Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Fedderwarden
Kirchweg 6, 26388 Wilhelmshaven

Rundgang mit dem Smartphone durch die
St.-Stephanus-Kirche

Kirchturm, Glocken und Turmuhr


10_Kirchturm, Glocken und Turmuhr

Wir verlassen jetzt den Innenraum der Kirche und betrachten nun das Äußere der Kirche, wir beginnen mit dem Kirchturm.

Der alte Kirchturm
- genauer gesagt das Glockenhaus - stand etwas südlich neben dem schmiedeeisernen Gitter auf dem Kirchhof. Er war baufällig und wurde an seinem jetzigen Platz westlich des Kirchenschiffes 1875 neu errichtet. Er trägt die 4
Glocken
und die Turmuhr. In dem alten Glockenhaus hingen zwei Glocken, eine davon ist noch vorhanden, und sie klingt heute noch. Es ist die Marienglocke, sie wurde 1413 gegossen, wird also in diesem Jahr (2013) 600 Jahre alt. Über Jahrhunderte schwang und klang sie in dem Glockenturm, der bis 1900 links vom Eingang zum Kirchhof stand. Sie selber ist aber wohl 1875 in den jetzigen Glockenturm übergesiedelt, wie er hier heute steht. Sie ist Maria geweiht, wie aus der Umschrift zu erkennen ist: „Ave Maria gratia plena Dominus tecum.“ „Gegrüßet seist du Maria. Der Herr ist mit dir.“ Es der Gruß des Engels, der Maria verkündet, dass sie ein Kind bekommen soll. „Des Namen sollst du Jesus heißen!“

Der Name des Gießers ist unleserlich, nur Fecit ist zu erkennen (hat es gemacht) aus einer schriftlichen Quelle verlautet, dass William Butendiek aus Groningen sie gegossen haben soll. Sie ist älter als die erste schrifliche Erwähnung des Ortes Fedderwarden (1420).

Sie mahnte 36 Pastoren in Reihenfolge, nun dem 36. Sie erinnerte und mahnt die Gemeinde seit 1413, dass es noch andere Dimensionen des Lebens gibt als Arbeit und Plackerei, Essen und Trinken, und seit neuerer Zeit, das Fernsehen.

Sie läutete, als die Reformation eingeführt wurde. Wieder eine Verbindung nach Holland: Der erste reformierte Prediger war Thomas von Groningen (1567). Zu hören war sie, als Fedderwarden unter dem Grafen Anthon Günther lutherisch wurde.

Die Glocke läutete auch am Weihnachtstag 1717, als die Deiche brachen und Überlebende mit ihrem Vieh in der Kirche Unterschlupf fanden im Elend. Im ersten Weltkrieg, als Pastor Tjarks die Namen seiner gefallenen Konfirmanden in ein besonderes Kirchenbuch schrieb, dies nicht aushielt und sich in der Pastorei erhängte.

Und sie läutete auch im 2. Weltkrieg, als die Pastorei Offiziersunterkunft wurde, das Archiv verwüstet und die Orgel demoliert wurde. Wie viele Taufen hat sie akustisch begleitet, wie viele Tränen auch. Aber auch, wir sollten es nicht vergessen, zu manchem schönen Gottesdienst mit wunderbarer Musik hat sie ihren Klang dazu gegeben. Glocken künden Geschichte: Von der Geschichte des Ortes, persönliche und Familiengeschichte. Und das tut die Marienglocke seit 600 Jahren!

Über Jahrhunderte läuteten in Fedderwarden 2 Glocken, neben der Uhrenglocke von 1591, Sie wurde 1899 ausgehängt und hat einen Ehrenplatz im Gemeindehaus erhalten.

Es gab noch die sog. Grafenglocke, die Graf Anton Günther der Gemeinde 1664 verehrte. Sie war größer als die Marienglocke und hat 256 Jahre ihren Dienst getan. Sie soll sehr schön geklungen haben. 1917 wurde sie dem Reichsmilitärfiskus übergeben und wurde wohl zu einer Kanone umgeschmolzen. Das mag ein Wechsel sein!

