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Mykorrhiza
 
Erdorchideen leben zumindest bei der Keimung und als Jungpflanzen mit Bodenpilzen in einer Art Symbiose. Die Samen, die im feuchten Boden aufquellen, werden von Pilzen besiedelt. Bestimmte Pilze können die zur Keimung erforderlichen Hemmungen ausschalten und die Embryonen mit Nährstoffen versorgen: Die Orchideensamen keimen. Die Orchidee weist dem Pilz bestimmte Wirtszellen zu, in denen er Hyphenknäuel bildet, die zur Ernährung der Orchidee dienen. Wer mehr darüber wissen will: eine wirklich detaillierte und schön bebilderte Präsentation über Mykorrhiza hat das Institut für Pflanzenbiochemie in Halle zu bieten.
Ich wende verschiedene Methoden an, um die in Orchideen lebenden Mykorrhizapilze zu isolieren und für Vermehrungsexperimente einzusetzen. Die Pilzhyphen können bei vielen Arten auf künstlichen Nährböden wachsen und müssen dazu auf die Nährböden gebracht werden.
 
Isolierung von Mykorrhizapilzen aus Orchideenwurzeln
 
Zur Isolierung der Pilze wird eine mykorrhizierte Orchideenwurzel von der Pflanze abgetrennt. Bester Zeitpunkt ist meist, wenn die Pflanze in das aktive Wachstum gekommen ist. Nach einigen Untersuchungen werden spät in der Wachstumsperiode oft degenerierte oder andere Hyphen vorgefunden, die nicht mehr geeignet sind. Die Wurzel wird gründlich unter fließendem Wassser gereinigt, in kurze Stücke von 1-2 cm geschnitten und dann oberflächlich desinfiziert. Das geschieht, indem sie in einer Sterilbank nacheinander in Petrischalen mit Wasserstoffperoxid (30% für 5 Sekunden, 20% für 20 Sekunden) behandelt und in Petrischalen mit sterilem Wasser (6 mal 10 Sekunden) gespült werden.
Wurzelspitzen vor der Reinigung und nach der Oberflächen-Desinfektion
 
Die Wurzelstücke werden im nächsten Schritt steril in kleine Scheiben von 1-2 mm Dicke geschnitten, auf vorbereitete Nährböden übertragen und bei 20°C dunkel aufgestellt. Für den Nährboden ist folgende Zusammensetzung geeignet:
 
10 g/l lösliche Stärke
80 mg/l Kalziumnitrat Ca(NO3)2 x 4 H2O
160 mg/l Kaliumchlorid KCl
80 mg/l Magnesiumsulfat MgSO4 x 7 H2O
80 mg/l Kaliumdihydrogenphosphat KH2PO4
25 mg/l Fe-EDTA
7-10 g Agar-Agar
 
aber auch ein ganz einfacher Haferflockenagar, der aus 2,5 g/l Instant-Haferflocken und 7 g/l Agar-Agar mit dest. Wasser hergestellt wird, bringt evtl. schon gute Erfolge.
 
Von den Wurzelstücken ausgehend wachsen die Pilze auf den Nährboden. Die Pilze können durch Übertragen einiger Hyphen der Myzelfront auf neuen Nährboden in wenigen Schritten isoliert werden. Praktisch können mehrere Pilze auswachsen oder auch nur einer.
 
Wenn man ein Mikroskop in der Sterilbank hat und mit den nötigen mikroskopisch feinen Nadeln umgehen kann, ist es auch möglich, einzelne Hyphenknäuel direkt aus den Wurzelzellen heraus zu ziehen und auf Nährboden zu übertragen. So kann man sicherer sein, den in der Wurzel befindlichen Mykorrhizapilz tatsächlich gleich erwischt zu haben.
 
Ob die gewonnenen Isolate als Mykorrhizapilze für Orchideen geeignet sind, stellt sich erst heraus, wenn Samen oder Protokorme mit den Pilzen infiziert werden und die Ergebnisse studiert werden. Dazu ist Geduld nötig und eine Reihe von Versuchen auch.
 
