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Der Ameisenkrieg

von Ephraim Kishon

Wohnungen, die zu ebener Erde liegen, haben einen Vorteil und einen Nachteil. Der Vorteil ist: Man muss keine Treppen steigen. Und der Nachteil ist: Auch die Ameisen müssen keine Treppen steigen. Deshalb wandert jeden Morgen eine Ameisenarmee über unsere Türschwelle und kriecht die Küchenwand hinaus bis zum Brotkorb. Hier lässt sich ein Teil der lieben Tierchen nieder, die anderen laufen weiter bis zum Abwaschbecken. Brotkorb und Waschbecken sind fest in der Hand der Ameisen, hier befinden sich ihre Ausgangspositionen für den ganzen Tag. Es beginnt ein ständiges Kommen und Gehen; heuer ist ein besonders ameisenreicher Sommer.

„Es hilft nichts, einige von ihnen zu erschlagen“, meinte die beste Ehefrau von allen, "Wir müssen das Nest suchen.“ Und so verfolgten wir die Prozession in entgegengesetzter Richtung. Der Weg führte in den Garten, verschwand für kurze Zeit unter einem Gebüsch, tauchte wieder auf und verlief im Zickzack Richtung Norden. An der Stadtgrenze blieben wir schnaufend stehen. „Sie kommen von auswärts“, schwer atmend drehte sich meine Frau um. „Aber wie haben sie gerade den Weg zu unserem Haus gefunden?“ Solche Fragen kann niemand beantworten, außer vielleicht die Ameisenkönigin. Die Arbeiterinnen gehorchen nur ihren Vorgesetzten, sie erfüllten ihren Auftrag.

Nachdem wir unsere Hausgenossen einige Tage sorgfältig beobachtet hatten, kauften wir ein Ameisenvertilgungspulver, das von der Werbung als sehr wirksam empfohlen worden war. Damit bestreuten wir den Weg von der Hausschwelle bis zur Küche und hier bis hinauf zum Abwaschbecken.

Am nächsten Morgen kamen die Ameisen nur langsam vorwärts, weil sie die vielen kleinen Pulverhügel übersteigen mussten. Eine andere Wirkung zeigte sich nicht. Am nächsten Tag versuchten wir es mit einer Insektenspritze. Die Vorhut der Ameisen fiel, die Hauptarmee marschierte ungerührt weiter.

„Sie sind sehr widerstandsfähig, das muss man ihnen lassen“, meinte meine Frau und wusch die ganze Küche mit einem starkriechenden Desinfektionsmittel aus. Die Ameisen blieben zwei Tage weg. Auch wir konnten in dieser Zeit die Küche nicht betreten. Doch danach erschienen die Ameisenregimenter wieder in voller Stärke und legten noch größeren Eifer an den Tag als zuvor. Dabei entdeckten sie den Topf mit dem Hustensirup. Er ging in ihren Besitz über, sie haben sicher nie mehr gehustet.

Die beste Ehefrau von allen, eine allgemein anerkannte Tierfreundin, begann nun jeden Morgen, die Ameisen einzeln zu töten. Auf diese Weise starben Tausende. Doch sie ließ es bald wieder sein. „Es kommen immer neue“, seufzte sie. „Es sind entsetzlich viele.“
Irgend jemand gab ihr den Tipp, Ameisen könnten den Geruch von Gurken nicht ertragen. Am nächsten Tag war unsere Küche mit Gurken ausgelegt. Aber offenbar wussten die Ameisen nichts davon, dass sie Gurken nicht mögen, denn sie wanderten nach kurzem, erstaunten Schnuppern zwischen den Gurken hindurch.

Nun wussten wir uns nicht mehr zu helfen, wir riefen beim Gesundheitsamt an und baten um Rat. „Was soll man denn machen, um Ameisen loszuwerden?“ fragten wir. „Das möchte ich selbst gern wissen“, antwortete der Beamte. „Ich habe die ganze Küche voller Ameisen.“

Eine Zeitlang versuchten wir es noch erfolglos weiter, doch dann beschlossen wir uns, den ungleichen Kampf aufzugeben. Seitdem wandern die Ameisen friedlich an unserem Frühstückstisch vorbei und nehmen ihre gewohnten Plätze ein. Sie stören uns nicht mehr, und wir stören sie auch nicht. Man könnte fast sagen, wir haben uns aneinander gewöhnt. Es ist ein friedliches Nebeneinanderleben.