar
sind.
Unter der gleichen Adresse werden in Zukunft 2,5 Millionen Bilder, die die deutsche Luftwaffe über Osteuropa gemacht hat zur Verfügung gestellt. Innerhalb von fünf Jahren soll die Webseite Zugang
zu mehr als 40 Millionen weiteren Luftbildern aus aller Welt seit 1938 bieten, von der Suezkrise über den Korea- und den Falklandkrieg bis hin zu den Golfkriegen. Allerdings war der Andrang auf die Seite
www.evidenceincamera.co. Uk in den ersten Tagen so groß, dass der Server vorläufig zusammen gebrochen ist. Sobald aber ein funktionierendes System eingerichtet ist, soll es möglich sein, über diese Seite
gegen Gebühr historische Luftfotos zu beziehen.
Herr Cassens macht aufmerksam auf eine Veröffentlichung von Rainer Janssen, Nenndorf. Die Geschichte des Siedlungsraumes und der Gemeinde Nenndorf sowie
der Kirche in Westerholt und des Vorwerks Terheide bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Chronik der Höfe und Warftstätten bis Anfang des 20. Jahrhunderts, o.O.u.J. [Nenndorf 2003].
TOP 2:
Das Stadtarchiv Wittmund: Nachdem 1982 ein Brand die Altunterlagen des Stadtarchivs Wittmund weitgehend zerstört hatte, wurde 1986 ein neues Stadtarchiv ins Leben gerufen, das zunächst von dem ehemaligen Lehrer
Helmut Hinrichs und dann seit 1988 von Johannes Mennen betreut wurde. Herr Mennen hatte zuvor seit 1972 die Betreuung der Stadtbibliothek übernommen. Seit Herr Mennen pensioniert wurde, hat er diese Aufgabe
ehrenamtlich weitergeführt. Das Stadtarchiv ist jeden Freitag von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet.
Viele Schulklassen arbeiten im Stadtarchiv, es gibt einen gesonderten Arbeitsraum und vorbereitetes
Arbeitsmaterial für die Themen I. und II. Weltkrieg, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit. Den Schwerpunkt des Archivs bildet die Altregistratur der Stadtverwaltung Wittmund. Außerdem
wurde ein Archiv für die kleinen umliegenden Gemeinden zusammengestellt. Besonders ergiebig sind die Unterlagen für Carolinensiel, Burhafe und Ardorf, weil diese Teilgemeinden ihre alten Archivalien noch nicht
abgegeben hatten, als das Feuer 1982 das frühere Archiv zerstörte. Darüber hinaus wird auch Material von Privatpersonen gesammelt, sofern es dem Archiv angeboten wird. Besonders beachtenswert ist die Sammlung
des früheren Landschaftsrats Johann Brandes, die von dessen Erben von der Naturforschenden Gesellschaft in Emden zurückgeholt wurde. Von Johann Brandes stammt eine Fotosammlung mit Motiven von ganz
Ostfriesland. Die ältesten Aufnahmen sind noch vor dem II. Weltkrieg gemacht worden. Erwähnenswert ist auch die Sammlung von Christian Eisbein: Ein Leben für das Watt. Für Lokal- und Regionalhistoriker hält
Johannes Mennen eine ýheimatkundliche Eckeý bereit. Er hat selber bislang zwei Publikationen herausgebracht (Der Flecken Wittmund im Jahr 1900, oO.u.J. [Wittmund 2000]; Luftschiffe über Ostfriesland.
Wittmundhaven 1916-1921, , oO.u.J. [Wittmund 2000]). Eine dritte Veröffentlichung über die Hitlerjugend in Wittmund 1933 bis 1936 steht kurz bevor.
TOP II - Die Lose-Blatt-Chronik Leerhafe-Hovel: Das Treffen
wurde im Sitzungssaal der Stadt bei Tee und Keksen fortgesetzt. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Bürgermeister Herrn Krüger berichtete Karl-Heinz de Wall über seine Tätigkeit als Ortschronist. Herr de
Wall ist seit 30 Jahren im Bereich der Heimatforschung tätig und hat eine große Zahl von Beiträgen insbesondere zum Raum Wittmund veröffentlicht. Ausgangspunkt seines Interesses war ursprünglich das alte Amt
Friedeburg zwischen dem Wittmunder Tief und der Bietze hinter Marx. In der Schriftenreihe Am schwarzen Brack hat er über die Dörfer rund um die Harlebucht geschrieben und zur Zeit läuft in der Beilage der OZ
seine Serie Stätten der Erinnerung.
