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Die Gladiatorenspiele und Tierhetzen

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Gladiatorenspiele
  2. Die Tierhetzen
  3. Cicero über die Spiele

Die Gladiatorenspiele

„Als Gladiatoren fochten nicht nur Sklaven und Kriegsgefangene, sondern häufig Verbrecher, die auf Grund der verschiedensten Vergehen in die Arena verurteilt waren, bekanntlich auch sehr viele Christen, andererseits jedoch selbst freie Bürger, gescheiterte Existenzen und schließlich einzelne Mitglieder der Führungsschicht, welche die exzessiven Erregungen einer solchen Form der Existenz der Monotonie ihres Daseins vorzogen. Die freiwilligen Gladiatoren legten einen Eid darauf ab, sich ,mit Ruten hauen, mit Feuer brennen und mit Eisen töten zu lassen‘.

Das Gladiatorenwesen war umfassend organisiert. Spezielle Unternehmer (der lanista) unterhielten Gladiatorenfamilien, sorgten für Nachschub, ließen die Männer ausbilden, verpachteten und verkauften sie wieder. Sie übernahmen vor allem in den kleineren Städten des Imperiums im Auftrag der Magistrate die Ausrichtung der Spiele. Training und Ausbildung der Gladiatoren erfolgten in besonderen Schulen, von denen diejenige in Capua durch den Ausbruch des Spartacus weithin berühmt wurde. Unter dem Principat gab es in Rom selbst, wo die Haltung der Gladiatoren nun vom princeps monopolisiert wurde – nach Neros Tod wechselten hier 2.000 Gladiatoren den Herrn –, drei Gladiatorenschulen, deren größte (Ludus magnus) in der Gegend der Via Labicana teilweise wieder ausgegraben worden ist. Die Schulen verfügten nicht nur über einen ausgedehnten technischen Apparat und über erfahrene Fechtmeister, sondern ebenso über gute Masseure und qualifizierte Ärzte.

Je nach Bewaffnung und Kampfweise wurden verschiedene Gladiatorengattungen unterschieden, wobei diese Kategorien zum Teil von typisch ,nationalen‘ Bewaffnungsarten ehemaliger Kriegsgefangener ausgingen. …

Die Gladiatorenkämpfe selbst, die sich oft tagelang hinzogen, wurden in der Regel durch Scheinfechter (paegniarii) eröffnet und durch Vorkämpfer (lusorii), die lediglich mit hölzernen Waffen aufeinander losgingen. Erst danach kämpften die Gladiatoren in den verschiedensten Zusammenstellungen. Sie kämpften unter oft frenetischer Anfeuerung und inmitten einer wahren Massenhysterie. Sie kämpften so lange, bis einer der Partner getötet oder zumindest schwer verletzt war, so daß er aufgeben mußte. Dann forderte die Menge durch Tücherschwenken oder erhobene Daumen die Begnadigung, oder, nicht selten, durch gesenkte Daumen den Tod. Die Entscheidung darüber fällte jedoch stets der Präsident des Spiels, der Magistrat, der es veranstaltete, oder der princeps. Er beschenkte auch die Sieger mit goldenen Schalen, Kronen und Goldstücken, außerdem erhielt der Sieger einen Palmzweig.

Die Masse der Zuschauer wurde in einen wahren Blutrausch versetzt. Seneca berichtet, zu welchen Szenen es selbst in der ,ruhigeren‘ Zeit der Mittagspause kam, wenn die großen Schaukämpfe lediglich überbrückt werden sollten und nur ein Teil der Besucher anwesend war:

