Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Chronisten vom 16.6.2000 im Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager in Papenburg
Thema: Die Emslandlager in Papenburg
Referent: Fietje
Ausländer
Die Vorgeschichte des DIZ beginnt im Grunde in den fünfziger Jahren. 1955 und 1956 kam es in Papenburg zu ersten sog. „Moorsoldatentreffen“, deren Hauptanliegen das Andenken an die Toten
der Lager war. Die neuen Friedhöfe der Emslandlager sollten in einen würdigen Zustand versetzt werden. (Der bekannteste dieser Friedhöfe ist wohl der am Küstenkanal. Heute werden die Friedhöfe von der
Bezirksregierung unterhalten.)
In den sechziger Jahren war es Hermann Vinke, heute bekannter Redakteur und Autor, der als Mitarbeiter der „Emslandzeitung“ mit kritischen Berichten an die
Emslandlager erinnerte und deshalb Probleme bekam. 1966 wurde außerdem in der Fernsehsendung Report ein kritischer 10minütiger Bericht über den Umgang mit der unliebsamen Vergangenheit des Emslands gesendet
– mit heftigem Nachklang vor Ort. Ab 1972 setzten mit der Gründung der Reform-Universität Oldenburg die ersten wissenschaftlichen Bemühungen um eine Aufarbeitung der Geschichte der Emslandlager ein. Die
Universität sollte nach dem prominentesten Insassen der Lager Carl von Ossietzky benannt werden. Deshalb gab es viele Examens- und Magisterarbeiter zu den Emslandlagern und speziell zum Lager Esterwegen, wo
Carl von Ossietzky eingesessen hatte.
In Papenburg fand sich ein Arbeitskreis aus Interessierten, Schülern, Historikern und ehemaligen Häftlingen zusammen, der 1981 einen Trägerverein gründete. Von 1981 bis
1985 wurde versucht, vor Ort in Esterwegen auf dem Gelände der Bundeswehr eine Gedächtnisstätte zu gründen. Eine Zusage des Verteidigungsministers Apel (SPD) wurde von seinem Nachfolger Wörner (CDU) wieder
rückgängig gemacht. Außerdem erhob sich in Esterwegen auch der Widerstand der Politik und der katholischen Kirchengemeinde (trotz eine positiven Stellungnahme des Pfarrers) gegen die Einrichtung einer
Gedenkstätte.
Anfang 1984 entschied man sich deshalb für den Standort Papenburg, obwohl sich hier nie ein Lager befunden hatte. Ende 1984 wurde der Vorgängerbau des jetzigen Gebäudes angekauft und 1985
hier eine erste Ausstellung mit einem Büro eingerichtet. Es gab zunächst zwei, dann fünf Mitarbeiter, alle über das Arbeitsamt beschäftigt. Nach Gesprächen mit dem Landkreis Emsland und der Stadt Papenburg
sowie mit dem Land Niedersachsen kam es in einer schwarzrotgrünen konzertierten Aktion und unter Verwendung von zusätzlichen, vom Trägerverein beschafften Mitteln zur Errichtung des aktuellen Gebäudes,
abgeschlossen 1993. Zuständiger Landesminister war damals Jürgen Tritin, der den Trend zu dezentralen und lokalen Gedenkstätten unterstützte.
Es gibt mittlerweile zwei fest angestellte und zwei mit
Zeitverträgen angestellte Mitarbeiter. Die Stelle des Leiters Kurt Buck wird vom Land Niedersachsen aus dem „Gedenkstättentopf“ finanziert und ist relativ sicher. Die zweite Kraft finanziert der
Landkreis Emsland. Die dritte Stelle ist nur über Zeitverträge zu finanzieren, aus Geldern des Trägervereins, Projektanträgen, Einnahmen des Hauses etc. Der Verein kann keine volle Stelle finanzieren. Die vierte
Kraft wird durch das Arbeitsamt gestellt. Außerdem sind zwei Lehrerinnen je einen Vormittag in der Woche für museumspädagogische Aufgaben abgestellt.
Verglichen mit den Anfängen des DIZ 1985 hat sich
die Einrichtung in der Stadt und im Kreis Emsland mittlerweile etabliert und erfährt öffentliche Akzeptanz. Die Stadt Papenburg fördert zusätzliche Projekte, gibt einen regelmäßigen Betriebskostenzuschuß,
stellt Hinweisschilder auf, nimmt die Institution mit in das neue Verkehrsleitsystem auf. Der Oberkreisdirektor und der Stadtdirektor sind bei den Treffen der ehemaligen Gefangenen zugegen etc.
Die
Aufgaben des DIZ gehen in verschieden Richtungen. Zunächst geht es um das Sammeln und Archivieren von Materialen und Archivalien zum Themenkomplex Emslandlager. Aus unterschiedlichen nationalen und
internationalen staatlichen Archiven werden Unterlagen in der Form von Kopien zusammengetragen, aus privater Hand, insbesondere aus dem Besitz ehemaliger Häftlinge oder deren Nachkommen. Auch wenn die
Möglichkeiten des Zusammentragens solcher Quellen weniger werden, gibt es doch immer noch wieder neue Archivalien, die dem DIZ zugetragen werden. Neu ist vor allem die Kenntnis über die Materiallage, seitdem
durch die Maueröffnung auch die osteuropäischen Archive, insbesondere die der ehemaligen Sowjetunion zugänglich werden. Hier lagern viele Akten der Wehrmachtsauskunftsstelle (WAST) über die Unterbringung der
Kriegsgefangenen in den Lagern. Alle Kriegsgefangenen wurden namentlich registriert und in ihrem Werdegang erfasst.