Geläutet wurde, wie es sich eigentlich gehört, mit dem Strang. Dieses Amt wurde ausgeschrieben. Folgende Bewerbungen sind erhalten: „Da ich geneigt bin das Läuten anzunehmen für 100 M, Ernst Kieke. Und: „Möchte beten um das Läuten ob ich das kriegen kann – Jahr 70 Mark. Hochachtungsvoll Johann Janßen“

Wie der Grafenglocke erging es sehr vielen Glocken im ganzen Reich. In Oldenburg war der Baurat Rauchheld damit beauftragt, Glocken zu begutachten und nur solche von ganz besonderem Rang von der Ablieferung zu befreien. Er hat alles daran gesetzt, auch die Grafenglocke zu retten. Zuerst gelang es ihm, dann wurden die Kriterien verschärft und sie musste dann doch dahingegeben werden. Die Verweigerung der Herausgabe wurde mit Gefängnis und 10.000,00 RM Strafe bedroht.

1924 ließ der Kirchenrat eine neue Glocke in Apolda/Thüringen gießen. Es sollte eine Gefallenen-Gedächtnis-Glocke sein. Die Umschrift lautete: „In Not vertroo up Gott – he helpt.“ Auf dem Glockenkörper: „Den Gefallenen zum Gedächtnis“ gegenüber: „Den Nachkommen zum Vermächtnis“.

Eine Reitereskorte und die Vertonung von Schillers Glocke gaben dem Einzug der Glocke einen würdigen Rahmen. „Sonore Fülle, markige Kraft und zarte Lieblichkeit“ wurden ihrem Klang vom Domorganisten und Glockensachverständigen in Erfurt zugesprochen. Freundliche Widmungen wurden dieser Glocke zugeeignet:

Durch Kummer, Not und Bangen/ist deine Schwester hingegangen. Bring du uns Glauben, Trost und Ehr/das Fried und Freude wiederkehr. Und:

Mög di dat nich so gahn wi dien Süster/ de muß weer'n utanner slahn. Lat di dat nich gefallen und lüd in Freuden vör uns allen.

Nichts ist auf dieser Erden, das da beständig bleibt. Als bald schon markige Worte, die der Lieblichkeit durchaus ermangelten, markige und liebliche Glockentöne ersetzten, wurde auch diese, wie auch die Uhrenglocke, wieder abgegeben. Die Gedächtnisglocke wurde wahrscheinlich auch eine Kanone, sie blieb verschollen, die Uhrenglocke kam wieder nach Hause.

Nun läutete die Marienglocke erst einmal alleine.

Dann ist von einer eher drolligen Episode zu sprechen. Anfang der 60 Jahre wollte man die moderne Technik in den Dienst der Kirche nehmen. Der Gemeindekirchenrat beschloss, eine elektroakustische Läuteanlage zu beschaffen. Es wurden Lautsprecher in den Turm gehängt, durch die Töne, die von einem Hämmerchen, das an einen Metallstab schlug, verstärkt und über Dorf und Feld geschickt. Zusätzlich gab es einen Spieltisch, mit dem geistliches Liedgut auf ähnliche Weise Mensch und Tier zu Gehör gebracht.

Nach wohl etwas weniger als 20 Jahren war dieser akustische Spuk vorüber. Ausrangierte Schalltrichter hängen noch heute oben in der Glockenstube.

Es wurden 1987 wurden drei Glocken für uns in der Glockengießerei Rincker im Siegerland gegossen. Ihre Inschrift ist Jesaja 52,7 entnommen, so stimmt der Spruch mit der Kanzelumschrift überein.

Etwas über das Glockengießerhandwerk und seine Geschichte:

Die Grube für den Glockenguss wurde in der Nähe der Kirche ausgehoben. Es war sowieso schon sehr beschwerlich, die benötigten Materialien heranzuschaffen. Eine vollständig gegossene Glocke durch Sand und Moor und schlickige Marsch zu transportieren war unmöglich. Man wundert sich sowieso schon, welche Transportleistungen in früheren Jahrhunderten geleistet wurden.

