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Personas sind archetypische Nutzer von Webseiten oder Dienstleistungen die, basierend auf Analysen, Tests und Beobachtungen, entwickelt wurden. Alternativ können Personas auch aus vorhandenen Informationen erstellt werden. Angereichert um weitere persönliche Fakten, repräsentieren Personas die Bedürfnisse, Charakteristika und Ziele größerer Nutzergruppen und werden gezielt eingesetzt, um Entscheidungen über Funktionalitäten und Designs herbeizuführen. Eine reale Person kann im Laufe der Zeit durch veränderte Lebensumstände durch verschiedene Personas repräsentiert werden.
Bei der Verwendung von Personas wird verhindert, dass das Produkt nur auf einzelne Personen ausgerichtet ist oder "für alle" gedacht ist.


Anwendungskriterien

Die Erstellung von Personas ist keine Methode, die problemlos in jedem Unternehmen angewendet werden kann. Die Unternehmenskultur und auch die Personen, die die Methode benutzen, müssen bereit sein, sich auf diese Art des „Rollenspiels“ einzulassen.
Sind Unternehmen und Beteiligte offen für diese Methode, ist der Nutzen groß. Personas ermöglichen interdisziplinär auf der gleichen Ebene zu kommunizieren und neue Lösungen zu entwickeln, ohne dabei in Schubladen zu denken. Mitarbeiter können sich von eigenen Bildern möglicher Kunden lösen und Annahmen auf Fakten basierend treffen.
Die Methode bringt besondere Vorteile, wenn
  1. der Nutzer im Unternehmen nicht klar verstanden ist,
  2. es mehrere Nutzergruppen gibt, die voneinander getrennt betrachtet werden müssen,
  3. eine objektive Betrachtung der Nutzer und deren Anforderungen gewünscht wird.
Die Methode kann negative Wirkungen haben, wenn
  1. der Sinn von Personas im Unternehmen nicht vermittelt werden kann,
  2. Personas zum Transport von den Wünschen z.B. des Marketings des Unternehmens missbraucht werden,
  3. zu viele Personas verwendet werden.


Voraussetzungen

Bevor mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden kann, sollte ein klares Ziel definiert werden, wofür dieses Personas verwendet werden sollen. Personas werden üblicherweise basierend auf Analysen von Nutzerbefragungen und vorhandenen Daten entwickelt. Überlegen Sie sich, ob die Personas für ein bestimmtes Projekt eingesetzt werden sollen oder unternehmensweit Anwendung finden werden. Mithilfe einer klaren Zielsetzung kann dann entschieden werden, welche Daten erhoben oder recherchiert werden müssen und in welcher Form die Auswertung vorzunehmen ist.


Durchführung

  1. Trage Daten der Nutzer zusammen. Dazu können interne Daten aus e-mails, Usability-Tests oder Strategiedokumenten verwendet werden. Es können auch externe Daten von Statistiken oder Marktforschungen herangezogen werden.

    Tipp

    Im Zentrum stehen die Fragen: Wer sind die Nutzer und warum nutzen sie das Produkt? Welche Annahmen, Beweggründe und Erwartungen verbinden die Nutzer mit dem Produkt?


  2. Erstelle Leitfragen für das qualitative Interview.
    Zwei Arten von Daten werden unterschieden:
    1. Definierende Daten, wie
      • biographische Daten,
      • berufliche Daten,
      • Kontext,
      • Ausbildung.
    2. Ziel-, Verhaltens-, Einstellungsdaten, wie
      • Ziele,
      • Aufgaben,
      • Bedürfnisse,
      • Einstellung gegenüber den Bedürfnissen,
      • Behinderungen bei der Erreichung der Ziele,
      • Charakter des Verhaltens,
      • emotionales Verhalten,
      • Motivation,
      • besonderes Wissen über die Ziele.

  3. Wähle die Teilenehmer der Nutzerbefragung aus. Sie können eingeladen oder besucht werden und anhand der Leitfragen einzeln oder als Fokusgruppe befragt werden.

    Tipp

    Befragte können Kunden, die Zielgruppe oder “Multiplikatoren” sein.


    Tipp

    Am effektivsten sind Befragungen von ca. 1 Stunde zusammen mit einem Protokollanten.


    Tipp

    Pro geplanter Persona sollten 6 Befragungen durchgeführt werden.


  4. Werte die Daten aus. Die Ziel-, Verhaltens-, Einstellungsdaten der Befragten müssen anhand der Antworten gruppiert werden. Dabei werden Befragte, die ähnliche Antworten gegeben haben, in eine Persona-Gruppe eingeordnet. Folgende Fragen sollten nach der Gruppierung betrachtet werden:
    • Beschreiben die Gruppen die Schlüssel-Unterschiede, die man beobachtet hat?
    • Sind die Gruppen unterschiedlich genug?
    • Fühlen sich die Gruppen wie reale Personen an?
    • Können die Gruppen einfach beschrieben werden?
    • Werden alle Befragten berücksichtigt?
    • Ist es klar, wie die Gruppen Designentscheidungen beeinflussen?


    Tipp

    Bei der Auswertung der Daten können Kollegen in einem Workshop beteiligt werden. Damit lernen sie diese Methode besser kennen.


    Tipp

    Bei der Gruppierung beginnt man mit den Zielen oder Aufgaben.


    Tipp

    Bei der Bildung von Clustern, werden die beiden ähnlichsten Personen zu einer neuen Person zusammengefasst. Daraufhin werden wieder die ähnlichsten Personen zusammengefasst. Dies wird so lange fortgeführt, bis ein ausreichender Abstand erreicht ist, und die übrig gebliebenen Personen sich hinreichend voneinander unterscheiden.