,Durch Zufall geriet ich in eine Mittagsvorstellung. Ich erwartete harmlose Spiele, allerlei Scherze, kurz, eine Erheiterung, die die Menschen nach dem Anblick von Menschenblut wieder beruhigt – das Gegenteil trat ein. Alle vorigen Kämpfe waren dagegen sanfte Barmherzigkeit: kein bißchen Scherz, der reine Menschenmord! Nichts, womit sich die Kämpfer schützen können. Jedem Hieb am ganzen Körper ausgesetzt, führen sie selbst keinen vergeblich. Das liebt die Masse mehr als die paarweisen, kunstgerechten, sonst immer verlangten Gladiatorenkämpfe. Warum auch nicht? Kein Helm, kein Schild fängt den Schwertstreich auf. Wozu noch Schutz? Wozu Fechtkunst? All das verzögert ja nur den Tod. Morgens wirft man den Löwen und Bären Menschen vor, mittags den Zuschauern. Die Mörder wünscht man weiteren Mördern vorgeworfen zu sehen, den Sieger spart man auf für neues Gemetzel: das Ende der Kämpfer ist immer der Tod. Feuer und Schwert regieren. So geht's dort zu, bis die Arena ,leer‘ ist. ,Aber er hat doch einen Raub begangen, einen Menschen umgebracht.‘ Gut und schön: ist er ein Mörder, so hat er sein Schicksal verdient. Aber – Unseliger! – was gibt dir das Recht, dabei zuzuschauen? ,Töte, schlag zu, verbrenne ihn! Warum stürzt er sich so angstvoll gegen das Schwert? Warum haut er auf den anderen so zaghaft ein? Warum stirbt er so ungern? Man schlage sie, bis sie sich gegenseitig verwunden! Brust an Brust, und nackt die Brust – so sollen sie beide den Schwertstößen des Gegners sich bieten! Aber es ist doch Pause! ,So soll man derweile den Menschen die Kehle durchschneiden, damit wenigstens etwas geschieht!‘ (Seneca, Briefe an Lucilius 7, 3 ff. – Übersetzung E. Glaser-Gerhard)

Auch die Massierung der Kämpfe stumpfte schließlich ab. So gingen schon Caesar und Augustus dazu über, ,Naumachien‘ zu veranstalten, die den Einsatz großer Gladiatorentruppen in Seeschlachten boten, welche in der Regel historisch drapiert waren, zum Beispiel den Kampf griechischer gegen persische Schiffe zeigten. Das non plus ultra in dieser Beziehung bescherte die Naumachie des Claudius im Jahre 52 n. Chr. auf dem Fucinersee, als zwei Flotten mit jeweils 19.000 Mann gegeneinander fochten. Auch Domitian präsentierte Spiele dieser Art.

Amphitheater für Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen gab es in der ganzen römischen Welt. Das älteste (80 v. Chr.) stammt aus Pompeji; es bot nach mehreren Erweiterungen zuletzt 20.000 Sitzplätze, mehr, als die Stadt wohl überhaupt Einwohner hatte. Über 70 solcher Theater sind aus allen Teilen des Imperiums bekannt …“ [1]

Kampfszene [2]

Kampfszene

Zum Ursprung der Gladiatorenspiele

„Die Gladiatorenspiele hatten einst sehr bescheiden begonnen. Im Jahre 264 v. Chr. ließen die Söhne des D. Iunius Brutus Pera auf dem römischen Ochsenmarkt im Zusammenhang mit dem Begräbnis ihres Vaters drei Gladiatorenpaare gegeneinander fechten. Gemäß einer vor allem in Etrurien [3] und Kampanien verbreiteten Sitte handelte es sich zunächst stets um Spiele zu Ehren eines Verstorbenen, dem nach den alten Vorstellungen das vergossene Blut zugutekommen sollte. [4] Der christliche Rhetor Tertullian [5] hat später Zusammenhänge und Entwicklung so beschrieben:

,Was den Verstorbenen geopfert wurde, das sah man als einen Totendienst an … Totenspende (munus) wird es genannt von dem Dienst … Einen Dienst aber glaubten die Alten durch diese Spiele den Toten zu erweisen, nachdem sie den Charakter derselben gemildert hatten durch eine gelindere Art von Grausamkeit. Früher kaufte und opferte man bei den Leichenbegängnissen Gefangene oder böse Sklaven, weil man glaubte, die Geister der Toten durch Menschenblut zu versöhnen. Später zog man es vor, diese Ruchlosigkeit zu einer Ergötzlichkeit zu gestalten. Und so wurden Leute, die man beschafft hatte, bloß um zu lernen, wie man sich müsse totschlagen lassen, in dem Gebrauch der Waffen unterrichtet, so gut wie es damals ging, und dann alsbald am festgesetzten Tage der Totenopfer bei den Grabhügeln verwendet. So tröstete man sich über den Tod durch Morde.‘ (Tertullian, Über die Schauspiele, 12 – Übersetzung K. Kellner)

