Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Fedderwarden
Kirchweg 6, 26388 Wilhelmshaven

Rundgang mit dem Smartphone durch die
St.-Stephanus-Kirche

Der Anbau oder die “Neue Kirche”


03_Der Anbau oder die “Neue Kirche”

Der heutige Eingang führt in ein Seitenschiff, das die "Neue Kirche" genannt wird. Dieser Anbau wurde der Kirche im Jahr 1540 während der Reformierten Zugehörigkeit infolge des Bevölkerungszuwachses angefügt. Er wurde möglicherweise von Fräulein Maria von Jever gestiftet.
Maria als Stifterin des Anbaus lässt sich nicht eindeutig belegen, zumal sie selbst katholisch geblieben, ihr Jeverland nach der Reformation ev.-luth. wurde. Im Jeverland hat es viele Dispute gegen die Reformierte Kirche und Prediger gegeben, einige sind auch des Landes verwiesen worden. Daher ist es nur schwer vorstellbar, dass sie durch eine derartige Kirchenstiftung diesen Glauben tatkräftig unterstützte. Urkundlich belegt ist allerdings die Abtretung eines Flurstücks zum Unterhalt der Kirche.
So gingen von nun an die Fedderwarder Männer und Frauen gemeinsam durch diesen Eingang in ihre Kirche.
Wir erreichen das Innere der Kirche. Zur Linken befindet sich ein barock geformter "Fürstenstuhl". Ursprünglich stand er viel höher auf der nicht mehr vorhandenen Süd-Empore im lang gezogenen Kirchenschiff. Der Fürst von Knyphausen durfte hoch oben in diesem Gestühl dem Gottesdienst hinter Glas beiwohnen.
Die Schreibweise Kniphausens hat sich im Laufe der Zeit mehrfach geändert von Kniephausen, Knipens, Knyphausen bis zu der noch heutigen Form Kniphausen. Knyphausen mit „y“ steht für die noch existierende Lütetsburger Nebenlinie.
Obwohl Kniphausen im 18. Jahrh. oftmals als Duodezfürstentum bezeichnet wurde, war es niemals ein selbständiges Fürstentum und unterstand auch nie einem Fürsten. Das ist historisch falsch. Duodezfürst war die ironische Bezeichnung für die Regenten eines Kleinstaates (Duodezfürstentum).
Der an die Person gebundene Titel Fürst wurde nur einmal einem Lütetsburger Knyphauser verliehen. Bei der im Volksmund „Fürstenstuhl“ genannten Loge handelt es sich vermutlich um einen barocken sogenannten Bauernstuhl eines reichen Bauern, wie er in ähnlicher Ausführung auch in anderen Kirchen Z.B. in Tettens noch vorhanden ist. Wegen seines prächtigen Aussehens haben die Fedderwarder ihn möglicherweise auch als Fürstenstuhl bezeichnet.
Neben dem "Fürstenstuhl" steht ein mit starken Stahlbändern eingefasster und mit zwei Schlössern versehener Opferkasten, der als Tresor für das Geld der Armenkasse gedient hat. Es existiert ein Buch, in dem die Einnahmen und Ausgaben in der Zeit von 1763 bis 1905 verzeichnet sind. Die Armenkasse unterstützte Witwen und Waisen und andere in Not geratene Menschen. Auch konnte Geld aus diesem Tresor zinslos verliehen werden. Zwei Schlösser stellten sicher, dass nicht nur einer alleine über das Geld in der Kasse verfügen konnte.
Zur Rechten sehen wir noch den Rest des alten Kirchengestühls, das 1731 eingebaut wurde. Bis dahin mussten die Menschen in der Kirche stehen. Die strenge Ausrichtung des Gestühls mit Blickrichtung auf die Kanzel entspricht der reformierten Kirchengestaltung. Die Lehnen sind mit gedrechselten, rötlichen Stäben verziert, die Höhe der Lehnen nimmt zur Kanzel hin ab.