  5. Organisiere die Daten. Für die Datenorganisation in einer Persona-Gruppe bietet es sich an, diese zu Kategorisieren:
    1. Charakteristika
      Alter, Geschlecht, Wohnort, Familienstand, Hobbys
    2. Ziele und Aufgaben
      Kerntätigkeiten am Arbeitsplatz und im Arbeitsumfeld
      Hard- und Software-Ausstattung und Nutzung
      Interaktion mit Kollegen, Externen
      Entscheidungskompetenzen
    3. Motivation
    4. Anforderungen und Bedürfnisse

  6. (optional) Prüfe die vorläufige Personas quantitativ. Anhand der gefundenen Daten kann ein Fragebogen für jede vorläufige Persona entwickelt werden, die diese Gruppierung prüfen soll. Dieser Fragebogen kann an viele weitere Personen verteilt werden.

  7. Entwickle die Personas. Je vorhandener Persona-Gruppe werden die jeweiligen Kategorien mit Informationen angereichert. Die jeweils gesammelten Informationen werden in Textform (ähnlich einer Kurzbiographie) gebracht und die Persona wird Stück für Stück „zum Leben erweckt“. Die Persona bekommt einen Namen, die demografischen Details werden beschrieben, Hobbys, Informationen zu Freundeskreis, Job, Studium, Elternhaus, Einkommen etc. werden ergänzt. Am Ende wird die Beschreibung mit einem Foto ergänzt.

    Tipp

    Es kann nützlich sein, in einer ersten Version die Eigenarten der Persona übertrieben darzustellen. Im Weiteren werden diese dann wieder zurückgenommen.


    Tipp

    Je umfangreicher die Beschreibung ist, desto einfacher ist es, sich mit der Persona zu identifizieren. Für die Präsentation sollte die Persona auf eine halbe bis eine Seite gekürzt werden. Für die vollständige Persona können noch deutlich mehr Details dokumentiert werden. Zu viele persönliche Daten sind nicht entscheidend und Humor oder Ironie sind bei der Beschreibung nicht angebracht.


    Tipp

    Die Personas sollten kategorisiert werden:
            Primary-Personas repräsentieren die Hauptzielgruppen und die für Ihr Unternehmen wichtigsten Nutzer.
            Secondary-Personas repräsentieren Randzielgruppen, die für das Business wichtig sind und ggf. Nutzer werden können.
            Negativ-Personas repräsentieren Zielgruppen, für die das Produkt ausdrücklich nicht entwickelt werden soll.


    Achtung

    Grundsätzlich sollte man nicht mehr als drei bis fünf Personas erstellen, da sonst die Gefahr besteht, dass die Projektmitglieder sich verzetteln, Personas vertauscht werden und eher für Verwirrung sorgen und somit zu Demotivation führen.


  8. Berücksichtige die Big Five der Psychologie. Die fünf Charaktereigenschaften beschreiben das generelle Verhalten, dass über die Zeit relativ konstant ist. Es sollten die Extrema bei Gewissenhaftigkeit, Offenheit und Extraverion in den Personas enthalten sein:
    • Verträglichkeit: Von freundlich und mitfühlend bis wettbewerbsorientiert und antagonistisch.
    • Gewissenhaftigkeit: Von organisiert und sorgfältig bis unbekümmert und nachlässig.
    • Offenheit: Von neugierig und offen für neue Erfahrungen bis konservativ und vorsichtig.
    • Extraverion: Von zugänglich und gesellig bis zurückhaltend und reserviert.
    • Neurotizismus: Von verletzlich und emotional bis selbstsicher und ruhig.


  9. Präsentiere die Persona dem Entwicklungsteam. Personas werden verwendet, um die entwickelten Lösungen „durch die Kundenbrille“ zu designen und zu testen. Dabei versetzt sich der jeweilige Designer oder Tester komplett in die Rolle der Persona und durchläuft dann virtuell oder real den neu entwickelten Prozess oder testet die Software und bewertet den Test aus seiner „individuellen“ Sicht.

    Achtung

    Personas ist keine Methode, die für jeden Mitarbeiter oder Projektmitarbeiter sofort greifbar ist. Möchte man mit Personas arbeiten, so braucht man auf breiter Ebene die Unterstützung der Mitarbeiter, die dieses Konzept anwenden sollen. Dies wird nicht immer von jetzt auf gleich möglich sein. Abhängig von der Unternehmenskultur bietet sich eine stückweise und gut geplante Einführung an.


    Tipp

    Werden Personas langfristig im Unternehmen eingesetzt, so können sie weiter entwickelt werden, um sich an die geänderte Umgebung anzupassen. So kann das Verhalten den neuen technischen Möglichkeiten angepasst werden oder der Lebenslauf erweitert werden. Dabei ist aber darauf zu achten, dass die Persona auf Fakten basiert, die ggf. neu erhoben werden müssen.




Beschreibung des Produktes

Für jede Persona ist Folgendes beschrieben:
  • Realistischer Name (die Persona soll nicht zur Comicfigur werden).
  • Foto der Person (ebenfalls ein realistisches!).
  • Demographische Informationen (Alter, Ausbildung, Familienstand,...).
  • Beruf und Hauptaufgaben.
  • Ziele, Wünsche, Erwartungen, Bedürfnisse (an das Produkt).
  • Die physische, soziale und technische Umgebung bei der Nutzung.
  • Vorlieben, Abneigungen und Hobbies.
  • evtl. ein Zitat, das einen wichtigen Aspekt der Persona zum Ausdruck bringt.
Diese Informationen sollten in narrativer Form in einem 1-2 seitigen Text festgehalten werden. Besonders die erzählende Form ist wichtig, da Geschichten fesselnder und einprägsamer sind als Aufzählungen von Stichpunkten.

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