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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Die Emslandlager in Papenburg
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am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Chronisten vom 16.6.2000 im Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager in Papenburg

Thema: Die Emslandlager in Papenburg

Referent: Fietje Ausländer

Die  Vorgeschichte des DIZ beginnt im Grunde in den fünfziger Jahren. 1955 und 1956 kam es in Papenburg zu ersten sog. „Moorsoldatentreffen“, deren Hauptanliegen das Andenken an die Toten der Lager war. Die neuen Friedhöfe der Emslandlager  sollten in einen würdigen Zustand versetzt werden. (Der bekannteste dieser Friedhöfe ist wohl der am Küstenkanal. Heute werden die Friedhöfe von der Bezirksregierung unterhalten.)

In den sechziger Jahren war es Hermann Vinke, heute  bekannter Redakteur und Autor, der als Mitarbeiter der „Emslandzeitung“ mit kritischen Berichten an die Emslandlager erinnerte und deshalb Probleme bekam. 1966 wurde außerdem in der Fernsehsendung Report ein kritischer 10minütiger Bericht  über den Umgang mit der unliebsamen Vergangenheit des Emslands gesendet – mit heftigem Nachklang vor Ort. Ab 1972 setzten mit der Gründung der Reform-Universität Oldenburg die ersten wissenschaftlichen Bemühungen um eine Aufarbeitung der  Geschichte der Emslandlager ein. Die Universität sollte nach dem prominentesten Insassen der Lager Carl von Ossietzky benannt werden. Deshalb gab es viele Examens- und Magisterarbeiter zu den Emslandlagern und speziell zum Lager  Esterwegen, wo Carl von Ossietzky eingesessen hatte.

In Papenburg fand sich ein Arbeitskreis aus Interessierten, Schülern, Historikern und ehemaligen Häftlingen zusammen, der 1981 einen Trägerverein gründete. Von 1981 bis 1985 wurde  versucht, vor Ort in Esterwegen auf dem Gelände der Bundeswehr eine Gedächtnisstätte zu gründen. Eine Zusage des Verteidigungsministers Apel (SPD) wurde von seinem Nachfolger Wörner (CDU) wieder rückgängig gemacht. Außerdem erhob sich in  Esterwegen auch der Widerstand der Politik und der katholischen Kirchengemeinde (trotz eine positiven Stellungnahme des Pfarrers) gegen die Einrichtung einer Gedenkstätte.

Anfang 1984 entschied man sich deshalb für den Standort  Papenburg, obwohl sich hier nie ein Lager befunden hatte. Ende 1984 wurde der Vorgängerbau des jetzigen Gebäudes angekauft und 1985 hier eine erste Ausstellung mit einem Büro eingerichtet. Es gab zunächst zwei, dann fünf Mitarbeiter, alle  über das Arbeitsamt beschäftigt. Nach Gesprächen mit dem Landkreis Emsland und der Stadt Papenburg sowie mit dem Land Niedersachsen kam es in einer schwarzrotgrünen konzertierten Aktion und unter Verwendung von zusätzlichen, vom  Trägerverein beschafften Mitteln zur Errichtung des aktuellen Gebäudes, abgeschlossen 1993. Zuständiger Landesminister war damals Jürgen Tritin, der den Trend zu dezentralen und lokalen Gedenkstätten unterstützte.

Es gibt  mittlerweile zwei fest angestellte und zwei mit Zeitverträgen angestellte Mitarbeiter. Die Stelle des Leiters Kurt Buck wird vom Land Niedersachsen aus dem „Gedenkstättentopf“ finanziert und ist relativ sicher. Die zweite Kraft finanziert  der Landkreis Emsland. Die dritte Stelle ist nur über Zeitverträge zu finanzieren, aus Geldern des Trägervereins, Projektanträgen, Einnahmen des Hauses etc. Der Verein kann keine volle Stelle finanzieren. Die vierte Kraft wird durch das  Arbeitsamt gestellt. Außerdem sind zwei Lehrerinnen je einen Vormittag in der Woche für museumspädagogische Aufgaben abgestellt.

Verglichen mit den Anfängen des DIZ 1985 hat sich die Einrichtung in der Stadt und im Kreis Emsland  mittlerweile etabliert und erfährt öffentliche Akzeptanz. Die Stadt Papenburg fördert zusätzliche Projekte, gibt einen regelmäßigen Betriebskostenzuschuß, stellt Hinweisschilder auf, nimmt die Institution mit in das neue Verkehrsleitsystem  auf. Der Oberkreisdirektor und der Stadtdirektor sind bei den Treffen der ehemaligen Gefangenen zugegen etc.