Außerdem existiert eine alphabetisch geordnete Sammlung zu einzelnen Häftlingen, die etwa
500 bis 600 Häftlinge erfasst, von denen näheres bekannt ist (persönliche Unterlagen, autobiographische Berichte etc.). Außerdem existieren Videoaufnahmen mit Interviews zu einzelnen Gefangenen und ca. 50 bis
60 Kassetteninterviews, die teilweise auch verschriftlicht vorliegen. Es gibt aber keine systematische Arbeit zur Erfassung der Namen aller etwa 180.000 bis 250.000 Gefangenen (davon geschätzt etwa 30.000 in
den Emslandlagern gestorben). Es gibt auch keine systematische Aufarbeitung eines Verzeichnisses der Wachleute. Das ist ein Bereich der vor Ort besonders schwierig anzugehen ist. Außerdem hat der Verein von
vornherein den Schwerpunkt auf die Insassen gelegt.
Die Sammlung der Materialien erfolgt bisher ebenfalls nicht systematisch. Selbst die im Haus vorhandenen Materialien sind noch nicht komplett erfasst.
.Für solche Arbeiten fehlt dem DIZ das Personal. Forschungsarbeiten im eigenen Haus gibt es nicht, aber es gibt eine häufige Zusammenarbeit mit und Unterstützung von Wissenschaftlern, die zu diesem
Themenbereich arbeiten. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Schriftenreihe des DIZ. Ansonsten hat die museumspädagogische Arbeit Vorrang.
Es gibt eine Dauerausstellung zu den
Emslandlagern im Erdgeschoß des Hauses. Daneben werden jährlich drei bis fünf Sonderausstellungen eröffnet in der Ersten Etage gezeigt, die auch über die Geschichte der Emslandlager hinausgehen können.
Ein
zweiter Schwerpunkt der Arbeit des DIZ liegt im Aufbau einer Bibliothek zur Geschichte des Nationalsozialismus. Etwa 5.000 Bücher sind über eine Systematik erfasst und über eine Ausleihe der Öffentlichkeit
zugänglich. Eine Vernetzung mit einem überregionalen Bibliothekssystem existiert allerdings noch nicht. Etwa 3.000 bis 4.000 weitere Bücher liegen noch nicht erfasst auf dem Dachboden. Die Bibliothek gewinnt
selbst mittlerweile Archivcharakter, weil hier auch viel alte, sonst schlechte zugängliche oder sogar „graue“ Literatur lagert. Seit 1989 gibt das DIZ außerdem in Zusammenarbeit mit der Edition Temmen
eine Schriftenreihe zum Themenbereich des nationalsozialistischen Lagersystems heraus.
Jedes Jahr gibt es feste Veranstaltungen zu bestimmten Terminen, so am 27.1. zur Erinnerung an die Befreiung von
Auschwitz, am 1. September zur Erinnerung an den Kriegsbeginn.
In einer gesonderten Videothek sind 400 Videobänder ausleihbar, wenn sie nicht öffentlich vorgeführt werden sollen.
Das DIZ hat
jetzt jährlich etwa 8.000 bis 10.000 Besucher, davon 90 % Schüler. Die Hauptbesuchszeit konzentriert sich auf die Monate von den Sommerferien zu den Osterferien. Das DIZ bildet weniger einen Anziehungspunkt
für Einzelbesucher. Das mag daran liegen, daß Papenburg sehr dezentral liegt und das DIZ außerdem kein „Authentischer Ort“ ist. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der pädagogischen Vermittlung. Es
wurde umfangreiches didaktisches Material entwickelt. Die Schüler verbringen meist den ganzen Vormittag bei intensiver persönlicher Beschäftigung im DIZ. Außerdem werden drei- bis fünfmal jährlich
umfangreichere Projekte mit Schulen durchgeführt, bei denen themenkonzentriert gearbeitet wird, Mappen angelegt werden, kleine Ausstellungen konzipiert werden etc.
Die Arbeitsmöglichkeiten im DIZ für
Ortschronisten – nicht nur aus Ostfriesland – sind gering. Möglich ist eine umfassende allgemeine Orientierung für die Zeit des NS über die Bibliothek. Außerdem kann das DIZ Hilfestellung bei der
Vernetzung der Arbeit und zu weiteren Kontakten geben. Ein für Ortschronisten möglicherweise wichtiges Verzeichnis der Lagerinsassen nach 1945 existiert nicht. Die entsprechenden Unterlagen sind im
Staatsarchiv Osnabrück zu finden, das überhaupt den größten Teil der Unterlagen zu den Emslandlagern besitzt.
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