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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Letzte Aktualisierung
am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

 
Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Chronisten vom 19.04.2002 im alten Lesesaal der Landschaftsbibliothek in Aurich

Anwesend: 19 Personen, Protokoll Dr. P. Weßels

Referentin: Dr. Katharina Hoffmann

TOP 1: Verschiedenes

Freerk van Lessen wies darauf hin, dass der Ergänzungsband des van-Lessen-Familienbuchs herausgekommen ist: Hermann van Lessen, Die Familie van Lessen. Nachtrag 1993-2001, hrgg.v. Familienverband van Lessen,  Leer 2002, (15.- ¬, zu beziehen über Freerk van Lessen, Bingum).

Es wurde auf einen Vortrag von Dr. Weßels am 23.4.02 um 19.30 in der VHS Leer über die Deutschen Christen bei den Reformierten in Ostfriesland hingewiesen.

Die neue Chronik Schwerinsdorf von Dr. Joachim Tautz und Astrid Parisius wird am 7. Mai um 20 Uhr in der Gaststätte „Goldener Stern“ der Öffentlichkeit vorgestellt.

TOP 2: Zwangsarbeit

Frau Dr. Katharina Hoffmann hat ihre  Doktorarbeit über Zwangsarbeit in Oldenburg geschrieben. Der erste Teil ist als Buch veröffentlicht worden (Zwangsarbeit und ihre gesellschaftliche Akzeptanz in Oldenburg 1939 – 1945 (Veröffentlichung des Stadtarchivs Oldenburg Band 5)  Oldenburg (Isensee Verlag) 2001), der zweite Teil besteht aus Interviews. Beide Teile zusammen stehen auch im Internet. Außerdem hat Frau Hoffmann eine Dokumentation über Zwangsarbeit im Landkreis Harburg erstellt, die allgemeine und  grundlegende Informationen zu dem Thema enthält und im Internet unter der Adresse http://borg.informatik.uni-oldenburg.de/Hoffmann/index.html zu finden ist.

Die Entschädigungsfrage hat die Zwangsarbeit für eine Zeit in das  öffentliche Bewusstsein gerückt. Es gibt mittlerweile viele Studien über Zwangsarbeit, aber in der breiten Öffentlichkeit existiert es nur ein geringes Grundwissen, und es herrscht ein wenig differenziertes Bild vor.

Ein Problem im  Umgang mit Informationen über Zwangsarbeiter ist immer die richtige Zuordnung: Handelt es sich um einen Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen, KZ-Insassen oder um einen arbeitsfreiwilligen Ausländer, wie sie insbesondere gegen Kriegsende  häufiger vorkamen, um nichtdeutsche Flüchtlinge oder etwa um Flüchtlinge aus den baltischen Ländern? Diese Frage ist häufig nicht eindeutig zu klären.

Die Situation der Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft ist zwiespältig zu  beurteilen. Einerseits waren sie in der Regel besser ernährt als Zwangsarbeiter in der Industrie, andererseits unterlagen sie einer größeren sozialen Kontrolle, waren stärker ortsgebunden, und auch auf dem Land waren öffentliche  Hinrichtungen wegen sexueller Kontakte möglich.

Im Prinzip gibt eine Fülle möglicher Quellen zur Geschichte der Zwangsarbeit. Der einzelne Zwangsarbeiter musste verschiedene Stationen durchlaufen, und zu jeder dieser Stationen  sollte es schriftliche Unterlagen geben.

Wichtige Quellen finden sich in:

-überregionalen Archiven: Im Bundesarchiv in Berlin-Licherfelde (http://www.bundesarchiv.de) z.B. die Reichsbetriebskartei mit Arbeiterverzeichnissen  von Wehrwirtschaftsbetrieben

-in den mittleren Behörden, den Staatsarchiven: für Ostfriesland ist Aurich zuständig. In Bremen finden z.B. Evakuierungspläne, die auch Ostfriesland und die dortigen Zwangsarbeiter betreffen. Ansonsten:  Lageberichte der Landräte ab Sommer 1940, Prozessakten, Tagesmeldungen der Gestapo von Juli 1940 bis September 1943, Gefangenenbücher der Gerichtsgefängnisse etc.

-der Zentralnachweis der Landeszentrale für politische Bildung  (http://www.nlpb.de/) hat Hinweise auf Quellen vor Ort bietet außerdem Kopien von Quellen aus internationalen Archiven

-Die „Auskunftsstelle für ehemalige Wehrmachtsangehörige“ bietet möglicherweise Auskunft, wenn man Namen  einzelner Zwangsarbeiter kennt

-In Kommunalarchiven lassen Zwangsarbeiter evtl. über die Melderegister, Standesamtsbücher o.ä. feststellen. (Es gibt Überlieferungsprobleme durch die Gemeindereform.) Kommunen waren für Ernährung,  Überwachung und Unterkunft der Zwangsarbeiter zuständig. Deshalb gibt es hier oft Spuren. Bauämter mussten Wohnanlagen bzw. Barackenlager genehmigen.

-Die Arbeitsämter waren verantwortlich für Durchgangslager und waren tangiert bei  Arbeitsvertragsbrüchen durch Zwangsarbeiter, bei Krankheiten, Arztrechnungen o.ä.

-Krankenhausarchive können evtl. Auskunft über erkrankte Zwangsarbeiter geben. (Psychisch kranke Zwangsarbeiter müssten entweder nach Weenen oder  Osnabrück gebracht worden sein.) Allerdings sind die Unterlagen aus Krankenhäusern häufig nicht mehr vorhanden.

-Die Bandkassen verzeichneten neu errichtete Barackenlager.

-Kirchengemeinden haben in ihren Archiven die  Pastorenchroniken, die Sterbe- bzw. Friedhofsregister und evtl. Informationen über von ihnen selbst beschäftigte Zwangsarbeiter.

-Schulchroniken können evtl. allgemeine Auskunft über die Situation von Zwangsarbeitern geben.

-Hebekarteien oder Versichertenkarteien von Krankenkassen sind von großer Bedeutung. Bei Landarbeitern kann man sich an die Landesversicherungsanstalten wenden, wenn man Namen von Zwangsarbeitern hat.

-Regionale Zeitungen berichten  über die Einstellung gegenüber Zwangsarbeitern vor Ort. Über das Ausmaß der Zwangsarbeit gibt das statistische Mitteilungsblatt des Gau-Arbeitsamts Weser-Ems Auskunft. (Das liegt im Staatsarchiv Bremen vor, kann aber auch aus Bibliotheken  über Fernleihe bestellt werden.)

-In Arolsen sind nach Kriegsende zentral Suchlisten archiviert worden, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Auftrag der Alliierten erstellt wurden, um Suchaktionen nach vermissten Ausländern  zu erleichtern. Das Archiv in Arolsen ist aber nicht zugänglich.

-Zeitzeugeninterviews sind wertvoll trotz des mangelhaften Quellencharakters. Die Interviews ermöglichen auch oft einen Zugang zu Quellen und Materialien in  Privatbesitz.

 
Dr. Wessels wies darauf hin, dass im Niedersächsischen Staatsarchiv in Aurich zur Zeit eine Dokumentation Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus in Ostfriesland erstellt wird, zu der auch eine  Zusammenstellung der erreichbaren Namen von Zwangsarbeitern gehört. Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese Liste auch für Ortschroniken zugänglich gemacht werden.