Die Gießer waren ein fahrendes Volk, misstrauisch beäugt von den Einheimischen. „Dor is een frömd Hahn in't Loog“, sagten die Ostfriesen. Sie wurden in der Gemeinde untergebracht und verköstigt. Diese hochqualifizierten Leute waren in früheren Zeiten Analphabeten. Wo sollten denn Kinder zur Schule gehen? Es waren also mündliche Traditionen, die das komplizierte Wissen des Glockengusses weitergaben. Erst ab 1800 gab es feste Glockengießereien. Alle Hochkulturen kannten Glocken – aber in der Form, wie wir sie kennen, entwickelten sie sich im christlichen Kulturkreis und diente hier fast ausschließlich gottesdienstlich-kultischen Zwecken. Man nennt sie die Bienenform-Glocke. Martin von Tours, gest. um 600, berichtet schon davon, dass in Klöstern und Gemeinde mit Glocken zum Gottesdienst gerufen wurde. Man konnte noch keinen gewünschten Ton herstellen und es muss damals gräulich gescheppert haben. Um 1500 aber wurde schon eine Glocke gegossen, die auch heutigen Maßstäben standhält.

Nun zum Glockenguß:

Der Glockenton

Die Gießer verstehen es, Glocken auf einen gewünschten Ton zu gießen: h, fis oder gis, wie gewünscht. Der Glockenton selber ist immer noch ein Geheimnis, trotz aller Bemühungen der Akustiker, diesem auf die Spur zu kommen. Der Ton einer Glocke besteht aus 100 Einzeltönen. Ein Dutzend dieser Schwingungen sind besonders laut, die sog. Prinzipaltöne, Darüber schwingen ganze Kaskaden von Obertönen. Sie sind das akustische Salz in der Suppe. Wenn man diese im Labor wegfiltert, verkümmert der Ton zu einem reizlosen, nervtötenden Bimbam. Spielt man sie wieder ein, ist der einzigartige Glockenton wieder da. Dabei hört der Mensch alle diese Töne einzeln, erst im Gehirn werden sie zu einem Ton verschmolzen. Ein Geheimnis umgibt immer noch den sog. Schlagton, den wir so deutlich hören. In der Summe der Einzeltöne ist er nicht vorhanden. Die Akustiker können ihn mit ihren Messgeräten nicht isolieren.

Die größte schwingende Glocke der Welt hängt im Kölner Dom, die Petersglocke, (der dicke Pitter) 25 t schwer und über 3 m hoch. Aber nicht nur die Glocke selber ist für den Ton verantwortlich. Der Klöppel muss eine genau berechnete Größe haben und rüttelfrei anschlagen. Und ganz entscheidend ist auch der Turm, in dem die Glocken hängen. In ihm mischen sich die Töne der verschiedenen Glocken auf einzigartige Weise und geben dem Geläut eine eigene Prägung. Ein Geläut in einem Stahlgerüst klingt völlig anders als eines in einem gemauerten Turm. Dopplereffekt!

Glocken rhythmisieren unsere Tage nicht mehr. Das mag man bedauern. Weniger bedauerlich ist es, dass Glockenstuben nicht mehr als Hinrichtungsstätten in Gebrauch genommen werden. Tagesschau und Sportschau bestimmen unsere Zeiteinteilung am Tage eher als der Glockenklang. Zeiten sind nicht zurückzudrehen. Unser elektronisches Zeitalter hat einen großen Nachteil: Es gebärt keine Poesie mehr, so, wie die moderne Landwirtschaft auch keine poetischen Anklänge mehr zulässt. So hallen die Glocken aus einer vergangen erscheinenden Zeit in unsere Tage. Es möchte aber sein, dass sie zu einem kurzen Innehalten animieren.

Was war mir dieser Tag? Welcher Mensch liegt mir am Herzen? Glockenklang ist, wie letztlich alles kirchliche Tun es zum Ausdruck bringen soll, eine Bitte um Segen. So schwebt er über die Dächer dieses Ortes, in denen die Menschen mit ihren sehr verschiedenen Schicksalen wohnen, als Segensbote.

Unsere Turmuhr
stammt aus dem Jahre 1889. Sie wurde von dem Bremer Konsul Carl Theodor Melchers geschenkt, der dafür 900 Mark spendierte. Die Turmuhr wurde von der Firma Korffhage aus Buer bei Osnabrück installiert. Schwere Gewichte halten die Turmuhr in Bewegung. Diese müssen wöchentlich von Hand mittels dreier Winden hochgezogen werden.Wie aus Verträgen mit dem Schmiedemeister Behrens aus Fedderwarden hervorgeht, gab es vorher auch schon eine Turmuhr. _

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