1976 begann die Reihe eigenständiger Veröffentlichungen mit dem Titel Friedeburgs Ortschaften. Beiträge zu ihrer Geschichte, Friedeburg 1976. Das Buch wurde von der
Gemeinde Friedeburg finanziert. Ziel war von vornherein, nicht zu abgehoben und verständlich zu schreiben. Der Erfolg des Buches habe diese Einstellung gerechtfertigt. Darauf folgte im Auftrag des Landkreises
1977 das Buch Landkreis Wittmund. Aus Anlass der 1000-Jahrfeier in Reepsholt wurde eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, deren Ergebnis dann 1982 de Walls Buch Reepsholter Chronik wurde. 1990 folgte ein zweites
Buch über die Gemeinde Friedeburg, dessen Erfolg allerdings verhaltener war, weil es gelöst von den alten Ortschaften nicht so viel Ansatzpunkte zur Identifikation bot (Gemeinde Friedeburg. Chronik der Dörfer
Abickhafe, Bentstreek, Dose, Etzel, Friedeburg, Hesel, Hoheesche, Horsten, Marx, Reepsholt, Wiesede, Wiesedermeer, Friedeburg 1990).
Zusätzlich veröffentlichte Karl-Heinz de Wall eine Reihe von
Broschüren, die in der Regel bei Mettger in Esens gedruckt wurden und vor allem Touristen als Zielgruppe hatten. Verglichen mit heutigen Standards handelt es sich um einfach gestaltete Schriften im Stil der 80er
Jahre, die aber trotzdem gut gelaufen sind. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das 1986 erschienene Heftchen Kreuz und quer durchs Harlingerland.
Karl-Heinz de Wall war lange Zeit Vorsitzender des
Heimatvereins Leerhafe. Auch dort sollte eine Chronik entstehen, aber ohne den Einsatz von größeren Geldbeträgen oder Sponsoren. Karl-Heinz de Wall kam auf die Idee, für die kleine Interessentengruppe eine
sog. Lose-Blatt-Chronik für die Orte Leerhafe-Hovel zu verfassen, die in regelmäßigen Abständen in Lieferungen von 20 Blättern herauskommt. Insgesamt sind zunächst 12 Lieferungen geplant, bisher sind 10 davon
an etwa 60 bis 80 Abnehmer herausgegangen. Jede Lieferung wird über die Presse angekündigt, kostet 2,50 ¬ und wird in einem Copyshop vervielfältigt. Auf eine Wiedergabe von Fotos und auf Farbe muss allerdings
verzichtet werden.
Grundlage der Veröffentlichung sind die Forschungen des archäologischen Dienstes der Ostfriesischen Landschaft, Studien im Staatsarchiv, in Schularchiven, dem Stadtarchiv Wittmund,
Tageszeitungen und schließlich für die jüngste Zeit Zeitzeugenberichte. Es gibt keine feste Seitenzählung, sondern die Systematik ergibt sich allein aus der Chronologie. In der Regel wird zu dem jeweiligen
Datum ein Quellentext geboten und kommentiert. Wertungen bleiben weitgehend aus. Der Vorteil dieser Veröffentlichungsmethode besteht darin, dass die Chronik nie abgeschlossen ist, sondern sich immer ergänzen
lässt und auch von anderen Autoren weitergeführt werden kann. Nachträge und Einfügungen sind immer möglich. Die Käufer der Lose-Blatt-Chronik können den Text mit Fotos und persönlichen Unterlagen ergänzen oder
selber Details weiter ausführen und Material hinzufügen.
Die Offenheit des Projekts wurde aber auch als Problem angesehen, weil der Bezieher der Chronik sich nie sicher sein könne, ob er alle Teile
besitze. Auch nach der Zitierbarkeit der Chronik wurde gefragt. Da eine Seitenzählung fehlt, schlug Herr de Wall vor, nach der Jahreszahl zu zitieren (z.B.: Karl Heinz de Wall. Lose-Blatt-Chronik
Leerhafe-Hovel, o.O.u.J., 1877, Ziegelei Rispel).
Abschließend wurde festgestellt, dass das von Herrn de Wall vorgestellte Modell der Lose-Blatt-Chronik eine gute Alternative für die Veröffentlichung
von Beiträgen zur Geschichte kleinerer Orte darstelle, wenn nicht auf die finanzielle Unterstützung von Sponsoren für die Veröffentlichung zurückgegriffen werden könne oder solle. Allerdings wurde darauf
hingewiesen, dass es für die weitere Verfügbarkeit der Arbeit wichtig sei, je ein Exemplar der Chronik an die Landschaftsbibliothek und das Staatsarchiv abzugeben, wie es in diesem Fall auch
erfolgt.
Anschließend stellte Herr de Wall die Frage, ob die neuen Medien und das Internet vielleicht die Veröffentlichungsweise von Ortschroniken in den nächsten 10 Jahren völlig verändern könnten. Es
war Konsens, dass durch das Internet auch in Zukunft nicht auf eine Veröffentlichung in Buchform verzichtet werden könne und dass es auch wenig sinnvoll erscheine, komplette Ortschroniken im Internet zu
veröffentlichen. Stattdessen wird angeregt, kurze Zusammenfassungen, Inhaltsübersichten und vielleicht Auszüge ins Internet zu stellen, um die Suchmaschinen zu nutzen und auch mit diesem Medium für einen
größeren Bekanntheitsgrad der Veröffentlichungen zu sorgen. Zu diesem Zweck könnte auch die Seite der Ortschronisten verwendet werden.
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