Neben dem Kirchengestühl im Eingangsbereich unserer Kirche hängt rechts an der Wand die barocke Schrifttafel mit Porträt des Predigers und Consistorialrates Nicolaus Armbster. Sie zeigt das Portrait eines lutherischen Pastors mit ernsthaftem Blick und barocker Lockenperücke, die u.a. auch das Statussymbol des gehobenen Standes darstellte. Dem Text ist zu entnehmen, dass diese Tafel zum Gedenken an den Consistorial Rath und ersten Prediger Nicolaus Armbster 1762 von seinen Kindern gestiftet worden ist. Nicolaus Armbster war neben dem Magister Hoppius, dessen Epitaph sich an der Wand neben der Kanzel befindet und dessen Biographie im Gemeindeboten 2014, Nr.2 beschrieben ist, einer jener frühen Pastoren, die in unserer Gemeinde nachhaltige Spuren hinterlassen haben. Geboren wurde Nicolaus Armbster am 1. Mai 1672 in Uthlede, Kreis Cuxhaven als Sohn des dortigen Pastors Liborius Armbster und seiner Frau Mette. Nach Abschluss des Theologiestudiums und nach seiner Ordination im Jahr 1698 kam er als 26-jähriger „Unterprediger“ nach Fedderwarden. Hier löste er Christianus Faselius ab, der an St. Stephanus nun zum 1. Pastor aufrückte. In jener Zeit gab es in Fedderwarden im Allgemeinen immer zwei Pastoren: Einen 1. Pastor, auch Pastor Primarius oder Oberprediger genannt und einen zweiten, meist jüngeren Vicarius oder Unterprediger. Als Dienstwohnung diente ihnen die sogenannte Zweite Pastorei, die 1385 durch den damaligen Kirchherrn, Magister Ulrich eigens als Wohnsitz für die zweiten Pastoren erbaut worden war. Nach ihr ist übrigens auch der Pastorenweg benannt. Heute wird sie vom Ehepaar Faust bewohnt. Nach neunjähriger Amtszeit als Unterprediger wurde Armbster 1707 vom Grafen Anton II. von Aldenburg, der gerade die Regentschaft über die Herrlichkeit Kniphausen angetreten hatte, als Nachfolger von Faselius zum Oberprediger berufen. Da mit der Berufung auch eine entsprechende Einkommensverbesserung verbunden war, heiratete er noch im gleichen Jahr Adelheid Porbecken. 43 Jahre später, als er mit 78 Jahren als Pastor Primarius noch immer in Amt und Würden war, berief Gräfin Charlotte Sophie von Bentinck ihn als Consistorial Rath in ihr gräfliches Kabinett. Nach lutherischem Verständnis war die Landesherrin damals noch das geistliche Oberhaupt ihres Herrschaftsbereiches mit der Kompetenz eines Bischofs. In religiösen und kirchlichen Angelegenheiten stand ihr ein Konsistorialrat beratend zur Seite, der zugleich auch die Aufgaben der kirchlichen Verwaltungsbehörde ausübte und darüber hinaus auch für Eheangelegenheiten und für das Schulwesen zuständig war. Als Nicolaus Armbster 1750 sein Amt antrat, befand sich Kniphausen gerade in einer recht turbulenten Phase. Im Wesentlichen war sie eine Folge von Sophies Scheidung von ihrem holländischen Gemahl Graf Wilhelm von Bentinck, in die am Ende schließlich sowohl der kaiserliche Hof in Wien als auch der dänische und der preußische König involviert waren. Außerdem schwelte zu der Zeit, zumindest unterschwellig, noch immer ein Streit zwischen Reformierten und Lutheranern um die Vormachtstellung in der Herrlichkeit. Unter diesen Umständen war es der Gräfin wohl sehr daran gelegen, einen lebens- und berufserfahrenen Berater an ihrer Seite zu haben. Armbster hatte insgesamt 61 Jahre seines Lebens in Fedderwarden verbracht, davon alleine 60 Jahre im priesterlichen Amt. Ein Zeichen dafür, dass er sich hier immer sehr wohlgefühlt hat und auch in der Gemeinde sehr beliebt war. In Fedderwarden hat er auch sein goldenes Priesterjubiläum erlebt. Dazu findet sich in einer Chronik folgender Vermerk: „Anno 1748 hat er im 76 sten Jahre seines Alters, sein Jubileum ministeriale bey frischer Gesundheit gefeyret“.

Nächste Station:




Start  |  Unsere St.-Stephanus-Kirche  |  Die Kirche von innen  |  Ausmalung  |  Unsere Gemeinde
Veranstaltungen  | Gemeindebote  | Sonstiges  | Wer findet die Glocken?  | Kontakt und Impressum

Hier kommen Sie hier nach oben oder zurück zur Seite 'Sonstiges'.