Auch hier <wie bei den Tierhetzen> erweiterten sich die Zahl der Teilnehmer und die Dauer der Kämpfe ständig, der religiöse Zusammenhang ging verloren; die Kämpfe wurden schließlich zur Unterhaltung in ihrer brutalsten Form … Im Jahre 174 v. Chr. ließ der Philhellene T. Quinctius Flamininus bei den Spielen zu Ehren seines Vater bereits 74 Gladiatoren auftreten. 105 v. Chr. gaben erstmals römische Konsuln in staatlichem Auftrag Gladiatorenspiele, Caesar ließ als Ädil im Jahre 65 v. Chr. schon 320 Paare kämpfen, Titus anläßlich der Eröffnung des Amphitheatrum Flavium im Jahre 80 n. Chr. bereits viele tausende, Trajan zwischen 106 und 114 n. Chr. angeblich rund 23.000 Mann. Und trotz aller Bemühungen des Christentums gingen die Gladiatorenkämpfe in Rom bis zum Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. weiter.“ [6]

Die Tierhetzen

„Die erste überlieferte Tierhetze fand in Rom bereits im Jahr 186 v. Chr. unter M. Fulvius Nobilior statt. Die Veranstaltungen wurden anfangs häufig im Circus maximus abgehalten. Seltene und exotische Tiere sind dabei nicht nur vorgeführt worden, man ließ sie gegeneinander in den verschiedensten Paarungen kämpfen, häufig jedoch auch gegen Menschen. In den Spielen des Pompeius‘ und Caesars wurden bereits Hunderte von Löwen erlegt, in den insgesamt 26 Hetzen, die Augustus gab, etwa 3.500 afrikanische Tiere getötet, bei den Spielen Trajans im Jahre 107 n. Chr. insgesamt rund 11.000 Stück Wild abgeschlachtet. Ihren bizarren Höhepunkt erreichten die Tierhetzen unter dem krankhaften Commodus [7], der an einem Tag fünf Nilpferde mit eigener Hand tötete, an anderen dann auch noch 2 Elefanten, mehrere Nashörner und eine Giraffe.“ [8]

Cicero über die Spiele

Cicero berichtet in einem Brief aus dem Jahre 55 v. Chr. (Ad familiares VII 1) über die jüngsten, fünftägigen Zirkusspiele des Pompeius anlässlich der Einweihung des von diesem erbauten Theaters. Dort heißt es in § 3:

Quae potest homini esse polito delectatio, cum aut homo imbecillus a valentissima bestia laniatur aut praeclara bestia venabulo transverberatur? Quae tamen, si videnda sunt, saepe vidisti; neque nos, qui haec spectamus, quicquam novi vidimus. Extremus elephantorum dies fuit. In quo admiratio magna vulgi atque turbae, delectatio nulla exstitit; quin etiam misericordia quaedam consecuta est atque opinio eius modi esse quandam illi beluae cum genere humano societatem. "Welche Unterhaltung kann es für einen gebildeten Menschen sein, wenn entweder ein schwacher Mensch von einem sehr starken wilden Tier zerfleischt oder ein herrliches Tier von einem Jagdspieß durchbohrt wird? Und dennoch hast du dies, wenn es gesehen werden muss, oft gesehen; und wir, die wir dies betrachten, haben nichts Neues gesehen. Der letzte <Tag> war der Tag der Elefanten. An ihm kam eine große Bewunderung <seitens> der Masse und Menschenmenge auf, <aber> keine Unterhaltung; ja es regte sich sogar ein gewisses Mitleid und eine Meinung dieser Art, jenes Tier habe eine gewisse Gemeinschaft mit dem menschlichen Geschlecht.“ [9]

Anmerkungen

1) Karl Christ „Die Römer“, München 1979, S. 117-119
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2) Diese Abbildung eines Mosaiks ist den Seiten „ ROMAN GLADIATORIAL GAMES“ von Roger Dunkle entnommen. Er erläutert es wie folgt:

