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Die Geschichte meiner Lungentransplantation (von Alfons Krolage)
 
 
1. Erste Anzeichen
Bis zum Jahre 1995 war mir meine Erkrankung nicht bewußt. Ich war der Überzeugung, unter Asthma zu leiden, das ich durch das Rauchen und mein leichtes Übergewicht erklärte. Auch bei verschiedenen allgemeinärztlichen Untersuchungen wurde stets etwas gleichlautendes diagnostiziert. Sorgen macht ich mir, als die Beschwerden zwar langsam, doch stetig immer schlimmer wurden. Asthmasprays und Tabakabstinenz zeigten nicht die gewünschte Wirkung. Eines Tages überwies mich mein Hausarzt an einen Lungenfacharzt. Dieser machte neben einem Allergie- auch einen Bluttest. Dabei stellte sich heraus, dass ich an einem genetisch bedingtem Mangel an "Alpha 1 Antitrypsin" leide. Das führt zu einer langfristig irreparablen und letztendlich tödlichen Schädigung der Lunge. In den Gesprächen mit dem Facharzt stellte sich heraus, dass es sich hierbei um eine Erbkrankheit handelt, die in bestimmten (seltenen) Fällen auf männliche Nachkommen übertragen wird. Mein Vater starb bereits mit 70 Jahren an vermeintlichem Herzasthma. Der Facharzt bot mir neben einer Kur verschiedene Therapien an. Zum Einen sollte versucht werden, das fehlende Enzym durch einem aus menschlichem Blut gewonnenen Medikamentes namens Prolastin HS ersetzt zu werden, was aber im besten Falle den weiteren Verlauf der Krankheit nur verzögert hätte. Zum Anderen zeigte er mir die Möglichkeit einer doppelseitigen Lungentransplantation auf. Mir war bis zu dem Zeitpunkt gar nicht klar, dass so etwas überhaupt möglich ist.
 
2. Weichenstellungen
Anfang 1997 wurde die Direktion der Bahn AG in Hannover über meine Krankheit informiert, worauf ich sehr schnell einen Termin beim zuständigen Oberbahnarzt bekam. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits keinen Zweifel mehr an der Diagnose meines Lungenfacharztes, worauf der Bahnarzt - für mich doch sehr überraschend - meine vorzeitige Pensionierung befürwortete. Meinem Einwand, ob ich vielleicht vorübergehend im Innendienst tätig sein könne, beantwortete er sehr eindrucksvoll. Er sah mich mit einem wissenden Blick an und sagte dann: "Herr Krolage, bleiben Sie zu Hause und versuchen Sie am Leben zu bleiben." Dann überschlugen sich die Ereignisse: Während ich eine sehr kurzfristig anberaumte Kur in der Bundesbahneigenen Kurklinik Bad Dürrheim machte, die aber eigentlich nur einen kosmetischen Effekt hatte, wurde gleichzeitig meine Pensionierung eingeleitet. Zeitgleich nahm mein Lungenfacharzt Kontakt mit der Medizinischen Hochschule Hannover auf um die Möglichkeiten einer Lungentransplantation zu sondieren. Der erste Besuch in der MHH hat bei meiner Frau und mir schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wir waren von dieser riesigen Gesundheitsmaschinerie  sehr beeindruckt. Die Entscheidungen über mein weiteres Leben wurden dann in einem recht kleinen fensterlosen Zimmer bei dem Chefarzt und drei seiner Oberärzte getroffen. Sehr nüchtern wurden die Möglichkeiten und Risiken einer doppelseitigen Lungentransplantation besprochen. Wir wurden weiß Gott nicht im unklaren gelassen, welch hohes Risiko besteht, überhaupt den OP-Tisch als lebenden Mensch wieder zu verlassen. Auch ein mögliches Leben danach erschien wenig reizvoll, angesichts einer notwendigen, fast sterilen Umgebung ohne Topfpflanzen, Haustiere und möglichst wenig Kontakt zu anderen Menschen. Auch die Aussicht, irgendwelche Dinge nur mit sterilen Handschuhen anfassen zu dürfen, und das Haus - wenn überhaupt - nur mit Mundschutz verlassen zu können, machte uns nicht gerade Mut. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass 1998 die Lungentransplantation gewissermaßen noch in den Kinderschuhen steckte und deshalb die Vorsichtsmaßnahmen sehr hoch gesteckt waren. Aber eines wurde in diesem Gespräch mit den Ärzten klar: Es gab keine Alternative. Also kam ich auf die Warteliste für Organtransplantationen, die von Euro Transplant im holländischen Leiden koordiniert wird.
 