Die Aufgaben des DIZ gehen in verschieden Richtungen. Zunächst geht es um das Sammeln und Archivieren von Materialen und  Archivalien zum Themenkomplex Emslandlager. Aus unterschiedlichen nationalen und internationalen staatlichen Archiven werden Unterlagen in der Form von Kopien zusammengetragen, aus privater Hand, insbesondere aus dem Besitz ehemaliger  Häftlinge oder deren Nachkommen. Auch wenn die Möglichkeiten des Zusammentragens solcher Quellen weniger werden, gibt es doch immer noch wieder neue Archivalien, die dem DIZ zugetragen werden. Neu ist vor allem die Kenntnis über die  Materiallage, seitdem durch die Maueröffnung auch die osteuropäischen Archive, insbesondere die der ehemaligen Sowjetunion zugänglich werden. Hier lagern viele Akten der Wehrmachtsauskunftsstelle (WAST) über die Unterbringung der  Kriegsgefangenen in den Lagern. Alle Kriegsgefangenen wurden namentlich registriert und in ihrem Werdegang erfasst.

Außerdem existiert eine alphabetisch geordnete Sammlung zu einzelnen Häftlingen, die etwa 500 bis 600 Häftlinge  erfasst, von denen näheres bekannt ist (persönliche Unterlagen, autobiographische Berichte etc.). Außerdem existieren Videoaufnahmen mit Interviews zu einzelnen Gefangenen und ca. 50 bis 60 Kassetteninterviews, die teilweise auch  verschriftlicht vorliegen. Es gibt aber keine systematische Arbeit zur Erfassung der Namen aller etwa 180.000 bis 250.000 Gefangenen (davon geschätzt etwa 30.000 in den Emslandlagern gestorben). Es gibt auch keine systematische  Aufarbeitung eines Verzeichnisses der Wachleute. Das ist ein Bereich der vor Ort besonders schwierig anzugehen ist. Außerdem hat der Verein von vornherein den Schwerpunkt auf die Insassen gelegt.

Die Sammlung der Materialien erfolgt  bisher ebenfalls nicht systematisch. Selbst die im Haus vorhandenen Materialien sind noch nicht komplett erfasst. .Für solche Arbeiten fehlt dem DIZ das Personal. Forschungsarbeiten im eigenen Haus gibt es nicht, aber es gibt eine häufige  Zusammenarbeit mit und Unterstützung von Wissenschaftlern, die zu diesem Themenbereich arbeiten. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Schriftenreihe des DIZ. Ansonsten hat die museumspädagogische Arbeit Vorrang.

Es  gibt eine Dauerausstellung zu den Emslandlagern im Erdgeschoß des Hauses. Daneben werden jährlich drei bis fünf Sonderausstellungen eröffnet in der Ersten Etage gezeigt, die auch über die Geschichte der Emslandlager hinausgehen können.

Ein zweiter Schwerpunkt der Arbeit des DIZ liegt im Aufbau einer Bibliothek zur Geschichte des Nationalsozialismus. Etwa 5.000 Bücher sind über eine Systematik erfasst und über eine Ausleihe der Öffentlichkeit zugänglich. Eine  Vernetzung mit einem überregionalen Bibliothekssystem existiert allerdings noch nicht. Etwa 3.000 bis 4.000 weitere Bücher liegen noch nicht erfasst auf dem Dachboden. Die Bibliothek gewinnt selbst mittlerweile Archivcharakter, weil hier  auch viel alte, sonst schlechte zugängliche oder sogar „graue“ Literatur lagert. Seit 1989 gibt das DIZ außerdem in Zusammenarbeit mit der Edition Temmen eine Schriftenreihe zum Themenbereich des nationalsozialistischen Lagersystems heraus.

Jedes Jahr gibt es feste Veranstaltungen zu bestimmten Terminen, so am 27.1. zur Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz, am 1. September zur Erinnerung an den Kriegsbeginn.

In einer gesonderten Videothek sind 400  Videobänder ausleihbar, wenn sie nicht öffentlich vorgeführt werden sollen.

Das DIZ hat jetzt jährlich etwa 8.000 bis 10.000 Besucher, davon 90 % Schüler. Die Hauptbesuchszeit konzentriert sich auf die Monate von den Sommerferien zu  den Osterferien. Das DIZ bildet weniger einen Anziehungspunkt für Einzelbesucher. Das mag daran liegen, daß Papenburg sehr dezentral liegt und das DIZ außerdem kein „Authentischer Ort“ ist. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der  pädagogischen Vermittlung. Es wurde umfangreiches didaktisches Material entwickelt. Die Schüler verbringen meist den ganzen Vormittag bei intensiver persönlicher Beschäftigung im DIZ. Außerdem werden drei- bis fünfmal jährlich  umfangreichere Projekte mit Schulen durchgeführt, bei denen themenkonzentriert gearbeitet wird, Mappen angelegt werden, kleine Ausstellungen konzipiert werden etc.

Die Arbeitsmöglichkeiten im DIZ für Ortschronisten – nicht nur aus  Ostfriesland – sind gering. Möglich ist eine umfassende allgemeine Orientierung für die Zeit des NS über die Bibliothek. Außerdem kann das DIZ Hilfestellung bei der Vernetzung der Arbeit und zu weiteren Kontakten geben. Ein für  Ortschronisten möglicherweise wichtiges Verzeichnis der Lagerinsassen nach 1945 existiert nicht. Die entsprechenden Unterlagen sind im Staatsarchiv Osnabrück zu finden, das überhaupt den größten Teil der Unterlagen zu den Emslandlagern  besitzt.