Ankermanöver in der Ägäis

 

Das klassische Ankermanöver, das meist zur Katastrophe führt, geht folgendermaßen über die Bühne: eine Yacht läuft in die Bucht ein, der Anker fällt, der Rudergänger steuert rückwärts gegen den Wind zum Ufer, stoppt kurz davor, ein Mensch in Badehose springt mit der Leine in der Hand (oder um den Bauch gebunden)ins Wasser und schwimmt zum Ufer.

Doch nicht lange! Die Leine, meist nicht schwimmend, geht zu Grund, je grösser der Abstand zwischen Schwimmer und Yacht wird. Der zieht und reisst so gut er kann, erreicht endlich den Strand, indessen die Yacht,die gegen den starken Wind nicht mehr rückwärts zu halten ist und seitlich wegdriftet.
Der Mensch am Ufer brüllt: "Mehr Leine!", denn diese ist inzwischen stramm....... ..... aber noch nicht am Baum belegt. An Bord versucht die Mannschaft eine zweite Leine zu finden, die erste ist zu kurz. Mit deutlich überdehntem Arm, das Leinenende verzweifelt haltend, hängt ein weibliches Wesen über dem Heckkorb. Der Mensch am Ufer versucht zur nächstbesten Pinie zu stolpern, zieht, zerrt, humpelt, flucht: "Leine, mehr Leine, ihr Idioten!" schallt es über die Bucht.
Da hat der Mann am Ruder den rettenden Einfall: Er legt den Rückwärtsgang ein, gibt Gas, die Yacht strebt wieder dem Ufer zu, die Leine entspannt sich, der Mann am Ufer umarmt den Baum. Da, ein Schrei! Die Leine flutscht der Dame mit dem überdehnten Arm aus der Hand, direkt in die Schraube. Der Motor macht plopp - aus!
Die Yacht treibt, von einer Böe geschoben, erneut ab. Der Mann drüben am Strand umarmt noch immer den Baum, doch sein Leinenende rauscht durch den Sand davon.
Ãhnliche Nachmittagsspiele kann man in vielen Buchten an der griechischen und türkischen Küste beobachten. Die mit dem Dingi ausgebrachte Leine ist eine beliebte Variante des Manövers. Auch sie endet gelegentlich im Chaos, weil der Rudergänger die Yacht vor ausgelegtem Anker nicht so lange gegen den Wind halten kann, wie der Mann braucht, um die Leine am Baum festzumachen.
Tragisch wird es, wenn kleine Crews (zwei Personen, meistens Ehepaare ) das Wagnis eingehen, so anzulegen. Eine einsame Frau am Ufer, ein verlorener Mann auf dem abtreibenden Boot, und hinterher Vorwürfe, Tränen und stundenlange Stille, nur manchmal unterbrochen vom Klageruf eines Esels am nahen Ufer.


"Der klagende Esel"