3. Die Wartezeit
Um immer erreichbar zu sein für den Fall, dass ein passendes Organ für mich gefunden wurde, habe ich mir ein Handy gekauft. Das war 1998 noch nicht so selbstverständlich wie heute. Mir wurde gesagt, dass die durchschnittliche Wartezeit 1-1,5 Jahre betragen würde. Erfreulicherweise ging es dann doch sehr viel schneller; bereits nach nur 5 Monaten stand ein passendes Organ zur verfügung. Die eigentliche Wartezeit empfand ich nicht als schlimm; hatte ich doch die Gewissheit, dass das Richtige eingeleitet wurde. Um ehrlich zu sein, hatte ich die bevorstehende Transplantation auch weitgehend verdrängt, weil ich mir einfach diese riesige Operation nicht vorstellen mochte. Ausserdem war es schon schwierig genug, jeden einzelnen Tag ohne allzugroße Schwierigkeiten zu überstehen. Mittlerweile war meine Krankheit so weit fortgeschritten, dass ich schon bei der allergeringsten körperlichen Anstrengung unter Atemnot litt. Es ist sehr schlimm, immer an der äussersten Grenze der Belastbarkeit zu leben und praktisch keinerlei Reserven zu haben. Zum Schluss drehte sich das ganze Denken nur noch darum, sich irgendwie von einer zur anderen Minute zu hangeln. Überhaupt das Denken: Ich wurde sehr einsilbig, das Denken viel mir schwer, was ja auch nicht verwunderlich ist bei einer Sauerstoffsättigung von gerade mal 60 %. Normal sind etwa 92-98 % , ein Wert, den ich heute auch wieder erreiche. Aber das Schlimmste waren die Nächte in dieser Zeit. Ein Mensch der schläft ist in einem Zustand der absoluten körperlichen Entspannung. Es kam öfter vor, dass ich nachts aufwachte, weil ich keine Luft mehr bekam, also Atemnot ohne die geringste körperliche Anstrengung. Das war das allerschlimmste, und es war eine bewundernwerte Leistung meiner Frau, die mich in solchen Situationen wieder heruntergebracht hat, ohne selbst in Panik zu geraten.
 
4. Es ist soweit
Es war der 2. September 1998 und wie es der Zufall so will, war ich an diesem Tag alleine zu Hause. Denn einige Tage zuvor war meine Schwiegermutter eines sehr plötzlichen Todes gestorben. Um bei der Beerdigung dabei zu sein, aber auch um ihrem Vater beizustehen, war meine Frau kurz zuvor in ihren Geburtsort in der Nähe von Herford gereist. Unter anderen Umständer wäre ich selbstverständlich mitgefahren, aber mir ging es bereits so schlecht, dass damit keinem gedient wäre. So kam es, das in der Nacht vom 2. auf den 3. September um 2 Uhr das Telefon klingelte. Nachdem sich mein Gesprächspartner vergewissert hatte, dass ich selbst am Telefon bin, wurde mir gesagt, dass ein passendes Organ für mich gefunden wurde und zurzeit die Vorbereitungen für die Transplantation eingeleitet wurden. Es sei ein Rettungswagen der Johanniter geordert, der in einer Stunde da sei, um mich abzuholen. Ich habe keine Ahnung, war ich dem Mann am anderen Ende des Telefons geantwortet habe. Daraufhin hatte ich meine Frau in Herford angerufen; sie sagte mir ich solle mir keine Sorgen machen, denn sie würde sich um alles kümmern. Sie hat dann von Herford aus unsere Nachbarn, die bei uns im gleichen Haus wohnen, angerufen, und darum gebeten, dass sie sich um mich kümmern. Unsere Nachbarn waren auch gleich da und waren mir bei meinem Sauerstoffgerät behilflich. Ich selbst saß völlig hilflos auf der Bettkante und hörte die aufgeregten Stimmen in der Wohnung. Angst kroch in mir hoch. Eine nie gekannte Angst. Mir fiel blitzartig ein, wie der Professor sagte, dass etwa 40% schon mal vom OP Tisch nicht wiederaufstehen. Ich dachte an Russisches Roulette im wahrsten, grausamsten Sinne. Obwohl sich mittlerweile mehrere Menschen um mich kümmerten, kam in mir ein entsetzliches Gefühl von Alleinsein hoch; es war als stünde zwischen ihnen und mir eine unsichtbare aber dennoch massive unüberwindliche Wand. Diese Angst ist schwer zu beschreiben, nur soviel: Es ist eine lähmende und vor allem sehr kalte Angst. Mittlerweile war der Rettungswagen mit zwei Sanitätern und einem Notarzt angekommen. Der Notarzt leuchtete mir kurz in die Augen, gab mir eine Spritze und kurz darauf verlor ich das Bewusstsein.
 
