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Arbeitsgruppe der Ortschronisten der Ostfriesischen Landschaft


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Ziegeleimuseum Midlum
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am: 28.07.2017

Leitung:
Dr. Paul Weßels

Webmaster
H.-Jürgen Adams


 

 

Protokoll der Sitzung des Arbeitskreises ostfriesischer Chronisten

vom 18.6.1999 um 15.30 Uhr in der Wilhelmine-Siefkes-Schule in Leer

Thema: Ziegeleimuseum Midlum

Referent: Dr. P. Weßels

Der Aufbau eines  Ziegelei-Museums in Midlum auf den Gelände der früheren Ziegelei Cramer ist ein altes Projekt, das sowohl beim Arbeitsamt Leer als auch beim Landkreis Leer und bei der Gemeinde Jemgum niemals aus den Augen verloren wurde. Seit dem Frühjahr  des vergangenen Jahres wurden im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahlen und sich abzeichnender besonders günstiger Förderbedingungen die Pläne konkret. Im Sommer des vergangenen Jahres wurde auf Initiative des Gemeindedirektors von  Jemgum, Baumann, der Ziegeleiverein Jemgum als Trägerverein gegründet. Die eigentliche Maßnahme begann am 1. September 1998 mit ca. 25 Beschäftigten. In der Mehrzahl arbeitslose Jugendliche, Handwerker als Anleiter und mit einem  Wissenschaftler, der ursprünglich als Projektleiter vorgesehen war, aber schließlich als wissenschaftlicher Begleiter der Maßnahme eingestellt wurde. Eine Projektleitung gibt es nicht. Träger der Maßnahmen ist der Landkreis Leer. Er  versteht sich aber nicht als Träger des Projektes. Er will nur Hilfestellung geben, damit die Maßnahme in die Wege geleitet werden kann. Das Projekt läuft unter der Überschrift der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von jugendlichen  Arbeitslosen, da es einer archäologischen Grabung diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze als besondere Qualifizierungsmaßnahme angeschlossen ist. Im Austausch arbeiten zwei niederländische Jugendliche in Midlum bzw.  zwei deutsche Jugendliche in den Niederlanden. Dadurch konnte das niedersächsische Landesjugendamt für dieses Projekt geworben werden. Es steuert 1998 und 1999 insgesamt ca. 500.000 DM zu den Sachkosten bei. Finanziell wird das Projekt  aber in erster Linie vom Arbeitsamt Leer unterstützt. Etwa 1.300.000 DM Lohnkosten werden vom Arbeitsamt getragen. Der Landkreis Leer bietet seine Logistik und beteiligt sich an den Sachkosten mit 200.000 DM.

Das Gebäude in Midlum  war zu Beginn der Arbeiten vollkommen marode, das Dach weitgehend eingestürzt und der Ringofen nur noch etwa zur Hälfte erhalten. Es gibt keine Originalmaschinen. Alle Installationen sind von den Wänden gerissen, und die Metalltüren sind  aus den Kammern der künstlichen Trocknung gerissen worden. Das Gebäude ist bislang nicht unter Denkmalschutz gestellt und die Bausubstanz so gering, daß man teilweise von einer Wiedererrichtung sprechen muß. Dennoch ist es nach Ansicht des  Referenten nicht unsinnig, an dieser Stelle ein Ziegeleimuseum einzurichten. Es gibt kein auch nur annähernd vergleichbares Museum im ostfriesischen Raum. Es gibt im europäischen Raum kein zweites Ziegeleimuseum, das die Verarbeitung von  Klei zeigt. Der Standort an der Muhde vor dem Deich ist beinahe 300 Jahre alt und an sich höchst attraktiv. Die Gelder, die in dieses Museum fließen, sind keine spezifischen Museumsgelder, werden also nicht an anderer Stelle, anderen  Museumsprojekten vorenthalten.

Aufgrund der kurzen Vorlaufzeit für die Planung hat es kein Museumskonzept gegeben, bevor mit den Arbeiten im Gebäude begonnen wurde. Es war die Aufgabe des wissenschaftlichen Mitarbeiters, ein Konzept  zu entwerfen und dieses dem Vorstand des Trägervereins zur Diskussion vorzulegen. Dies ist mittlerweile geschehen. Die abschließenden Diskussionen zum Konzept werden momentan geführt.