„Here is the end of one contest. Shields have been discarded and the victor awaits a signal indicating life or death for the loser. The figure to the far left may be a lanista (an owner of a troupe of gladiators) and he seems to be restraining the victor's arm until the signal is given. When one gladiator was wounded, the typical cry from the spectators was habet, hoc habet (he's had it). When one opponent had decided that he was defeated, he would raised one finger of this left hand (not the middle one!) as a sign of submission and a request for mercy.“

Der URI des Bildes lautet <http://depthome.brooklyn.cuny.edu/classics/gldiatrs.gif>.
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3) Vgl. Kurt Latte „Römische Religionsgeschichte“, 2. Aufl., München 1967, S. 156: „Den Ursprung aus Etrurien beweist außer dem Zeugnis des Nikolaos … und der etruskischen Herkunft des Wortes lanista … die Gestalt des Charun; die toten Gladiatoren werden von einem Mann, der einen Hammer trägt, aus der Arena geschafft. In ihm hat man längst den etruskischen Dämon erkannt.“
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4) Anders Latte, a. a. O., S. 155: „… die Sitte, am Grab der Vornehmen Wettkämpfe zu veranstalten, bei denen Blut fließen mußte, … ist eine Weiterbildung des verbreiteten Brauchs, zum Zeichen der Trauer sich zu schlagen und zu zerkratzen, bis Blut fließt. Nur überläßt man die Ausführung des Ritus Gefangenen und Sklaven. Überall, wo ein Adel über eine hörige Bevölkerung oder Kriegsgefangene gebietet, gibt es verwandte Erscheinungen … Es ist folgenschwer gewesen, daß römische Vornehme diese Sitte als Gladiatorenspiele zunächst bei Leichenbegängnissen übernahmen.“
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5) ca. 160-220 n. Chr.
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6) Christ, a. a. O., S. 116-117
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7) römischer Kaiser 180-192 n. Chr.
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8) Christ, a. a. O., S. 116
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9) Zu diesem Brief siehe Otto Seel „Ansatz zu einer Martial-Interpretation":

"Das einzige wirklich konzessionslos energische Dokument humanen Protestes gegen die Gladiatorenspiele … ist Senecas siebenter Brief …: nur hier findet sich mehr als der nur gelangweilte ästhetische Abscheu verfeinerter Sinnlichkeit: dies, aber eben freilich nur dies, tritt schon früher in Erscheinung, etwa in dem bekannten Cicero-Brief fam. 7,1, wo die prunkvollen Spiele zwar abgelehnt, aber eben doch nur als eine dem Gebildeten widerstehende Konzession an den schlechten Geschmack der Masse, also mehr aus Bildungsdünkel als aus moralischem Protest, abgelehnt werden. Wozu freilich bemerkt werden muß, daß man bei Cicero nie so ganz gewiß weiß, ob er nicht gewisse intime Gefühlsregungen hinter der ihm eigenen prätentiösen Untertreibung verbirgt; zwar der Satz: ,Was kann es für einen gebildeten Mann für ein Vergnügen sein, wenn ein schwacher Mensch von einem mächtigen Tiere zerfleischt wird oder ein prächtiges Tier mit dem Jagdspieß abgestochen wird?‘ … scheint noch ganz eingeengt im dédain des feinen Mannes vor der ungepflegten Lustbarkeit des Pöbels, aber was folgt, geht tiefer, erreicht eine Schicht der Solidarität mit der Kreatur selbst; freilich: früher mit dem schönen Tier als mit dem unglücklichen Menschen: ,Ja, es ergab sich sogar so etwas wie Mitleid und eine Vorstellung etwa der Art, als habe jenes Tier‘ (gemeint sind Elefanten!) ,eine gewisse Gemeinsamkeit mit dem Menschengeschlecht‘ …; aber eben dieses genus humanum wird nur als Antithese zu den beluae erfaßt, um ihrer selbst willen findet die societas generis humani nicht zum fürsprechenden Wort.“ (in: Antike und Abendland, 10, 1961)
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URI dieser Seite: <http://www.ewetel.net/~martin.bode/Spiele.htm>, zuletzt geändert: 27.03.00

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