Methoden

Berathek Methode


Beim Kontextinterview wird untersucht, welche Nutzer die Anwendung für welche Aufgaben oder Ziele in welchem Umfeld benutzen werden. Dabei ist nicht nur das physische Umfeld, sondern auch das soziale Umfeld von Interesse. Nicht zu vergessen ist auch das organisatorische Umfeld. Die Kontextanalyse wird üblicherweise durch einen vorher erstellten Gesprächsleitfaden in einem moderierten Gespräch mit Nutzern erhoben.


Anwendungskriterien

Für ein neu zu erstellendes Produkt ist oft der Kontext nicht hinreichend verstanden. Auch bei Produkten, die längere Zeit nicht verändert wurden, kann es nützlich sein zu prüfen, ob der Kontext sich verändert hat. Sollen neue Funktionalitäten zu einem bestehenden Produkt hinzugefügt werden, kann zusätzlich eine Untersuchung des Kontextes hilfreich sein.

Die Methode bringt besondere Vorteile, wenn
  1. die Nutzer der Nutzergruppen leicht zu erreichen sind.
  2. eine Erhebung der Nutzergruppen durchgeführt wurde.
  3. eine ausführliche Analyse des Kontextes notwendig ist.
Die Methode kann negative Wirkungen haben, wenn
  1. der Nutzer nicht im direkten Zugriff ist und Stellvertreter befragt werden.
  2. der Nutzer nur zu seiner Meinung bezüglich der Produkteigenschaften befragt werden soll.
  3. die Befragung nicht offen und ehrlich durchgeführt werden kann.


Voraussetzungen

Für die Befragung steht ein Leitfaden und ein Raum mit angenehmer Atmosphäre zur Verfügung. Neben dem Interviewleiter sollte noch eine weitere Person Notizen aufnehmen. Die Mitschrift sollte handschriftlich erfolgen. Denn oft wird die Verzögerung, die durch eine direkte Mitschrift auf dem Computer entsteht, den Gesprächsfluss negativ beeinflussen. Wenn der Befragte zugestimmt hat, kann auch eine Sprachaufzeichnung erfolgen.


Durchführung

  1. Suche die Interviewpartner aus. Aus jeder Nutzergruppe werden ca. 5 Personen ausgewählt und besucht oder eingeladen. Wenn nötig, wird eine kleine Anerkennung bereit gelegt.

  2. Bei der Begrüßung wird den Befragten der Sinn und das Vorgehen erläutert.

  3. Stelle einleitende Fragen. Erfasse die Grobstruktur der Aufgaben in einem oder zwei Sätzen. Ziel ist es, einen Überblick über die Gesamttätigkeit zu erlangen. Die Beschreibung der Aufgabe ist abstrakt und knapp.

    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Wie kann die Tätigkeit in einem oder in zwei Sätzen beschrieben werden?


    Achtung

    Details interessieren erst bei der Befragung zur normalen Durchführung. Ein Redefluss sollte aber nicht unnötig unterbrochen werden.


  4. Teile die Gesamttätigkeit in Kernaufgaben auf. Dies sind typische und wichtige Aufgaben. Dabei ist kurz zu vermerken, welche Aufgaben viel Zeit in Anspruch nehmen oder oft vorkommen. Zusätzlich ist festzuhalten, bei welcher Kernaufgabe eine Softwareunterstützung wünschenswert wäre.

    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Aus welchen Aufgaben ist die Tätigkeit zusammengesetzt und welche dieser Kernaufgaben sollen unterstützt werden?


  5. Stelle fest, ob die Gesamttätigkeit z.B. als Mischarbeit oder anders organisiert ist, etwa als Abfolge von unzusammenhängenden Einzelaufgaben oder als monotone Wiederholungstätigkeit. Eventuell gegebene ergonomische Mängel der Arbeitsgestaltung müssen festgehalten werden.

    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Wie ist die Tätigkeit organisiert (Folge von Aufgaben, Einzelaufgabe)?


  6. Ermittle die Voraussetzungen für die Tätigkeit. Erfasse die Qualifikation der befragten Personengruppe. Der Bezug zur Nutzung von Software ist darzustellen. Dabei werden jetzige und zukünftige Vorbedingungen für die Softwarenutzung formuliert.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Qualifikation ist für die Aufgabe erforderlich?


  7. Ermittle die Anlässe, aus denen sich die Tätigkeiten am Arbeitsplatz ergeben. Wichtig ist auch festzustellen, welche Datenquellen den Input für die auszuführenden Tätigkeiten liefern.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Wer bzw. was bestimmt, was zu tun ist?


  8. Halte fest, welche Hilfsmittel oder Materialien für die Erledigung von Aufgaben genutzt werden, welche nützlich sind, welche weniger und warum. Es ist auch zu ermitteln, welche Hilfsmittel fehlen oder zusätzlich benötigt werden könnten.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Hilfsmittel sind erforderlich?


  9. Ermittle die Vorgänge bei der normalen Durchführung. Untersuche die Kernaufgaben hinsichtlich ihrer Tätigkeitsschritte, die zur Erreichung von Ergebnissen notwendig sind. Der „rote Faden“ des Tätigkeitsablaufes ist zu erfassen. Die Antworten werden als Grundlage für die spätere Analyse der Arbeitsschritte am Softwareprodukt verwendet.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Arbeitsschritte sind durchzuführen?


  10. Stelle fest, welche der Tätigkeiten eher dem Menschen überlassen bleiben sollen und bei welcher eine automatische Bearbeitung durch einen Computer als nützlich empfunden wird.

    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Arbeitsschritte kehren häufig wieder?