Isolierung von Mykorrhizapilzen aus Protokormen
 
Die Isolierung von Mykorrhizapilzen aus Protokormen hat zwei Vorteile:
Erstens entfällt die Störung der Erdorchidee, die beim Herausnehmen aus dem Substrat und beim Abtrennen einer Wurzel unvermeidlich ist. Und zweitens finde ich, wenn ich natürlich gekeimte Protokorme als Ausgangsmaterial verwenden kann, gleich den richtigen Mykorrhizapilz zur Keimung der betreffenden Art. Bei der Wurzel einer erwachsenen Erdorchidee ist das gar nicht selbstverständlich, denn obwohl die Wurzeln von Pilzen besiedelt sind, muss kein für die Art spezifischer Pilz zur Keimung der Orchidee mehr vorhanden sein. Allerdings mag es auch sein, dass ein aus der Wurzel isolierter Pilz für dieselbe Art oder sogar für andere Arten bestens geeignet ist.
 
Natürlich gekeimte Protokorme können auf verschiedene Weise erhalten werden:
  • Im Umfeld einer Mutterpflanze finde ich sie im Erdboden (mühsam)
  • Aussaaten auf natürlichen Medien (z.B. Rinde oder Erde), die davon Kredit nehmen, dass geeignete Mykorrhizapilze vorhanden sind, ergeben manchmal einige Protokorme
  • Man vergräbt Samen, eingefüllt z.B. in einen durchlässigen Nylonbeutel, in der Nähe einer Mutterpflanze (idealerweise im Biotop) und entnimmt ihn zur besten Keimungszeit einige Monate später. Im Beutel finden sich dann mehr oder wenige viele Protokorme. Vor allem diese Methode wird von australischen Forschern gern verwendet, um die Spezifität der Mykorrhizapilze zu untersuchen.
 
Nach kurzer Oberflächendesinfektion der Protokorme können diese in der Sterilbank auf einen Nährboden (wie oben) gelegt werden. Der zum Protokorm gehörende Mykorrhizapilz wächst dann auf den Nährboden aus und kann so isoliert werden. Die Hyphen sind oft fein und durchscheinend, z.T. spinnwebenartig.
 
Links: Der Mykorrhizapilz breitet sich weiß-durchscheinend radial wachsend aus Protokormen aus. Rechts: Feine Hyphen des Pilzes wachsen aus den kleinen, runden Protokormen aus und oberhalb der Agarfläche am Glas entlang.
 
Durchscheinende langgestreckte Hyphen sind oft ein Merkmal der Mykorrhizapilze von Erdorchideen.
 
Spezifität von Mykorrhizapilzen
 
Eine bestimmte Orchidee kann verschiedene Pilze als Mykorrhizapilz haben. Andererseits kann auch ein bestimmter Pilz verschiedene Orchideen keimen oder fördern. Das sind die Ergebnisse, die Feldstudien ergeben haben und bei der künstlichen Vermehrung ist es genauso. Allerdings scheinen sich die Mykorrhizapilze in-vitro wiederum anders zu verhalten als in freier Natur, so deuten jedenfalls australische Experimente an. Dazu werden laufend Aussaatexperimente benötigt und die Spezifität der Pilze bei der Anwendung zur Vermehrung ist ein besonderer Zweig meiner eigenen Forschungen.
Ich habe mehrere für Mykorrhizaexperimente geeignete Pilze in Kultur und diese sind zum Teil sehr unspezifisch, aber hocheffektiv. Einer keimt in-vitro mehrere Dactylorhiza-Arten, aber auch die völlig verschiedenen Arten Herminium monorchis, Thelymitra rubra, Goodyera repens, Spiranthes aestivalis und Anacamptis morio. Isoliert wurde er aus Dactylorhiza fuchsii.
 