5. Durchgangssyndrom
Die doppelseitige Lungentransplantation wurde erfolgreich in der Uni-Klinik Hannover durchgeführt. Allerdings litt ich in den ersten 10 Tagen an einem sogenannten Durchgangssyndrom. Das ist vergleichbar einer schweren Psychose verbunden mit Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Als dieser Zustand endlich vorbei war und ich mir meiner Situation bewusst wurde, verbesserte sich mein körperlicher Zustand erstaunlich schnell. Bereits nach sechs Wochen konnte ich die Klinik verlassen und nach Hause zurückkehren. Ohne meine Frau, die mich in dieser Zeit sehr fachkundig betreut hat, hätte ich es wesendlich schwerer gehabt. Wie bereits erwähnt, kam ich körperlich schnell wieder auf die Beine, allerdings hatte ich große psychische Probleme. Zum einen war es das durchlittene Durchgangssyndrom, welches mir zu schaffen machte, und zum anderen die Tatsache, mit der Lunge eines toten Menschen atmen zu müssen. Mehrere Monate war ich deshalb in der psychatrischen Abteilung des Krankenhauses Quakenbrück. Aber letztendlich sind das alles nur kleine Randerscheinungen, die nicht ins Gewicht fallen angesichts der Tatsache, dass ich wieder Luft bekomme und weiterleben darf.
 
6. Abstoßungen
Wie man sich vorstellen kann, war ich in der ersten Zeit häufig in der pneumologischen Ambulanz der Uni-Klinik. Bei diesen Terminen, bei denen regelmäßig eine sehr unangenehme Bronchoskopie durchgeführt wurde, ging es vor allem darum, die Medikation richtig einzustellen. Gleich zu Beginn mußte ich einen ganzen Coktail verschiedener Medikamente einnehmen, deren hauptsächliche Aufgabe das Unterdrücken des körpereigenen Immunsystems ist. Wäre das nicht so, würde das Immunsystem das fremde Organ erkennen und abstoßen. Es kam in den ersten Jahren mehrmals zu Abstoßungsreaktionen, die mit Urbason - einer extrem hohen Cortisondosis - abgefangen wurden.
 
7. Heute
Mittlerweile liegt die Transplantation über acht Jahre zurück und es geht mir wirklich gut. Die Routineuntersuchungen in Hannover finden nur noch alle fünf Monate statt. Nach wie vor muß ich sehr viel Medikamente nehmen; doch die wichtigsten, Prograf und Cellcept, vertrage ich gut. Nach dem bisherigen Stand der Forschung wird sich an der Medikation auf absehbare Zeit kaum etwas ändern, denn für das Immunsystem bleibt meine neue Lunge ein Fremdkörper. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die mich auf diesem schweren Weg begleitet haben, ganz besonders meiner Frau Erika, ohne die ich das alles nicht überstanden hätte.