Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft vom 4.3.2000 in den „Groninger Archieven“
Thema: Führung durch das Rijksmuseum Groningen
Referentin:
Frau van Keulen
Die Arbeitsgruppe wurde am Samstagmorgen um 10.00 Uhr im Archiv in sehr freundlicher Weise von Frau van Keulen mit Kaffee und Keksen empfangen.
Das Rijksarchief und das
Stadtarchiv Groningen sind seit drei Jahren in den „Groninger Archieven“ mit dem gemeinsamen Umzug in das großzügige neue Gebäude zu einem Dienst zusammengefasst. Hier gibt es – neben
publikumsfreundlichen Einrichtungen wie einer Cafeteria oder Fotografiervorrichtungen – 1900 verschiedene Bestände und 20 km Regal. 17 km sind voll. Die Nutzung des Archivs ist in der Konzeption auf 25
Jahre angelegt. Bis dahin muss man sehen, wie sich das Archivwesen und die Nutzungsmöglichkeiten und –gewohnheiten geändert haben und sich neu darauf einstellen. Die Groninger Archieve haben ca. 50
Mitarbeiter, wovon einige als Teilzeitkräfte eingestellt sind. Im Lesesaal gibt es 130 Arbeitsplätze. Es werden ca. 20.000 Nutzer im Jahr gezählt. Der Grundgedanke ist, da das Archivwesen aus Steuermitteln
finanziert wird, die Bestände weitestmöglich der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, um ihr damit eine öffentliche Pflicht zu erfüllen.
Die Referentin Frau van Keulen ist die Leiterin des Benutzer-
und Besucherdienstes. Sie fördert und unterstützt wissenschaftliche Forschung im Archiv ebenso wie eher passiv Interessierte, die nur einige Daten haben möchten. Die Groninger Archieve wollen ein „historisches
Zentrum“ der Region werden. Das neue Gebäude ist als offenes Archiv konzipiert. Seit der Neueröffnung werden wesentlich mehr Besucher registriert und die Zahlen sind noch immer steigend. Im Unterschied
zu Deutschland lagern in den niederländischen Archiven sehr viel Personaldaten. Drei Viertel aller Besucher kommen wegen dieser Personaldaten. Dagegen wird immer weniger zur Regional- und Lokalgeschichte
geforscht. Früher gab es die gebildeten Bauern, die es sich leisten konnten, an ihrer Hof- und Lokalgeschichte zu arbeiten (Bsp. Boss-Atlas). Aber solche Bauern gibt es nicht mehr. Bei den Regionalforschern
heute handelt es sich fast nur noch um „Liebhaber“. Es gibt kaum noch professionelle Historiker („Verschwinden der Wissenschaftler“). Auch von der Universität geht praktisch keine Initiative mehr
zur Arbeit in den Archiven aus. Deshalb sieht das Archiv seine Zukunft in den Nutzern der genealogischen Forschung. Man hofft, dass aus dem Forschen nach Personaldaten ein grundlegenderes Interesse an der
Haus-, Hof-, Lokal- und Regionalgeschichte erwächst. Den größten Zuspruch findet im Moment die Hausforschung. Aus diesen Gründen macht man keinen Unterschied zwischen „wissenschaftlicher Forschung“ und
„Familienforschung“.
Im Lesesaal sind vielbenutzte Materialien wie etwa eine Tageszeitung, die Notariatsakten der Stadt Groningen etc. im Freihandbereich als Mikrofilme zugänglich. Außerdem ist hier ein
Bestand von Literatur, historischen Fotografien und von Kopien zur Personaldaten- und Familienforschung untergebracht. Viele Besucher benötigen überhaupt keine Unterlagen aus den Depots. Vor der Arbeit mit
Originalen steht in der Regel zuerst die Arbeit mit dem Mikrofilm.
Um den Archiven in den Niederlanden noch weiterhin mehr Besucher zuzuführen, werden bis 2002 mit der Unterstützung Ehrenamtlicher die
Zivildaten ins Internet eingegeben, zusätzlich eine Menge von Fotos, Karten und Abbildungen. Weiterhin ist geplant, auch die Findbücher über das Internet zugänglich zu machen. Man hofft, mit den „neuen Medien
neue Besucher“ in das Archiv zu ziehen und die Menge der Nutzer noch weiter steigern zu können, indem die Internetnutzer angeregt werden, sich vor Ort im Archiv eingehender zu informieren. Außerdem kann
man auf diese Weise besser die Interessen im Ausland bedienen. Schon jetzt wird die Datenbank des Museums im Internet insbesondere auch vom Ausland aus genutzt. Gleichzeitig ergibt sich durch das Internet eine
Vernetzung, indem Leute gegenseitig über Kontakt durch das Internet einander in den Archiven vor Ort zuarbeiten.
Die Forschungsmöglichkeiten für ostfriesische Themen halten sich, soweit es sich nicht um
Familien mit Verbindungen in den Groninger Raum handelt, in Grenzen. Die Findbücher sind aus der Sicht auf die Erforschung Groninger Geschichte verfasst. Es gibt kein spezielles Verzeichnis im Hinblick auf
Ostfriesland. Wenn man etwas sucht, kann man sich nur mit konkreten Fragestellungen in den Registern deshalb am besten über die Orts- und Familiennamen orientieren. Eine Zusammenstellung der für Ostfriesland
relevanten Daten wäre ein noch zu verwirklichendes Projekt.
Neben den Groninger Archieven gibt es eine Zahl von gut geführten Gemeindearchiven, Archiven von Deich- und Sielachten und Museen mit
angeschlossenen Archiven, die zentral durch Provinzarchivinspektoren betreut werden. Außerdem gibt es im Groninger Raum etwa 30 historische Vereine. Die sind aber meist nicht aktiv in der Forschung tätig (mit
Ausnahme einiger Vereinsvorsitzender). Der größte Verein ist der Provinziale Historische Verein. Das Archiv pflegt eine enge Zusammenarbeit mit den Lokalarchiven und Vereinen. An jedem ersten Samstag im
Oktober wird gemeinsam mit dem Provinzialen Historischen Verein ein „Tag der Groninger Geschichte“ veranstaltet – verbunden mit einem „Tag der offenen Tür“ im Archiv. Daneben gibt es noch
kleinere Regionaltagungen in einzelnen Teilen der Provinz. Zum „Tag der Groninger Geschichte“ soll auch die Arbeitsgruppe der Chronisten der ostfriesischen Landschaft eingeladen werden.
An das
erste Informationsgespräch schloss sich eine Führung durch das Archiv, den Lesesaal und die Magazine an. Eigentlich war für den Abschluss des Vormittags noch mehr Zeit eingeplant für ein selbständiges Stöbern
in Findbüchern und Lesesaalbeständen. Das anregende Gespräch und die Führung dauerten jedoch so lange, dass dafür kaum noch Zeit blieb.
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