Symbiontische Vermehrung
 
Die künstliche Nachzucht unter Einsatz von Mykorrhizapilzen ist zunächst ein besonderes Feature bei der Ausaat. Viele Erdorchideen sind ohne weiteres auf sterilen Nährböden (asymbiontisch) zur Keimung und zum Wachstum zu bringen. Wozu also der Aufwand, geeignete Pilze zu isolieren und einzusetzen?
 
Es sind drei Aspekte, die meine Anstrengungen untermauern:
  • die Sämlinge können, wenn die Bedingungen in-vitro korrekt sind, bessere Substanz in kürzerer Zeit aufbauen und sind kräftiger als asymbiontisch gewachsene Pflanzen
  • beim Pikieren in unsteriles Substrat bietet der Pilz einen bedeutsamen Schutz gegen andere pathogene Organismen, die ausgepflanzte Sämlinge oft binnen kurzer Zeit verfaulen lassen
  • es gibt auch Erdorchideen, die nur mit Unterstützung von Mykorrhiza-Pilzen gut keimen und wachsen
 
Die Aussaat an sich folgt einem bestimmten Schema:
Ich verwende als Nährboden zunächst immer den Haferflockenagar nach Clemens (2,5 g/l Instant-Haferflocken, 7 g/l Agar-Agar). Je 50 ml werden in 100 ml-Erlenmeyerkolben abgefüllt und sterilisiert. Ebenfalls gut sind Petrischalen verwendbar. Danach wird der Orchideensamen artspezifisch desinfiziert (meist 5 bis 30 Minuten mit 0,5 %iger Natriumhypochloritlösung) und auf das Medium aufgebracht. Es ist darauf zu achten, dass nicht zu viele Samen verwendet werden und diese gut verteilt werden.
 
Symbiontische Aussaat, auf dem rechten Bild sind Pilzhyphen an der Glaswand gut zu sehen
 
Danach werden einige Hyphen des Mykorrhizapilzes oder etwas mit Pilz besiedelter Agar unter sterilen Bedingungen übertragen. Bei etwa 20°C im Dunkeln bewächst der Pilz innerhalb von wenigen Tagen die Oberfläche und erreicht dabei auch die Samen. Andere Varianten, z.B. Samen auf bereits bewachsene Agarplatten auszubringen, zeigen keine grundlegend anderen Ergebnisse. Eine eintretende Keimung kann nach Tagen, meist nach 2 bis 3 Wochen festgestellt werden.
 
Symbiontische Samenkeimung (Dactylorhiza)
 
Protokorme sollten, sofern das bei der Aussaatdichte nicht schon berücksichtigt wurde, stark vereinzelt werden, damit eine gute Entwickung sichergestellt ist. Dazu werden sie bei meinen Anzuchten mindestens einmal umgelegt auf frischen Nährboden. Ich achte darauf, dass Protokorme von etwa gleicher Größe zusammengelegt werden, um einen gemeinsamen Entwicklungsstand zu erreichen. Oft sind nur wenige Protokorme je 50 ml Medium das Optimum, weil eine ausreichend Ernährung sonst nicht sichergestellt ist.
 
5-10 Dactylorhiza-Protokorme je 50 ml Medium sind optimal
 
Negative Resultate sind bei der symbiontischen Aussaat jedoch an der Tagesordnung und müssen in der Vorgehensweise berücksichtigt werden:
  • Falls ein Pilz nicht zur Keimung geeignet ist, passiert leider auch nichts. Solche Ergebnisse, so schade es für die Vermehrung ist, sind bei den Versuchen zur Spezifität in-vitro aber auch interessant.
  • Einige Pilze oder Kombinationen von Pilzen und Nährböden ergeben eine starke Virulenz der Pilze, die schnell zum Parasitismus führen kann. In diesen Fällen stimmt die Ernährungsgrundlage nicht und die Orchideen werden parasitiert - sie sterben ab. Schade, wenn es wertvolle Samen oder Protokorme waren!
  • Nach erfolgreicher Keimung stockt manchmal die weitere Entwicklung der Protokorme, weil der Pilz nicht geeignet ist, die Protokorme weiterzuentwickeln. Es kann zum Absterben der Protokorme kommen.
Die symbiontischen Protokorme werden bei mir zur Weiterkultur in-vitro weitgehend wie unter natürlichen Klimabedingungen gehalten, d.h. Dactylorhiza und andere Orchideen, die im Winter einziehen, überwintern frostfrei im Kühlschrank (oft wird diese Kühlbehandlung auch zur Brechung der Triebknospenruhe benötigt), während Winterblätterbildner wie Orchis oder Thelymitra bis zur Bildung der ersten Blätter bei 15-20°C aufgestellt werden.
 