  11. Lege dar, ob trotz Automatisierung noch genügend Steuerungen durch den Benutzer möglich sind. Gleichzeitig wird ermittelt, ob und inwieweit durch die Computerisierung die Bearbeitung einer Aufgabe oder eines Vorganges noch transparent und überschaubar bleibt und beeinflusst werden kann.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Arbeitsschritte werden automatisch durchgeführt?


  12. Beschreibe, welche Daten von Kollegen mitbenutzt werde müssen und inwieweit es Beeinträchtigungen für den Zugriff auf Daten geben kann.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Kommt es vor, dass parallel gearbeitet werden soll?


  13. Beschreibe inwieweit Arbeitsschritte in der Abfolge festgelegt sind. Im Zuge einer Flexibilisierung der Arbeit wird festgestellt, warum dies nötig ist.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Gibt es eine festegelegte Abfolge der Arbeitsschritte?


  14. Stelle fest, welche Ergebnisse aus den Arbeitsschritten folgen und wie diese weitergegeben werden. Wichtig ist, alle Schnittstellen zu identifizieren, über die Daten an andere geliefert werden, um dort verwendet zu werden.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche (Teil)Ergebnisse entstehen und werden diese ggf. weiterverwertet?


  15. Stelle fest, inwieweit Feedback von Kollegen oder Vorgesetzten oder von Seiten der Software gegeben wird. Wichtig ist auch, ob und inwieweit das Feedback ermöglicht, den Erfolg oder die Wirkung der eigenen Arbeit zu erkennen oder zu überschauen.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welches Feedback bekommen die Nutzer in Bezug auf die Arbeitsergebnisse und die Wirkung der Arbeit?


  16. Bestimme die Besonderheiten bei der Durchführung. Die Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit werden identifiziert. Es interessieren die Störungen, die sich aus der Arbeitsorganisation ergeben und die Art, wie damit umgegangen wird. Wichtig ist festzustellen, ob durch technische Möglichkeiten mit Störungen besser umgegangen werden kann.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Unterbrechungen gibt es und warum?


  17. Beschreibe die möglichen fachlichen Fehler bezogen auf deren Aufdeckung und Behandlung im Umfeld der Arbeitstätigkeit. Fehler, die infolge der Nutzung der Benutzeroberfläche der Software auftreten, werden im Nutzungsszenario beschrieben.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Wie werden Fehler zurückgemeldet und behoben?


  18. Beschreibe die Sonderfälle, die durch den bisherigen Rahmen nicht abgedeckt wurden.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche wichtigen Sonderfälle müssen berücksichtigt werden?


  19. Ermittle die organisatorischen Rahmenbedingungen. Lege dar, welche weiteren organisatorischen Ziele gewünscht sind, wie z.B. Rationalisierung oder Steigerung der Qualität der Ergebnisse.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Organisationsziele gibt es im Hinblick auf die Tätigkeit?


  20. Beschreibe hier, welche Mechanismen in den Arbeitsabläufen dafür sorgen, dass die Geschwindigkeit der Arbeitstätigkeit beeinflusst werden. Hier ist auch die BildscharbV zu berücksichtigen.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Gibt es Mechanismen zur Leistungssteuerung?


  21. Sollte mangelnder Überblick der Benutzer über die Verwendung und Weiterleitung der Arbeitsergebnisse vorhanden sein, so stelle dar, inwieweit dies durch Softwarefunktionen behoben werden kann.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welchen Überblick hat der Benutzer im Hinblick auf die Gesamttätigkeit?


  22. Erfasse nicht nur organisatorische Änderungen, sondern auch jegliche Änderungen im Umfeld. Hier ist auch wichtig zu erfahren, welche Änderungen und welchen Nutzen man vom Einsatz der Software erwartet. Auch visionäre Änderungsvorstellungen werden hier formuliert.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Änderungen, die die Aufgabenbearbeitung beeinflussen, sind zu erwarten oder werden gewünscht?


  23. Berücksichtige die Auswirkungen der Arbeitsergebnisse auf die Außenwelt. Hier ist der Blick darauf zu richten, ob und inwieweit die Computerisierung einen positiven oder negativen Einfluss hat. Die Folgen sind zu beschreiben oder was man anders oder besser machen soll.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Von welchen Arbeitsergebnissen sind Dritte direkt betroffen?


  24. Stelle dar, wie der Stress reduziert werden kann. Stressfaktoren können durch die Aufgabe und Organisation sowie durch die Software gegeben sein.
    Tipp

    Folgende Frage kann hilfreich sein:
    Welche Stressfaktoren gibt es und wie wird damit umgegangen?


  25. Notiere sonstige Bemerkungen zu auftretenden Nutzungsproblemen. Sammle Bemerkungen, die in dem vorherigen Rahmen keinen Platz haben, aber im Kontextszenario wichtig sind und aus bisherigen Systemen als problematisch bekannt sind.

  26. Bedanke dich nach der Befragung bei den Teilnehmern für die Teilnahme und überreiche ggf. die bereitgelegte Anerkennung.

  27. Paraphrasiere und generalisiere zusammen mit dem Protokollanten unter Zuhilfenahme der Aufzeichnungen das Gespräch, in dem das Gesagte in eigenen Worten dokumentiertund wird und mit den anderen Nuzungskontextbeschreibung abgeglichen wird.
    Tipp

    Hierbei kann ein Kategoriensystem mit Schlagwörtern oder ein Glossar hilfreich sein.


    Tipp

    Die entstandene Nuzungskontextbeschreibung kann vom Befragten im Nachgang noch einmal auf inhaltliche Richtigkeit geprüft werden.




Beschreibung des Produktes

Als Ergebnis der Kontextanalyse entsteht eine Nutzungskontextbeschreibung der Befragung.

Methoden, die dazu passen


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