Im Konzeptentwurf wird nicht erwogen, die alte  Ziegelei so weit wieder herzurichten, daß man glauben könnte, am befände sich in einem funktionstüchtigen Betrieb. Es scheint viel sinnvoller, ehrlich den ehemals maroden Charakter des Gebäudes zu zeigen und darauf zu bauen, daß dem  Gebäude daraus ein eigener „Charme“ erwachsen wird. Der Schwerpunkt wird also weniger auf der Demonstration des ehemaligen Ziegeleibetriebs liegen, als auf der Demonstration der Ziegeleigeschichte des Rheiderlandes –von der  Handstrichziegelei über die Anfänge der Maschinenziegelei um 1890 bis zur industriellen Produktion mit halbautomatischem Betrieb um 1960. Dies unter Einbeziehung aller Aspekte die für die Herstellung von Ziegeln seit dem Beginn der  Handstrichziegelei an der Ems von Belang sind: ältere Produktionsverfahren einschließlich Sumpfgrube, Tretdiele, Tonmühle etc., Kleigewinnung und Kleitransport (Lorenbahn mit Lok), Anfahrt von Torf und Emssand zur Magerung des fetten Kleis  über das Wasser ( Schiffe auf der Muhde), der Steinlagerplatz an der Muhde, die Auslieferung der Steine über Wasser, die Lufttrocknung mit ihren schließlich enormen Dimensionen, verschiedene Ofenformen (Feldbrand, deutscher Ofen, Ringofen,  Tunnelofen), Arbeits- und Sozialgeschichte (Arbeitsverhältnisse, Lohnverhältnisse, Wohnverhältnisse, Streiks, Arbeitssicherheit etc.).

Dazu ist es in entsprechender Weise notwendig, die typischen Gebäudeelemente der  Außendeichziegelei wieder herzustellen bzw. neu zu errichten. Zur Zeit wird vornehmlich Bestandssicherung betrieben und der alte Zentralkomplex mit altem Pressenhaus, neuen Pressenhaus, künstlichen Trockenkammer und altem Ofenhaus wieder  nach historischem Vorbild mit einem ca. 3000 m2 großen Dach versehen. Das ist dringend notwendig, um den Ofenrest vor weiterem Verfall zu schützen und ihn dauerhaft zu konservieren. Gleichzeitig soll der Schornstein der Ziegelei Cramer  saniert werden. Dazu sollen EG-Mittel und (vermutlich) Stiftungsmittel verwendet werden, weil diese Arbeit von einer Spezialfirma ausgeführt werden muß und die laufenden Mittel dafür nicht verwandt werden können. Als notwendig erachtet  wird die Wiedererrichtung von zwei der ehemals vier Trockenschuppen. Zu empfehlen ist auch die Wiedererrichtung des alten Arbeiterwohnhauses nach historischem Vorbild. Hier kann zugleich ein modernen Ansprüchen an Heizung Isolierung etc.  genügendes Ausstellungsgebäude entstehen. Damit könnten auch empfindliche Ausstellungs- und Sammlungstücke (Dokumente, Bücher, Fotos etc.) im Museum gezeigt werden.

Die derzeitige Planung sieht eine Zeitdauer für die  Wiedererrichtung von sechs bis zehn Jahren vor. Es gibt keinen festen und planbaren Etat, da die Maßnahmen von den verschiedenen Trägern jeweils für die Dauer von ein bis zwei Jahren bewilligt werden. Der Trägerverein ist aber  optimistisch, was die Verwirklichung seiner Vorhaben anbelangt, weil die verschiedenen beteiligten Behörden und Institutionen ihr Wohlwollen für die Fortführung des Projekts signalisiert haben.

Die Arbeit des wissenschaftlichen  Mitarbeiters konzentriert sich nach der Fertigstellung des Konzeptvorschlages auf den Aufbau eines kleinen Archivs bzw. einer Museumsbibliothek, in der alle für die Ziegeleigeschichte des Niederrheiderlandes relevanten Aufsätze und Bücher  vorhanden sind. Es soll versucht werden, die Geschäftsunterlagen anderer Ziegeleien (als Kopien) für dieses Archiv zusammenzutragen und damit eine Basis für eine wissenschaftliche Darstellung der Geschichte des Ziegeleiwesens im  Rheiderland zu geben. Die Arbeit an dieser Darstellung bildet den momentanen Schwerpunkt der Tätigkeit.

Daneben dokumentiert der wissenschaftliche Berater den Baufortschritt mit Fotos und Video, kümmert sich um die Darstellung der  Ziegelei in der Öffentlichkeit und hält Kontakt zu allen an der Planung und dem Aufbau des Museums Beteiligten.

An die Ausführungen schloß sich eine Besichtigung der ehemaligen Ziegelei Cramer an.