Symbiontische Orchideen-Anzucht.
links beginnende Keimung, rechts Blattaustrieb etwa 5 Wochen nach der Aussaat!
 
Im Gegensatz zu den asymbiontischen Sämlingen sind die symbiontisch gezogenen oft größer und kräftiger entwickelt und können frühzeitig in Bodensubstrate auspikiert werden. Ich lasse die ersten Knollen immer im Topf bilden. Schnelle Orchis-Arten können nach 3 bis 4 Monaten in-vitro getopft werden. Sie haben dann einige Blätter getrieben und wenige Wurzeln gebildet. Die Pflanzen werden aus den Flaschen entnommen, abgespült und dann unmittelbar in geeignete Gemeinschafts-Töpfe gepflanzt.
 
links optimale Entwicklung in-vitro nach 4 Monaten, rechts aus den Kolben entnommene, gewaschene Sämlinge (Anacamptis morio).
 
Geeignete Substate für die Topfkultur symbiontischer Erdorchideen basieren bei mir auf Perlite, Lava, Seramis oder ähnlichen mineralischen Granulaten mit Zusätzen von 20 bis 50 % organischem Material (Einheitserde P, Holzfasern, Rindenhumus). Das Substrat wird vor der Verwendung trocken (30 Minuten bei 200°C im Backofen) sterilisiert.
 
Bei den Erdorchideen, die in-vitro schon Blattrosetten gebildet haben, erfolgt die Austopfphase in einer trüben, kühlen Regenperiode. Der Aufstellort wird dann kühl (2-10°C) und feucht gewählt. Bis zum Frühjahr bilden die Pflanzen weitere Blätter und die Knollen, mit denen sie übersommern werden.
 
Arten, die erst im Frühjahr austreiben, lasse ich nach der Kühlbehandlung von 3-4 Monaten in-vitro bei schwachem Licht erste Blätter bilden und topfe sie dann im Frühjahr ein.
 
Links frisch getopfte Sämlinge von Anacamptis morio (Januar), rechts Dactylorhiza vor dem Eintopfen (Mai)
 
Die weitere Entwicklung der symbiontischen Jungpflanzen entspricht der von adulten Pflanzen der Art. Die symbiontischen Pflanzen bilden meist weniger Wurzelmasse, weil die Ernährung durch die Hilfe des Pilzes unterstützt wird. Erst nach zwei, manchmal drei Jahren sind die Pflanzen kräftig entwickelt und dann in der Regel auch ohne Pilz völlig autark. Das gilt nicht für Arten, die zeitlebens mehr oder weniger Unterstützung durch ihre Mykorrhizapilze benötigen, z.B. Caladenia aus Australien.
 
Einige meiner Vesuchsreihen beschäftigen sich mit der Idee, die Abwehrfunktionen der Mykorrhizapilze für noch einfachere Aussaaten zu nutzen. Ich bin dabei soweit gekommen, dass Samen ohne Desinfektion auf pilzbewachsene Agarmedien gesät werden können. Sauberes Arbeiten ist sinnvoll, aber sterile Bedingungen sind nicht unbedingt notwendig. Der Mykorrhizapilz, der die Samen keimt, verteidigt sich und damit die entstehenden Protokorme gegen Fremdinfektionen und die Entwicklung der Protokorme kann ungestört verlaufen.